Mein Name sei Faber
Faber im Interview
Der junge Mann mit der Reibeisenstimme ist gerade mal Anfang 20, verfügt aber über eine derart reife Beobachtungsgabe, mit der er dem vermeintlich Trivialen in eloquenten Texten, umrahmt von feinster akustischer Popmusik, zur Wahrhaftigkeit verhilft. Faber ist auf bezaubernde Weise weniger rational als sein literarischer Namensvetter und nimmt dabei keine Blatt vor den Mund. Dies zeigt sich auch im Gespräch mit VOLUME, wenn es darum geht, Schwermut und Ironie unter einen Hut zu bringen, sich dabei selbst ja nicht treu zu bleiben und aus dem Schatten des Vergleichs zu treten.
Bist du Max Frisch Fan?
Ja, aber ehrlich gesagt hatte ich das Buch ‚Homo Faber‘ vorher nicht gelesen. Das habe ich mittlerweile aber nachgeholt und es gefällt mir sehr gut: tragisch und sehr schweizerische auf eine seltsame Art und Weise.
Was genau meinst du mit ’sehr schweizerisch‘?
Homo Faber ist ein Techniker – sehr präzise, sehr kühl, sehr rational, aber gleichzeitig irgendwie süß. ‚Mein Name sei Gantenbein‘ geht ebenfalls in diese Richtung und ist noch ein bisschen detailreicher. Das ist geil! In der Rationalität von Max Frisch versteckt sich sehr viel Witz. Das gefällt mir so daran.
Und wie steht’s mit deiner eigenen Rationalität … bist du eher Kopf- oder Herzmensch?
Definitiv Herzmensch! Ich denk nicht besonders viel. (lacht)
Aber hast du während der Arbeit an deinem Debüt an die vielen Vorschusslorbeeren gedacht, die es mit der Platte einzulösen galt?
Das war mir eigentlich ein bisschen egal. Ich hatte schon Schiss, aber eher vor meinen eigenen Erwartungen und vor den Reaktionen von Leuten, die ich kenne, als vor der Meinung des großen Publikums oder der Plattenfirma. Ich schulde denen nichts. Es war eher die Frage, ob ich das, was ich mir vorstelle, auch auf Platte hinkriege. Es war ein bisschen schwierig, denn zum einen haben wir fast alles live aufgenommen. Ich wollte unbedingt, dass es den dirty Live-Charakter behält. Zum anderen sollte es trotzdem eine Platte werden, die natürlich auch ein bisschen produziert klingt, auf der man Sachen machen kann, die man live nicht machen kann. Das wollte ich auf jeden Fall ausnutzen, aber hatte keine Ahnung, inwiefern das dann meinem Stil entspricht. Ich bin auch gespannt – ich habe mir das Album selber schon länger nicht mehr angehört. Nach der Mischung wollte ich es einfach mal liegenlassen, aber ich freue mich auf jeden Fall, wenn es jetzt endlich erscheint. Dann höre ich es mir auch wieder an! (lacht)
Apropos Meinung der Plattenfirma … wie hat die beim ersten Hören reagiert?
Die waren erstmal ein bisschen geschockt. Ich wurde schon herzlich gedrückt, aber der Chef von Universal hat gemeint: ‚Finde ich mega geil, aber Alter, du hast mir eine World-Platte gemacht, auf der in jedem zweiten Song geflucht wird. Welches Radio soll das spielen?‘ (lacht) Aber das ist nicht mein Problem. Sie müssen es verkaufen. Selber schuld! (lacht)
Doch wie wird man ein Faber im Wind?
Ich lade die Leute herzlich dazu ein, ein Faber im Wind zu werden. Dafür gibt es keine Regeln. Ich finde, es ist einfach ein schönes Bild – völlig frei von Inhalt, aber irgendwie verwegen und abenteuerlustig. Jeder darf mitmachen. Es ist eine Einladung an alle, die man gleichzeitig auch wieder nicht allzu erst nehmen kann. Ich muss mir selber vielleicht auch noch ein bisschen überlegen, was es wirklich heißt, ein Faber im Wind zu sein. Faber ist schon zu 100% ich, aber ich bin nicht zu 100% Faber.
Du bewahrst dir trotz aller Schwermut und Melancholie immer die Ironie und ein spitzbübisches Augenzwinkern …
Das freut mich sehr, dass du das so ausdrückst. Ich sehe mich oft mit der Diskussion konfrontiert, dass doch alles mega ironisch ist. Das ist es aber nicht. Es geht auch um ernste Themen, aber das Ziel ist auf jeden Fall, dieses kleine Augenzwinkern mitschwingen zu lassen. Es freut mich, wenn das gelungen ist.
