Mehr Sturm als Stille
Sportfreunde Stiller im Interview
Indie Rock! Eine Jugendbewegung, allgegenwärtig in den 90ern im deutschsprachigen Musikraum. Erkennungsmerkmale: Cordhosen, Trainingsjacken von Adidas und asymmetrische Haarschnitte. Bands aus der Nachbarschaft standen auf einmal in der Musikzeitschrift des Vertrauens und wurden im Radio gespielt. Aus Peter, Rüde und Flo wurden die Sportfreunde Stiller, die im Jugendzentrum anfingen und ein paar Jahre später die Münchner Olympiahalle ausverkauften. Gegründet haben sie sich 1996. Am 7. Oktober erscheint ihr neues, siebtes Studioalbum ‚Sturm & Stille‘. Anlass genug, um in Erinnerungen zu schwelgen.
Zwanzig Jahre Sportfreunde Stiller! In eurer Heimatstadt München wart ihr sofort bekannt wie bunte Hunde. Man hatte schon das Gefühl, dass bei euch etwas Besonderes am Start ist.
Peter: Also, ich habe das ganz anders erlebt, mich nie zu einer Szene dazugehörig gefühlt. Man kannte andere Bands, aber es fand kein Austausch statt – was ich sehr schade fand. Der Neid war leider spürbar: ‚Ach, die Sportis, die quasi nix draufhaben, können jetzt da und dort spielen. Bei denen geht jetzt ein bisschen mehr.“ Wir hatten halt Bock, das zu machen, was Spaß bringt, haben rumprobiert, wollten einfach nur spielen. Die Lieder waren uns schon wichtig, aber es musste nicht alles perfekt sein. Hauptsache auf die Straße und möglichst viel erleben!
In den letzten zwanzig Jahren habt ihr tausende Kilometer zurückgelegt. Was war das erste Gefährt der Sportfreunde Stiller?
Peter: Mein alter VW-Bus, Paul, der arg gelitten hat unter unseren Tourneen. Hat auch schon ab und zu mal schlappgemacht, uns aber am Ende gut überall hingebracht.
Rüde: Aber hat der nicht das Zeitliche ge- segnet, weil du ihn nicht mehr vom Parkplatz abholen konntest?
Flo: Da hat der Rüde doch Dresche gekriegt.
Peter: Ja, der stand da auf dem Parkplatz vom Kunstpark Ost in München…
Flo: …während eines Drehs. Der Kunstpark Ost war abgeriegelt und zwar genau dort, wo Peters Bus stand. Wie die kleinen Buben sind wir vor dem Zaun gestanden und haben uns überlegt, wie wir an den Bus kommen. Der Filmdreh wurde von den Hell’s Angels bewacht. Ein Rocker kam und hat gefragt: ‚Was wollt’s denn ihr hier?‘ Und wir haben geantwortet: ‚Wir schauen bloß nach unserem Bus‘. Dann hat der Typ noch irgendeinen Satz gesagt, worauf Peter gemeint hat: ‚Ruhig bleiben, Cowboy!‘ Der Cowboy hat dem Rüde dann ohne Vorwarnung eine Detschn verpasst…
Rüde: Das war anders! Erst hat der Peter gesagt: ‚Cool bleiben, Cowboy!‘ Und dann kam der Typ auf mich zu und ich meinte dann: ‚Jetzt bleib doch mal cool, was ist denn los?‘ Und er so: ‚Soll ich dir mal zeigen, was cool ist?‘
Flo: Genau, so war’s. Peng! Ja, und dann gab’s Tumult und wir sind sofort abgehauen. Das war dann auch das Ende von Paul, unserem ersten Tourbus…
Wann gab’s zum ersten Mal einen Bus mit Komfort?
Flo: Ich weiß noch, als wir uns den ersten Nightliner leisten konnten. Peter und ich hatten unsere Koffer schon bei den letzten Proben im Studio mit und sind danach direkt in den Bus eingestiegen. Rüde hat ahnungslos gefragt, wieso wir denn Gepäck dabei haben und was das riesen Teil da vor der Tür macht. Antwort: Es geht jetzt zu Rock am Ring! Rüde hat’s verplant und gesagt: ‚Nein, also, ich habe jetzt nix dabei!‘ Dann musste er noch schnell heim und seine Sachen holen. Das war im Jahre 1998.
Peter: Ja, da haben wir uns etwas gegönnt, um dann schnell zu kapieren, dass das totaler Blödsinn war. Viel zu teuer!
Flo: Eine Woche später ging es dann wieder mit dem Sprinter auf Tour.
Rüde: Aber trotzdem war’s ein großartiges Gefühl! Für mich war das so, als könnte ich alle drei Monate eine neue Lebensgeschichte schreiben: Der erste Nightliner, bei Rock am Ring einlaufen, Konzerte im benachbarten Ausland…
Euer liebster Spielort in Österreich?
Peter: Avalon, Allensteig. Da hätte ich auch fast meine zwei Bandkollegen verloren. Die beiden haben anderswo genächtigt und ich – damals noch ohne Handy – musste sie aufstöbern. Es gab nur einen Zettel mit dem ungefähren Standort – irgendwo im Nirgendwo bzw. im Waldviertel. Plötzlich kamen Rüde und Flo dann über einen Hügel…
Rüde: Filmreife Szene! Wir mussten tatsächlich das Gasthaus verlassen, weil die Eltern vom Gottesdienst zurückgekommen sind.
Eure liebste österreichische Band?
Flo: Wir sind gerade mit Granada aus Graz unterwegs gewesen, die sind super! Mit Heinz aus Wien haben wir schon Sachen erlebt, die dürfen wir niemandem jemals erzählen…
Peter: Ich finde Bilderbuch spitze. Wanda hat mich umgehauen, als ich den Sound und vor allem den Gesang zum ersten Mal gehört habe. Krasse Leidenschaft!
Apropos Leidenschaft: Haben sich 20 Jahre Sportfreunde Stiller gelohnt?
Rüde: Der Maßstab darf nicht sein, ob es sich lohnt, eine Band zu gründen – aus beruflicher Perspektive. Es ist doch einfach nur total geil, sich mit Leuten zu treffen, ein tolles Lied zu machen, zu träumen und abzugehen. Und irgendwann ein Konzert zu spielen, stolz zu sein und von der Bühne zu kommen und zu sehen, dass die Leute eine coole Zeit hatten. Diese Feiermomente sind so großartig. Was sich daraus finanziell entwickelt, steht halt einfach auf einem anderen Blatt. Man darf eine Band nicht nach Erfolg oder Misserfolg beurteilen. Erfolg ist ja nicht nur eine Chartplatzierung. Erfolg ist der schöne Abend, das schöne Lied, die coole Probe und das Feiern danach. Das gilt auch für unsere nächsten 20 Jahre Sportfreude Stiller…
Beste Schlussworte! Dann weiterhin alles Gute und bis bald in Österreich.