Di, 19. Sep 2017

Keine Angst vor Erwartungen

Beatsteaks im Interview

Wie schreibt man nach mehr als 20 Jahren Bandgeschichte noch eine Platte, die das komplette Beatsteaks-Universum in 21 Songs vereint und weder den Freigeist der eigenen Jugend noch die gelassene Scheiß-Drauf-Attitüde des Alters vermissen lässt? Die Antwort lautet Mixtape, Baby! Denn Herz plus Blitz ergibt immer noch BS!

‚Yours‘ beinhaltet das komplette Beatsteaks-Universum. Wenn Beatsteaks ein Planet wäre, wie würde der aussehen?

Torsten: Am Planeten Beatsteaks würden alle Tiere leben, die man sich vorstellen kann. Außerdem alle Menschen – egal, wie sie aussehen; egal, wen sie lieben; egal, woran sie glauben. Es wird sich auf unserem Planeten auch relativ selten auf die Fresse gehauen. Krieg und Waffen gibt es gar nicht. Spielzeugwaffen für Kinder wie Spritzpistolen oder Soft Guns sind erlaubt, aber die darf man nicht mehr verwenden, sobald man 18 Jahre alt ist.
Arnim:
Und es gibt eine Menge freie Liebe.

Klingt gut! Während der Trend eher in Richtung EPs geht, veröffentlicht ihr nun eine Platte mit 21 Songs. Das sind ganz schön viele Nummern! Darf man ‚Yours‘ als Gegenentwurf zur Branchenentwicklung verstehen?

A.: Ja, aber nicht bewusst. Wir haben das nicht gemacht, um dem Trend etwas entgegenzusetzen, sondern wir waren eher mit der Frage beschäftigt, wie kriegen wir nach 20 Jahren ein Album hin, das sich für uns frisch anfühlt, Spaß macht, neu und mutig ist. Ich merke schon, dass das, was wir da raushauen, ungewöhnlich ist, aber das freut uns. Wir heben uns ja gerne ab.

Stimmt, denn im Laufe eurer Karriere wart ihr immer schon offen für Experimente. Vor allem in den letzten Jahren sind die Ausflüge in unterschiedliche Genres deutlich mehr geworden. Scheißt man sich im Alter einfach weniger?

A.: Auf jeden Fall! Perfekt ausgedrückt! (lacht) Das Schlimmste ist ja immer diese Angst, bevor man überhaupt anfängt. Doch wichtig ist einfach, dass man macht! Je älter ich werde, desto mehr fühle ich mich wie ein Kind. Wir können wieder so sein, wie wir mit 25 waren, aber wir müssen nicht mehr so tun. Wir können uns einfach frei fühlen. Das ist der große Luxus unseres Berufs und ich glaube auch, dass die Leute das von uns erwarten. Wir sind Freigeister. Wir müssen einfach ein paar Experimente machen. Dazu muss man zwar selber über ein paar Schatten springen, vor denen man vielleicht Angst hat, aber dann geht alles gut!
T.:
Dieses Gefühl des Freiseins hat auch damit zu tun, dass wir früher ein bisschen mehr Scheuklappen aufhatten. Ein Song, wie der mit Deichkind, wäre früher gar nicht möglich gewesen. Jetzt sind wir einfach so offen und können so frei sein, wie wir schon immer sein wollten. Wir stehen uns nicht mehr selber im Weg.

Die Angst vor Erwartungshaltungen von außen spielt nach 20 Jahren im Business keine Rolle mehr?

A.: Sozusagen, denn eigentlich ist doch nur wichtig, die Ideen und den kreativen Moment einfach auszuleben. Dass man sein Ding macht, weil es Spaß macht. So wie früher als man im Proberaum stand und nur darauf geachtet hat, dass es voll Bock macht. (lacht) Die Platte fühlt sich vom Spirit her total wie unser Debütalbum an. Wir können zwar besser musizieren und uns besser ausdrücken, aber wenn ich das erste Album hernehme, dann ist ‚Yours‘ da ziemlich nahe dran. Da ist wieder diese Band, die einfach alles macht – oder versucht alles zu machen und dabei manchmal auch herrlich scheitert. Ist doch super! Ich finde Bands geil, die scheitern. Depeche Mode und die Beastie Boys haben neben vielem geilen Zeug auch echt Quatsch gemacht. Da hängt die Latte!

Aus diesem Spirit ist ein Mixtape entstanden, dass 2017 seinesgleichen sucht…

A.: Wir haben wie die Blöden an einzelnen Songs gearbeitet – mal in dem Studio, mal in einem anderen, haben diese und jene Nummer noch mal neu aufgenommen. Das heißt, wir haben das große Ganze wirklich erst sehr spät betrachtet. Den Ablauf des Mixtapes, der natürlich das Wichtigste ist, haben wir uns erst überlegt, als wir fertig waren. Es war ein Riesenspaß die Reihenfolge festzulegen, weil es sich vor unseren Augen plötzlich zusammengesetzt hat. Nach nur drei Stunden war unser Mixtape fertig! Die Leute erstellen sich sowieso ihre eigenen Playlisten, aber wenn sie es von den Beatsteaks höchstpersönlich haben wollen, dann kriegen sie es genau so – mit Bussi und Herz.

Was war auf euren Mixtapes früher drauf?

T.: Alles außer Rechtsrock – querbeet!
A.:
Ich habe mit einem Mixtape ins Schwarze getroffen. Meine Frau kommt aus Schottland und ist nach Haus gefahren. Für die Reise habe ich ihr ein Mixtape zusammengestellt. Der Opener war ‚Here comes your Man‘ von den Pixies. Das war ein Treffer!

Alles richtig gemacht! Ein ordentliches Mixtape braucht einen starken Opener.

A.: Natürlich, man muss unbedingt mit einem Killer-Song starten! Sie hat damals auch gesagt: ‚You got me there!‘ (lacht)

Apropos Liebe…ihr seid grundsätzlich sehr tierliebe Menschen, aber das Yak scheint es euch besonders angetan zu haben.

T.: Zwangsläufig! Wir haben es am Cover und alles, was promotechnisch möglich ist, wird jetzt aus dem Yak rausgequetscht. (lacht) Wir sind aber sehr dankbar für das Yak und haben in den letzten Wochen viele lustige Facts über dieses Tier gelernt.

Es wird ja auch Grunzochse genannt…

T.: Genau, aber es gibt ja zwei Arten: Das domestizierte Yak wird Grunzochse genannt, das frei lebende nicht. Das frei lebende Yak schreit und grunzt nicht – logisch, denn wer in Freiheit lebt, muss ja nicht rumschreien. (lacht)

Im Himalaya wird es auch als Träger- und Lastentier verwendet. Was trägt das Yak symbolisch für euch?

A.: Grundsätzlich sieht das Tier für mich einfach nur super aus! Ich wusste vorher nicht, dass es Yak heißt, aber ich fand es einfach geil, dass dieser Gaul geschmückt wird und dann noch mal auf den Berg hinauf muss. Damit kann ich etwas anfangen. (lacht)
T.:
Damit kann man sich identifizieren – also nicht mit dem Lastentier an sich, aber mit der Idee: Das Yak ist vielleicht nicht mehr das allerjüngste, aber ein gestandenes Tier, das noch mal so richtig zurechtgemacht wird. Dann geht es noch mal los und zeigt den jungen Bullen, wo die Harke hängt.

Das macht ihr sozusagen auch, wenn ihr auf die Bühne geht?

A.: Das haben wir vor! (lacht)

Wir sind ganz YOURS, wenn ihr wieder hübsch geschmückt auf der Bühne steht!