Absolut! Wie viel Inspiration schöpfst du aus diesem gleichzeitigen Gegensatz?
Sehr viel! Es ist auch sehr viel Widersprüchliches dabei. Das gehört einfach zu mir. Es gehört zum Wesen des Menschen, dass er sich widerspricht, dass er sich immer neu erfindet. Man ist nicht etwas und etwas Anderes ist man nicht. Der Mensch hat die verschiedensten Seiten. Gerade, wenn Leute sagen, das wäre nicht authentisch, das wäre gespielt … natürlich sind Sachen gespielt! Immer wenn du eine Bühne betrittst, spielst du auch eine Art und Weise eine kleine Rolle. Ich rede mit dir anders als mit meinen Eltern. Ich rede mit meinen Freunden anders als mit Wildfremden. So ist das! Man zeigt sich von verschiedenen Seiten. Man zeigt sich vielleicht auch von der Seite, die man ein bisschen sein möchte. Allein dass du etwas sein willst, zeigt auch schon ein bisschen, was du bist. Das sind Widersprüche, die total menschlich sind und viel zu oft runtergemacht werden in Sprichwörtern wie ’sei immer du selbst!‘ Ich verstehe natürlich, was die Leute damit meinen, aber ich finde es im Grunde genommen falsch. Das stellt den Menschen so eindimensional dar. Er ist jetzt das und mehr kann er nicht sein. Ich finde, das ist völliger Blödsinn. Bestimmt die Hälfte von dem, was man zeigt, ist das, was man gerne wäre.
Singst du deshalb lieber ‚bleib dir nicht treu‘, ’sei niemals du selbst‘ und vor allem ‚halt dich an keiner Regel fest‘?
Auf jeden Fall. Man kann es auch als große Identitätskrise interpretieren – aber nicht nur meine eigene Identitätskrise, sondern die des Menschen. „Bleib dir nicht treu“ ist natürlich sehr plakativ und einfach ein bisschen billig alles umgedreht, aber ich finde, die Sprichwörter machen umgedreht manchmal auch fast mehr Sinn.
Sind das auch deine persönlichen Lebensphilosophien?
Ich weiß es nicht. Diese Platte klingt nun eben so, aber vielleicht klingt die nächste ganz anders … oder doch wieder gleich. Ich möchte mich im Sinne des treu bleibens da nicht einschränken. Es wichtig, dass man in Bewegung bleibt – wenn man will. Man sollte sich nicht vor Sachen verschließen, nur weil man Angst hat, dass die Leute es dann nicht mehr real finden könnten.
Authentizität und Realness sind Begriffe, die häufig in Zusammenhang mit deinem Namen fallen …
Ja, ich werde oft dafür gelobt. Ich finde das immer sehr nett, aber ich verstehe nicht ganz, was damit gemeint ist. (lacht) Aber ich höre auch öfters, dass unsere Liveshow sehr übertrieben sei. Und die ist auch übertrieben! (lacht) Gerade in Deutschland scheuen sich die Leute vor Romantik. Die haben immer Angst, dass das Kitsch oder Schlager sei. Sie haben wirklich Angst, dass man sie als kitschig wahrnimmt. Diese Angst kann ich überhaupt nicht teilen. Romantisch sein ist einfach etwas ein bisschen Übertriebenes. Ich finde das schön!
Was sagst du in diesem Kontext zu Vergleichen mit Annenmaykantereit?
Ich finde nicht, dass wir dieselbe Musik machen. Gut, wir haben beide tiefe Stimmen, sind beide jung und machen akustische Musik. Ok, wenn man es so ausspricht, ist es schon sehr ähnlich. (lacht) Es ist beides akustische Popmusik und ich kann mir auch vorstellen, dass wir ein ähnliches Publikum haben, aber textlich sind wir uns nicht besonders nahe. Bei solchen Vergleichen ist es immer ein bisschen schwierig, dass man nicht mit dem Vorwurf des Nachahmens in Konflikt kommt – gerade wenn eine Band davon sehr bekannt ist. Das wäre aber auch das Einzige, was mich an diesem Vergleich stören würde. Ansonsten finde ich ihn ganz gut. Wir können auf jeden Fall in dieselbe Richtung ziehen. (lacht)
Zum Schluss: Wieso war genug nicht genug und wieso ist heute nichts schon viel zu viel?
Eine sehr gute Abschlussfrage. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich würde das fast lieber einfach so stehen lassen. Und das mach ich jetzt auch.
Auch gut! Vielen Dank!