Immer noch jung
Killerpilze im Interview
Sie sind immer noch jung und sie sind wieder da! Während Ersteres definitiv der Wahrheit entspricht, entpuppt sich Letzteres als verbreiteter Irrglaube und viel zitierter Satz, der jedes Mal hervorgeholt wird, wenn Jo, Mäx und Fabi mal wieder ein neues Projekt in der Pipeline haben. Doch Fakt ist: Die Killerpilze waren nie weg, haben in den letzten 15 Jahren ihre ganze Energie kompromisslos in ihre Band gesteckt und sich beinahe im Alleingang wieder auf die großen Bühnen zurückgespielt. Den Aufstieg, Fall und die Wiederauferstehung der jüngsten Teenie-Band Deutschlands haben die Drei nun in 107 Filmminuten gepackt und gewähren damit einen schonungslosen Blick hinter die Kulissen der Musiklandschaft der Nullerjahre. Wir haben vorab mit Frontmann Jo zurückgeblickt.
Wieso war es euch ein Bedürfnis, diesen Film zu machen?
Nachdem unser Album 2016 rauskam, ist uns aufgefallen, dass wir in diesem Jahr unseren 15. Bandgeburtstag feiern. Da klar war, dass wir nicht gleich ein weiteres Album nachlegen werden, haben wir uns überlegt, was man ansonsten Schönes für dieses Jubiläum machen könnte. Es ist ein besonderer Geburtstag – 15 Jahre sind eine lang Zeit und schließlich sind wir ja noch nicht die Ältesten. Wir haben sehr viel Material aus dieser Zeit und wollten einfach mal versuchen, daraus einen Film zu machen. Ein neues Projekt, das viel Spaß gemacht hat, mit vielen Vorurteilen und Geschichten über uns aufräumt und den Leuten zeigt, wie es denn ist, bei den Killerpilzen zu spielen. Der Film gibt einen sehr schönen und vor allem ehrlichen Einblick in die Musikindustrie, in der wir in den letzten 15 Jahren extrem viele und vor allem vielseitige Erfahrungen sammeln konnten. Es war uns einfach ein Bedürfnis, diese mit den Leuten zu teilen.
‚Die Killerpilze – die jüngste Teenie-Band Deutschlands.‘ – wie viel Fluch und wie viel Segen steckt für dich persönlich in dieser Aussage?
Mittlerweile sind wir natürlich nicht mehr die Jüngsten, aber wir haben auf jeden Fall damals als jüngste Rock-Band angefangen und es damit auch extrem schnell auf die Titelseiten geschafft. Das war eine unfassbare Zeit, in der wir viel erlebt haben und die für uns auch sehr besonders war. Es gab damals keine Band, die aus dem Metier quasi über Nacht so schnell in die breite Öffentlichkeit gelangt ist. Wir haben als Schülerband angefangen und waren auf einmal auf den großen Bühnen dieser Welt unterwegs. Das ist natürlich eine Sache, die sich auch bei den Leuten im Gedächtnis eingebrannt hat – positiv wie negativ. Trotzdem hatten wir in den Folgejahren immer wieder Probleme mit diesem Image. Das habe ich persönlich nie ganz verstanden, weil wir eigentlich immer gute Musik gemacht haben und immer ehrlich Typen waren. Es war ein langer Weg, aber wir sind sehr froh, dass sich das mittlerweile auch geändert hat. Unser letztes Album war seit langer Zeit wieder in den Charts. Wir haben gemerkt, wir sind sozusagen über diesen Berg. Die Vorurteile, die es lange Zeit gab, waren vielleicht auch berechtigt – wir waren verdammt jung und wenn man das scheiße finden will, dann findet man dafür sicher auch Gründe. Doch dadurch, dass wir immer ehrlich und authentisch weiter Musik gemacht haben und auch live gezeigt haben, dass wir mehr als eine Eintagsfliege sind, haben wir es überhaupt in unser 15. Bandjahr geschafft.
Ihr wart eigentlich nie weg. Dennoch liest man ständig ’sie sind wieder da‘ oder ‚es gibt sie immer noch‘ …
Wir haben immer Platten veröffentlich, aber die Medien sind halt die Medien. Die brauchen natürlich auch einen Aufhänger. Mir soll das Recht sein! Solang Leute auf uns aufmerksam werden, unsere Musik hören, unsere Konzerte besuchen, dürfen die Medien schreiben, was sie wollen. Aber klar, Fakt ist: Wir waren immer da!
