Lieber Außenseiter
KMPFSPRT im Interview
„Gaijin“, übersetzt „Außenseiter“ und Titel ihres aktuellen Langspielers, beschreibt ein oft unterschwellig negativ gefärbtes Lebensgefühl in all seiner Konsequenz: Ob Wahlerfolge der AfD, Polizeigewalt oder das Desinteresse einer Hipster-Generation, die nur noch um sich selbst kreist. KMPFSPRT kommentieren die gesellschaftliche Realität mit der von ihnen bekannten Direktheit. Auch in unserem Interview fand Gitarrist David Schumann klare Worte für die Münchhausens, Blender und Brandstifter dieser Welt.
Helene Fischer hat sich gegen Rassismus ausgesprochen – wird jetzt alles gut?
Hoffentlich! Nazilos durch die Nacht!
Hat man als Musiker in Deutschland automatisch eine politische und gesellschaftliche Verantwortung?
Für mich hat man als denkender Mensch, egal woher, immer eine gesellschaftlich-politische Verantwortung. Klar kommt als Deutscher, der sich seiner Geschichte bewusst ist, noch mal die ganz besondere Verantwortung dazu, alles zu unternehmen, damit sich so etwas wie damals nicht wiederholen kann. Und als Musiker hat man eben eine Stimme, mit der man gehört werden kann, also warum sollte man diese nicht nutzen?
Der Song „Pauken und Trompeten“ kommt fast einer Kampfansage gleich – vermisst ihr so klare Statements in der deutschen Musikszene?
Wenn ich mir die Bands in unserem Umfeld, zum Beispiel Adam Angst und Fjort, so angucke, kann ich mich über mangelnde klare Aussagen eigentlich kaum beschweren. Es scheint so, als ginge der gesellschaftliche Rechtsruck einer Menge kreativer Menschen stark gegen den Strich. So viele deutlich politische Songs wie in den letzten Jahren habe ich auf jeden Fall lange nicht mehr gehört. Aber klar, gerade Musiker aus der Pop-Ecke könnten noch sehr viel mehr tun. Helene Fischer natürlich ausgenommen!
Vermisst ihr vielleicht auch Solidarität in der deutschen Musikszene?
Wie gesagt, in unserer eigenen Szene, wir kommen ja aus dem Punk/HC, gibt es eine Menge Solidarität – man gucke sich nur einmal an, wie laut die Stimme einer Band wie Feine Sahne Fischfilet gehört wird. Wir haben auch an diversen Benefizkonzerten für verschiedene antirassistische Projekte teilgenommen. Solidarität war da nicht nur ein Fremdwort, alle zogen an einem Strang und waren, so unterschiedlich die Bands musikalisch auch gewesen sein mögen, in der Sache vereint.
Braucht es mittlerweile auch Mut dazu, sich in Deutschland gegen ein gewisses Weltbild auszusprechen? Oder anders gefragt: Hat es beispielweise Helen Fischer hier schwerer als eine Band wie KMPFSPRT?
Ich denke, dass die Faschisten noch immer eine kleine Minderheit sind, auch, wenn Teile ihrer Ideologie inzwischen bis in die gesellschaftliche Mitte vorgedrungen sind. Mut, den Mund dagegen aufzumachen, braucht man also eigentlich noch nicht. Im Gegenteil: Würden alle den Mund aufmachen, die faschistischen und rassistischen Tendenzen entschlossen gegenüberstehen, wäre der Spuk schnell vorbei, und die braunen Ratten würden bald wieder in ihre Löcher zurückkriechen. Das Problem sind eben die sich als unpolitisch verstehenden Leute in der Mitte, die zu lethargisch oder was auch immer sind, um sich deutlich zu positionieren. Mag sein, dass der eine oder andere Schlagerstar auch Angst hat, bestimmte Fans zu verlieren, wenn er sich beispielsweise gegen die AfD stellt, aber das darf natürlich niemals ein Argument sein.
„Niemand ist mehr ehrlich, alle nur ironisch“ – Wie definiert ihr Ehrlichkeit und warum ist Ehrlichkeit besser als Ironie?
Zu Ehrlichkeit gehört eben Mut. Zu sagen, wofür man steht, was man gut oder schlecht findet. So macht man sich ja auch angreifbar. Ironie ist immer so einfach, so langweilig. Niemand nimmt mehr irgendwas ernst, nichts ist mehr greifbar, alles ist nur noch schwammig und egal. Da haben wir keinen Bock drauf. Wir lieben Punk und wir lieben, was wir tun. Kann sein, dass Hipster, die immer nur ironisch Dinge cool finden, das nie verstehen werden – aber die verpassen eben auch eine Menge.
Was kann man eurer Meinung nach gegen die ganzen „Münchhausens“ dieser Welt tun? Wie umgehen mit den „Blendern“ und „Brandstiftern“?
Man muss sich vor allem einen kritischen und wachen Geist bewahren, sich nicht einlullen lassen. Und vor allem niemals vergessen, dass das, was all diese Trumps der Welt machen, gottverdammt noch mal nicht normal ist. Es ist eben auch das letzte Aufflackern einer aussterbenden Generation wütender alter Männer, die um ihre Privilegien fürchten. Also: Stark bleiben, laut sein, dagegen ankämpfen. Dann ist das Ganze auch irgendwann wieder vorbei.
