Little Boots im Interview
Der Journalist mittleren Alters, angetan mit Hornbrille und großer Umhängetasche, kann sich nur schwer lösen. Widerwillig verlässt er den Interviewraum nach überzogenem Zeitrahmen. Er wirkt wie frisch verliebt und überschüttet den Promoter mit Phrasen wie: ‚Ja, ich bin ja schon sooo gespannt auf das Konzert.‘ – blablablaaaaa! Was macht diese Frau bloß mit den Männern, ich bin schon neugierig…
Victoria Hesketh a.k.a. Little Boots macht Werbung für ihr Debüt-Album ‚Hands‘, das die Szene seit Monaten in Wallung bringt. Eine neue Kylie heißt es da, eine frischere Madonna dort…Also betrete ich den kargen Raum im Büro von Warner Germany und da ist sie: Genau so klein wie der Künstlername es vermuten lässt, und man es dann doch nicht erwartet hätte. Perfekt gestylt, stark geschminkt und mit mindestens 10 cm hohen Absätzen. Etwas wackelig vielleicht beim genaueren Hinsehen. Sehr freundlich und professionell beim Reden, auf geht’s…
Und, wie viele Interviews hast du heute schon geben müssen?
Bis jetzt nur eines, aber das ist schon mein dritter Promotag in Folge. Es geht noch…(lacht)
Du sprichst gerne von Eskapismus, um deine Musik zu beschreiben, erschaffst künstliche Welten. Welches Thema oder welcher Oberbegriff fällt dir zu deinem Album ‚Hands‘ ein?
Vielleicht das Gefühl, durch den Weltraum zu fliegen mit einem gebrochenen Herzen, und dann irgendwo landen. Es ist einfach ein leichtes, schönes Synthie-Pop Album.
Aber die Realitätsflucht magst du schon sehr, oder?
Ja, es gibt da schon viele fantastische Elemente in meiner Welt, aber das Ganze ist vermischt mit echten Emotionen. Geister, Erdbeben, so etwas, aber immer auf einem Fundament realer Gefühle. Mir ist es schon wichtig, mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen. Aber immer mal wieder in verrückte Vorstellungen abzudriften, ist auch wichtig.
Du hast ja dein Album in Los Angeles aufgenommen, also nehme ich an, du hast auch einige Zeit dort verbracht. Hast du jemals darüber nachgedacht, dort hinzuziehen?
Vielleicht. Ich hatte dort gute Zeiten, aber auch nicht so gute Zeiten, Ich glaube, es kommt immer darauf an, was man dort vorhat. Natürlich wäre es super, ein Haus dort zu haben, um vor dem englischen Winter auszureißen. Aber für immer dort leben würde mich wahnsinnig machen.
Erzähl doch mal von den Kooperationen mit anderen Künstlern auf deinem aktuellen Album. Und, um die nächste Frage auch gleich nachzuschieben, mit wem würdest du zukünftig gerne mal zusammenarbeiten?
Ich habe viel mit Greg Kurstin gearbeitet. Er ist toll, sicher die Hälfte des Albums ist zusammen mit ihm entstanden. Wir kennen uns schon lange. Und dann natürlich Joe Goddard von Hot Chip, Jas Shaw von Simian Mobile Disco, Pascal Gabriel, Richard Stannard, Kid Gloves, der auch mit Ladyhawke gearbeitet hat, aber Greg war definitiv der Wichtigste…Mit wem ich gerne kooperieren würde? Vielleicht mit Kayne West.
Es ist ja leider nicht nur im Musikbusiness so, aber hast du jemals negative Erfahrungen machen müssen, dass du als Mädchen nicht so ernst genommen worden bist?
Eigentlich nicht wirklich, höchstens mal in einem größeren Studio, wenn es dann hieß: ‚Fass‘ das bloß nicht an!‘, aber da ich mittlerweile sehr genau weiß, wofür welcher Hebel gut ist, ist mir das auch schon länger nicht mehr passiert.
Wenn man sich deine etwas älteren Videos auf Youtube ansieht, die schön bei dir zuhause aufgenommen sind, bist du immer sehr leger gekleidet – im Jogginganzug vor der Webcam, das steht natürlich in großem Kontrast zu deinen Outfits auf der Bühne, deinem Glamourlook auf den Pressefotos. Haben wir es hier mit einer gespaltenen Persönlichkeit zu tun?
Nein, aber wenn ich auf der Bühne stehe, möchte ich natürlich eine größere Erscheinung sein. Schuhe und Make-Up helfen einem einfach dabei, sich besser zu fühlen vor Publikum. Das ist bei meinen Home-Videos nicht so wichtig. Lady GaGa, die zieht das durch, die ist immer perfekt gestylt. Aber wenn ich in meinem Schlafzimmer am Keyboard sitze, will ich es gemütlich haben.
Du gehst also ungeschminkt in den Supermarkt?
Ja, klar. Obwohl, vielleicht muss ich bald damit aufhören. Mein Album ist noch nicht mal draußen, dafür haben mir vor Kurzem das erste Mal Paparazzis aufgelauert. Total absurd.
Hast du einen Fetisch?
Ja, einen klassischen Schuhfetisch. Ich liebe Schuhe! Und ich arbeite gerne im Garten, ich liebe es zu gärtnern. Ich pflanze Gemüse an – Zucchini, Tomaten und so weiter.
Wenn du mal alt bist, wirst du dich komplett der Gartenarbeit zuwenden, Bücher verfassen?
Klar, ich kann’s gar nicht erwarten…(lacht)
Was ist dein Lieblingsessen?
Kartoffelbrei! Wenn ich erschöpft und hungrig bin, will ich einfach nur Kartoffelbrei.
Was war das allererste Konzert, auf dem du warst?
Foo Fighters, ich war 16 und bin mit meiner Schwester hingegangen. Das hat mich voll umgehauen damals.
Du hast auch schon ziemlich viele Cover-Versionen gespielt, die man aber eigentlich nur im Internet sehen bzw. hören kann. Hast du dir mal überlegt, ein Album mit deinen Lieblings-Cover-Versionen aufzunehmen?
Ja, gut möglich. Auf jeden Fall will ich mal einen Cover-Gig spielen. Die Leute können sich über Internet Songs wünschen, ich werde sie einstudieren und live performen.
Ich bin schon sehr gespannt! Vielen Dank für das Gespräch, ich freu mich darauf, dich live auf der Bühne zu sehen.
Gern geschehen. Ich mag deine Jacke.
Oh, danke, sie ist von H&M.