Wenn du in der Zeit zurückreisen könntest, sagen wir ins Jahr 2006 oder 2007, was würdest du dem Jo von damals gerne sagen?
Das ist eine schöne, aber schwierige Frage, über die ich im Zuge des Films auch reflektiert habe. Ich glaube, ich habe es als Jo von damals schon richtiggemacht. Ich habe versucht, alles mitzunehmen und bei all dem Stress jeden Moment möglichst zu genießen. Wir waren auch nicht naiv – das denken alle immer nur. Wir wussten ganz genau, was wir wollen, worauf wir uns einlassen und wir hatten damals auch einen sehr guten Plattenvertrag. Lediglich unsere Vorstellung, wie lange man eine Karriere aufbaut, war eine andere als die der Plattenfirma. Da kam es dann irgendwann zur Trennung, wo wir natürlich kurzzeitig geschockt waren. Wir haben über 100.000 Platten verkauft und ausverkaufte Konzerte in ganz Europa gespielt. Wenn dir dann jemand sagt, ihr könntet jetzt gerade den besten Song der Welt schreiben, es würde keine Sau interessieren, dann das ist das natürlich erst mal harter Tobak. Ich habe trotzdem nie das Gefühl gehabt, wir hätten bestimmte Sachen anderes machen sollen. Aber vielleicht hätte ich früher ein paar mehr Drogen ausprobiert sollen.
Da gibt es Schlimmeres, was man bereuen könnte. Doch wie hat sich dein Blick auf die Branche in den letzten 15 Jahren verändert?
Mein Blick hat sich auf jeden Fall verändert. Vor allem, weil sich die Branche an sich verändert hat. Es ist nur mehr in den wenigsten Fällen dieses High Life Musikbusiness, das wir vor 10 Jahren auch noch miterlebt haben. Stichworte: Branchenpartys, Fernsehformate, CD-Verkäufe. Es hat sich unglaublich viel verändert – nicht zwingend in eine schlechte Richtung. Doch die Musikbranche ist ein Haifischbecken – vor allem in Deutschland, auch was die Medien betrifft, mit unglaublich vielen ignoranten Menschen, die nur jene Themen supporten, die ihnen gerade reinpassen, sich aber wenig mit neuen Sachen auseinandersetzen wollen. Das ist immer sehr schade, weil wir als Killerpilze auch oft an verschlossene Türen geklopft haben – was teilweise überhaupt nicht gerechtfertigt war. Wenn wir diese Menschen aber als Band persönlich getroffen haben, mussten viele zugeben, dass wir ja eigentlich korrekte Typen sind und die nur ein Bild von uns im Kopf hatten, das nicht der Wahrheit entspricht. Man muss sich schon bewusst sein, auf was man sich in der Musikbranche einlässt. Das Business kann unerbittlich sein. Nichtsdestotrotz bin ich nach wie vor jeden Tag glücklich, Musik machen zu können. Ich bin sehr dankbar für unsere Fans, die uns all die Jahre unterstützt haben und die an das Projekt Killerpilze genauso glauben wie wir. Ich bin gespannt, was die Leute zu unserem Film sagen. Es ist nämlich kein Film, in dem wir uns 107 Minuten abfeiern, sondern auch ehrlich über unsere Zweifel und unsere schweren Momente sprechen. Es ist eine Dokumentation geworden, die jeder, der in irgendeiner Form mit Musik zu tun hat, sehen sollte.
Vor allem eure Fans wissen vermutlich gar nicht so genau, was da im Hintergrund eigentlich alles abgeht …
Genau, das war auch die Reaktion nach der Premiere. Viele Fans haben gemeint, sie haben jetzt einen ganz neuen Blick auf uns als Band. Aber auch enge Freunde haben überhaupt keine Vorstellung davon gehabt, wie viel wir tagtäglich für unsere Karriere arbeiten – dass wir nicht nur Konzerte spielen und uns sonst am Arsch lecken lassen, ganz im Gegenteil. Die haben durch den Film erstmals kapiert, was wir alles in unseren Traum hineinbuttern. Das ist schön zu sehen, wenn sich durch den Film, der Blick von außen verändert.
