Love Respect Peace
Wallis Bird im Interview
Im September 2019 legte Wallis Bird ihr sechstes Album „Woman“ vor: wütend, emotional, direkt, klagend, feiernd, voller mitreißender Energie und starker Meinungen. Die gebürtige Irin, die mittlerweile in Berlin lebt, verrät uns im Interview, welche Probleme die Welt hat, warum und wie sie diese auf ihrer neuen Platte verarbeitet, an welchen Dingen wir uns mehr erfreuen sollten und wie man das Leben dennoch genießt.
Auf „Woman“ sprichst du viele problematische Themen an: Politik, Social Media, Rassismus, die fehlende Gleichberechtigung für alle, Feminismus, Liebe, Trump usw. … fast jede große Welt-Problematik, die aktuell ist. Ist „Woman“ dein ultimatives Revolte-Album?
Mein ultimatives Revolte-Album klingt echt badass! Das kann ich mir nicht zuschreiben, aber es ist definitiv ein politisches Album. Es soll den Zeitgeist einfangen, sodass wir in einigen Jahren vielleicht zurückblicken können und sagen: „Wow, wir haben es weit gebracht seit damals.“ Ich fordere mehr emotionale Intelligenz, mehr Empathie, mehr Aufmerksamkeit und mehr Freundlichkeit. Ich schätze, es wird sehr deutlich, dass ich gegen Rassismus und Sexismus jeglicher Art bin.
Wie schon gesagt, es werden dabei viele verschiedene Probleme angesprochen. Welchen Song müssen die Leute unbedingt hören? Und was sollen sie davon mitnehmen?
Wenn man sich sarkastisch, aber nicht böse fühlt, dann „That‘s What Life Is For“. Wenn man nostalgisch gegenüber Mutter Natur ist, dann „Time It Is Not Waiting“. Wenn man sich in der Gleichgültigkeit verlieren will, dann „Salve!“. Wenn man seinen Arsch für den Aktivismus hochkriegen will, dann „As The River Flows“.
Du hast schon öfter darüber gesprochen, wie wütend du warst, als du diese Tracks geschrieben hast. Welche Rolle spielen Emotionen für dich,wenn du Songs schreibst und produzierst?
Ich war nicht nur wütend. Ich war auch ängstlich, was die Zukunft betrifft … deshalb versuche ich, mit Optimismus Hoffnung zu schöpfen. Emotionen sind so wichtig! Das Emotionslose in Songs hat beinahe zum Tod von guter Pop-Musik und kritischen Denken geführt. Das ist das Ergebnis von Kapitalismus und Kommerz der letzten 15 Jahre. Lyrics sind nur mehr faule Schnipsel – nichts Denkwürdiges. Der Sound wurde so homogenisiert, nur um diesen zu verkaufen. Ohne Emotionen sind wir nur Roboter.
Was ist deine Lieblingsemotion, um Songs zu schreiben?
Liebe. Immer.
Das „M“ in „Woman“ ist 13% kleiner als der Rest der Buchstaben, das entspricht genau dem Gender-Pay-Gap in Irland. Wie wichtig sind dir solche Details auf dem Album und auch bei deiner Musik generell?
Die Details sind das Wichtigste. Wenn man Musik hört, sind die Menschlichkeit in der Performance, die Fehler, die glücklichen Unfälle, das Optische, wie du dich dazu bewegst, die Gefühle, Welten und Zeichnung durch diese Frequenzen gestaltet. Das Detail ist eben nicht nur in der Musik, sondern das Optische und das Hörbare bringen alles zusammen und geben dem Ganzen eine tiefere Bedeutung. Auch die Taten, Wörter und was die KünstlerInnen vermitteln, gehören zum Portrait. Das geht alles Hand in Hand.
Dein Song „Salve!“ kritisiert den Umgang mit Social Media und Smartphones. Was ist die schlechteste Nebenwirkung von sozialen Medien? Hast du bei dir selbst diesen schlechten Einfluss auch schon bemerkt?
Gute Frage. Ja, ich habe diesen schlechten Einfluss auch schon gespürt, aber um ehrlich zu sein kann ich mich enorm glücklich schätzen, dass die Online-Rückmeldung auf meine Arbeit sehr liebevoll und positiv ist. Ich verwende soziale Medien mit Bedacht, sparsam, aber auch mit hohem persönlichem Wert. Das Schlechteste daran ist, das verfälschte Körperbild und der Narzissmus, der von anderen kommt. Die Hass-Postings müssen reguliert werden. Dick-Pics sind in Texas gerade für illegal erklärt worden, was ein Schritt in die richtige Richtung ist. Online-Trolling ist so ein trauriges Phänomen. Das Vorherrschen von den Weißen und die Idiotie haben hier mit der Anonymität ein zu Hause gefunden. Das ist toxisch für die mentale Gesundheit. Wir machen leider nur Baby-Steps was den Umgang der Gesellschaft miteinander in den sozialen Medien angeht.
Wie schaffst du es tiefgründige Problematiken in deinen Texten so glücklich klingen zu lassen wie bei „Salve!“?
Ich verwende Songs als sichere Plätze. Ich will gut zu mir sein – ich schreibe nicht um mich im Schmerz zu suhlen. Ich schreibe, um den Schmerz loszulassen und ihn in etwas Heilendes zu transformieren. Ich mache diese Happy Songs, um damit besser klarzukommen und zu heilen.
„Love Respect Peace“ hast du mit der Hoffnung geschrieben, dass die Menschen diese Worte laut mitsingen. Welcher war der letzte Song, den du lauthals mitgesungen hast, der aber nicht von dir war?
So viele Songs! Der letzte, an den ich mich erinnere, war von meinem Freund Sam Vance Law: „I love god, but he doesn’t love me; Cause I’m an unwilling conscript in hell’s army; I wanna be an angel, but it just can’t be; ‘COS I’M A FAGGOT!“. Diese Worte auf seinem Konzert zu singen, im vollen Bewusstsein, dass sie den Schmerz ausdrücken, den sie die LGBTQ+ Community immer wieder erfährt, war orgasmisch. Das Blatt zu wenden und diese Worte zu schreien, sie zu zerschlagen, mit Stolz zu singen – einfach unglaublich.
„Everyday‘s a school day.“ Was war das letzte, was du für dein Leben gelernt hast?
Dass wir als Menschen die Aufgabe bekommen habe, den Planeten zu führen, mit der Natur zu wachsen und mit ihr eins zu sein. Offensichtlich sind wir dabei vom Weg abgekommen, so dass wir vielleicht wie ein Virus weggefegt werde, aber hoffentlich können wir uns wieder verbinden und den ursprünglichen Zweck erfüllen. Darum ging es in einer für mich bahnbrechenden Konversation, die ich letzte Nacht hatte! Meine Freundin Tracey hat das in ihrem Herbal-Medicine-Kurs gelernt und ich war geflasht!