Wie passt man in dieser Zeit „auf sein Herz auf“?
Wichtig ist es vor allem, sich mit Menschen zu umgeben, die noch nicht so kalt und abgestumpft sind wie Teile der Gesellschaft. Außerdem hilft es immer, bei allen kontroversen Themen, den Einzelfall zu betrachten: Es handelt sich eben nie um eine „anonyme Gruppe“, sondern um Menschen. Wenn man es da schafft, ganz normal empathisch zu bleiben, hat man schon die halbe Miete. Der Rest kommt aus Bildung, Warmherzigkeit und Liebe, so hippiesk das jetzt auch klingen mag.
In „Insomnie“ sing ihr „Halt die Welt an, ich will raus“. Solche Momente kennen wohl viele – vor allem angesichts der poltischen Entwicklungen. Wie stellt man sich diesem Gefühl der Ohnmacht entgegen? Welche Rolle kann dabei Musik spielen? Oder konkreter: Welche Rolle kann KMPFSPRT dabei spielen?
Für uns spielt die Band natürlich eine wichtige Rolle, da sie uns die Möglichkeit gibt, kreativ gegen das Unwohlsein anzuschreien. Wie das für andere ist, kann ich nicht beurteilen, aber: als wir jung waren, gab es auch Bands wie Gorilla Biscuits, Propagandhi und Co., die Haltung gezeigt, und uns damit positiv beeinflusst haben. Sollte es Menschen geben, die sich in unseren Songs wiederfinden, und die in ähnlicher Art und Weise etwas davon mitnehmen, sind wir mehr als glücklich!
Das Album heißt „Gaijin“, also „Außenseiter“. Habt ihr euch als Band oder Einzelperson auf Tour oder im Alltag wegen euren politischen Ansichten mal als Außenseiter gefühlt? Monchi von Feine Sahne Fischfilet hat ja eine ganze Doku darüber gemacht.
Auf Tour weniger – da ist man ja von Gleichgesinnten, von Brüdern und Schwestern umgeben. Doch natürlich ist es im normalen Leben oft so, dass man sich als Außenseiter fühlt. Das war schon in der Schule so, mit 10 oder so, als die coolen Kids alle Michael Jackson gehört haben, und in Tanzkurse gerannt sind. Ich war damals ein kompletter Nerd, habe mich eher für Dungeons & Dragons interessiert, hatte kein Geld für Markenklamotten – und war auf einmal in der Klasse unten durch. Auf einmal wird man gemobbt und bekommt von der Gesellschaft deutlich gezeigt, was sie von Außenseitern hält. Das war damals schon ein Schock und ein sehr prägendes Erlebnis. Erst Jahre später durch Punk und die damit einhergehende Erkenntnis, dass nicht wir Außenseiter, sondern die Mainstream-Gesellschaft ein Problem hat, fühlte ich mich wieder wertvoll und als Mensch akzeptiert – in unserer Szene eben. Daher verstehe ich sehr gut, wie z.B. Monchi sich gefühlt haben muss, auch, wenn ich die Doku noch nicht gesehen habe. Ich bin aber eben immer lieber Außenseiter, immer lieber „Gaijin“, als Teil dieser inhumanen, kapitalistischen Leistungsgesellschaft zu werden. Das Leben ist einfach zu kurz und zu wertvoll für so eine Verschwendung.
Hat sich durch euren neuen Schlagzeuger Daniel Plotzki die Bandchemie eventuell verändert? Falls ja, wie?
Ja, klar, durch jeden neuen Musiker ändert sich immer ein Teil der Chemie. Daniel ist ja bereits der dritte Schlagzeuger in acht Jahren KMPFSPRT. Generell ist durch ihn alles wieder etwas entspannter geworden. Es hilft auch oft einfach ein Blick von „außen“ (auch wenn er jetzt schon eine Weile dabei ist), um sich neu zu sortieren. Er war auf jeden Fall ein absoluter Glücksgriff für uns, menschlich wie musikalisch.
Musikalisch musste ich bei „Gaijin“ fast zwangsläufig an Muff Potter denken. Hatten Nagel und Co. einen großen Einfluss auf euch?
Interessant, dass du das sagst, bisher wurde eher unser erstes Album „Jugend mutiert“ mit Muff Potter verglichen. Und ja, klar gibt es da Gemeinsamkeiten. Ohne Bands wie Muff Potter oder auch Turbostaat, die Boxhamsters oder EA80 wären wir vielleicht nie auf die Idee gekommen, auf Deutsch zu singen. Musikalisch denke ich aber, dass weniger Muff Potter selbst uns inspirieren, sondern eher die Bands, die auch Nagel und Co. gehört haben dürften: Hot Water Music, Jawbreaker, usw.
Ich wurde vor allem durch …But Alive politisch sozialisiert. Gibt es eine Band, die für dich eine ähnliche Rolle gespielt hat?
Oh ja, ……But Alive waren für mich auch wichtig! Vorher waren das, mit 15 oder so, aber auch schon Slime. Und dann eben erwähnte Gorilla Biscuits und Propagandhi. Außerdem fand ich Manliftingbanner immer sehr inspirierend, auch Nations On Fire, Unbroken und Chokehol. Das war auch einfach das Geile an der Mittneunziger-Hardcore-Generation – so viele großartige Bands mit einer starken Message!