‚Ihr brennt lieber durch als langsam aus‘ … wenn man das ‚Durchbrennen‘ auf euren Alleingang mit eigenem Label bezieht, wie schwer war das eigentlich für euch?
Es ist unglaublich schwer gewesen, sich umzustellen: Von einem riesigen Team bei Universal auf die wesentlichen Leute – also wir drei, unser Management und ein paar Promoter. Es war ein sehr schwieriger Lernprozess, das wieder neu anzugehen. Wir kannten vieles aus der Major-Zeit gar nicht. Damals waren wir hauptsächlich Künstler, haben Konzerte gespielt und Interviews gegeben. Für das eigene Label mussten wir uns plötzlich selbst ganze Promotionstrategien überlegen, BWL lernen, Video selber drehen und vieles mehr. Wir haben uns jeder über die Jahre bestimmte Kompetenzen angeeignet. Das ist der Grund, warum dieses Projekt Killerpilze überhaupt noch da sein kann. Jeder von bringt seinen Teil ein. Natürlich ist es schön, dass das Team über die Jahre wieder gewachsen ist, aber letztendlich ist es trotzdem immer viel Arbeit. Manchmal ist es auch ein Kampf, um Projekt voranzutreiben. Wir können auch nur das bewegen, was fünf, sechs, sieben Menschen, die mehr als 100% geben, bewegen können. Es ist nicht immer einfach, aber unser Film soll auch jungen Künstlern Mut machen. Wenn man Musik machen und auf den großen Bühnen stehen möchte, dann muss man ohne Major-Label im Jahr 2017 auch genau diesen Weg gehen. Ich hoffe, dass sich ganz viele junge Musiker, den Film anschauen und vielleicht auch als Paradebeispiel für sich sehen.
Hand aufs Herz, wie „schlimm“ war das Bravo-Cover damals für euch?
Es war nicht schlimm, denn wir wussten auch da ganz genau, worauf wir uns einlassen. Wir wussten, wenn wir in der Bravo stattfinden, dann erreichen wir viele Leute. Wir hatten aber auch eine genaue Vorstellung davon, zu welchen Bedingungen das passieren muss. Bravo-Artikel an sich waren für uns cool, aber wir wollten eigentlich nicht aufs Cover, weil wir Angst hatten, dass uns die Leute daraufhin vielleicht stigmatisieren – so wie es ja dann letztendlich auch passiert ist. Wir haben uns vehement dagegen gewehrt, aber letztendlich sind wir trotzdem dort gelandet – doch jeder von uns mit Mittelfinger. Da war unsere Art zu zeigen: Hey, wir sind in diesem Zirkus drinnen, aber wir wissen auch genau, wo die Grenze verläuft. Wir haben immer versucht, in Interviews auch Themen anzusprechen, die uns wichtig sind. Aber Medien wie die Bravo machen dann halt aus einen Anti-Rassismus-Interview einen Artikel mit der Überschrift „Die Killerpilze im Liebesrausch“ oder ähnlichem. Diesbezüglich haben wir auf jeden Fall dazugelernt. Wir haben das mitgenommen und ich würde jetzt auch nicht nachtreten. Wir sind eine der wenigen Bands, die zwei Mal am Bravo-Cover gelandet ist. Das macht mich mittlerweile auch stolz, denn es gibt nicht so viele, die das von sich behaupten können. Es ist einfach ein Kapitel unserer Bandgeschichte.
Und wo sind die Killerpilze in 15 Jahren?
Das kann ich nicht so genau sagen, denn ich hätte vor 15 Jahren auch nicht gedacht, dass ich einmal ein Interview zum 15. Geburtstag der Killerpilze gebe. Wir haben jetzt ein super spannendes halbes Jahr vor uns – da passiert noch unglaublich viel. Das werden wir genießen, brauchen danach aber sicher erst mal eine kleine Pause. Wir werden unsere Akkus ein bisschen aufladen, uns neu justieren und dann einfach wieder anfangen, Musik zu schreiben. Wir lassen es einfach auf uns zukommen. In 15 Jahren sehe ich uns aber auf jeden Fall auf der Bühne – als Headliner am FM4 Frequency.
Wir freuen uns drauf!