Lenny Kravitz im Interview
Bleibt geschmeidig
Der rattenscharfe Lenny hat dieses Jahr sein mittlerweile neuntes Studioalbum „Black and White America“ veröffentlicht und kracht damit am 18. November in die Wiener Stadthalle. Im Interview erklärt der multitalentierte Rockstar, wie es sich auf den Bahamas musizieren lässt, was Design für ihn bedeutet und in welchem Film er bald zu sehen sein wird.
„Black and White America“ ist in deiner Wahlheimat Paris und auf den Bahamas entstanden. Was war das Besondere an den Inselaufnahmen im Nordatlantik?
Die Familie meiner Mutter ist hier zuhause und so bin ich größtenteils auf den Bahamas aufgewachsen. Ich bewege mich hier wie ein Einheimischer – jenseits von all dem Starrummel und den Schattenseiten des Showgeschäfts. Mir reicht mein Wohnwagen am Strand und gutes Essen aus dem Meer, um glücklich zu sein.
Außerdem hast du dir ein Tonstudio auf den Bahamas bauen lassen.
Damit habe ich mir vor zwei Jahren einen persönlichen Traum erfüllt. Mein neuer Musikmittelpunkt ähnelt einem kalifornischen Studio aus den siebziger Jahren, was die Inneneinrichtung und Technik betrifft – viel Holz, Glas, Kork und Stein, plus eine großartige Sammlung an altmodischen Instrumenten, Aufnahmegeräten und Verstärkern. Hinzu kommt der wunderbare Klang in meinem Studio, der mir das Musizieren versüßt und erleichtert.
Welche Bedeutung hat Paris dann überhaupt noch für dich?
Hier finde ich den perfekten Gegenpart zum entschleunigten Leben in der Natur. Wenn ich mich wie ein Kosmopolit fühlen will – was hin und wieder einfach sein muss – gehe ich zu Kunstausstellungen, ins Museum oder zum Ballett. An Paris schätze ich die Feinschmeckerküche, trinke hervorragenden Wein und bewohne ein schickes Stadthaus. Diese Metropole und all ihre Facetten verleihen meinem Sound eine elektrisierende, urbane Note, die ich auf den Bahamas so nicht einfangen kann.
Was präsentiert Lenny Kravitz auf „Black and White America“?
Das Album reflektiert wer ich bin – mein bisheriges Leben, meine Kindheit, was ich gesehen habe und der Kampf meiner Eltern, die Anfang der Sechziger eine Beziehung eingegangen sind. Damals ein absolutes Tabuthema, denn mein Vater (Anm. d. Red: Sy Kravitz) war weiß, meine Mutter (Anm. d. Red.: Roxie Roker) afroamerikanischer Abstammung.
Im Titelsong setzt du dich intensiv mit Rassendiskriminierungen in den USA auseinander – wie aktuell ist dieses Thema heute?
Für mich sind alle Menschen gleich, egal welche Hautfarbe. Ich weiß, dass nicht jeder so denkt bzw. so weit denken kann. Aber wir sind auf einem guten Weg dahin. Was mich jedoch schockiert und zu diesem Song bewegt hat, war eine Dokumentation kürzlich im Fernsehen. Es ging um eine Gruppe von Amerikanern, die hasserfülltes Gedankengut verbreiten, offen über eine geplante Liquidierung von Präsident Obama faseln und nicht akzeptieren, wohin sich dieses Land entwickelt hat. Fanatischer Schwachsinn. Die einzelnen Strophen von „Black and White America“ widme ich meinen Vorbildern in Sachen Toleranz, sozialer Gerechtigkeit und uneingeschränkter Liebe – Marin Luther King und meinen Eltern.
Neben der inspirierenden Fernsehdokumentation: Wie sind die restlichen Albumsongs entstanden?
Das hört sich jetzt vielleicht merkwürdig und aufgesetzt an, aber die Songs kommen einfach von alleine. Ich bin wie in Ekstase, wenn ich im Studio arbeite. Alles wird von mir eingespielt, darum springe ich von Instrument zu Instrument und versuche dabei den Workflow aufrecht zu erhalten. Oft kann ich ein paar Tage später nicht mehr erklären, wie ein Song entstanden ist. Prinzipiell folge ich meinem kreativen Geist.
Auf welchen Moment in deiner Karriere bist du besonders stolz?
Die Auszeichnung an sich hat nichts zu bedeuten, aber als ich 1993 den MTV Video Music Award gewonnen habe, war meine Mutter noch am Leben und bei der Verleihung mit dabei. Ich werde nie vergessen, wie sehr sie sich für mich gefreut hat.
Du feierst auch Erfolge neben der Musik. Was hat es mit „Kravitz Design“ auf sich?
Meine Firma ist auf Raumgestaltung, Möbel und Lichtplanung spezialisiert. Aktuell arbeiten wir an Projekten in Miami, wo wir den Wolkenkratzer „Paramount Bay“ einrichten und die Präsidentensuite des Ritz Hotels gestalten. Ich liebe Design mindestens genauso wie Musik.
Damit nicht genug, Lenny Kravitz ist auch Schauspieler. Nach deinem Gastspiel als Pfleger John im Drama „Precious“ – in welcher Rolle kann man dich als nächstes sehen?
Der Regisseur und Drehbuchautor Gary Ross hat während meiner Albumproduktion auf den Bahamas angerufen und mich gefragt, ob ich in seinem Film „Hunger Games“ mitspielen möchte. Er hat mich in „Precious“ gesehen und war begeistert. Natürlich kann ich so ein Angebot nicht ablehnen, auch wenn ich den Rest des Jahres durchgehend auf Tour bin. Aber irgendwie geht sich das schon aus.
Was uns zur letzten Frage führt: Am 18. November spielst du in der Wiener Stadthalle – verspürt das Multitalent Lenny Kravitz noch so etwas wie Nervosität bzw. Lampenfieber?
Nein. Vielleicht bin ich ein wenig unruhig vor meinem Auftritt, aber nicht nervös. Ich habe mir den Weg ins Rampenlicht selbst ausgesucht und stehe auf der Bühne meinen Mann. Das Geheimrezept dafür: Alles nicht so ernst nehmen und immer entspannt bleiben.
Bei VOLUME sehen wir das genauso – bis bald in Wien!