Fr, 10. Apr 2015

How to survive as a Rockband

Itchy Poopzkid im Interview

Itchy Poopzkid zählen zu den umtriebigsten Punk-Rock-Bands Deutschlands. Seit dem 10. April ist ihr neues Album ‚SIX‘ auf den Markt. Außerdem hat das dynamische Trio aus Eislingen an der Fils ein Buch geschrieben. Ja, richtig gehört bzw. gelesen – ein Buch, und zwar über den ganz normalen Wahnsinn einer Band. Wie ihr neuestes Werk klingt, wieso Sarkasmus meistens das beste Mittel ist und welche Tipps sie Newcomern mit auf den Weg geben, erzählen Sibbi, Panzer und Max vor ihrer restlos ausverkauften Clubtour im Interview.

Euer mittlerweile sechstes Album ‚SIX‘ ist gerade erschinen. Wie geht es euch vor so einem Veröffentlichungstermin?

Sibbi: Dieses Mal waren wir alles sehr aufgeregt und sehr nervös! Ich glaube, die ersten Songs für das Album haben wir vor fast eineinhalb Jahren geschrieben. Man ist natürlich sehr gespannt, wie’s die Leute annehmen. Ob’s denen gefällt. Ob’s denen genauso gut gefällt wie uns.
Panzer: Was gut wäre. (lacht)
Sibbi:
Genau. Wenn sie es nur halb so gut finden wie wir selbst, dann ist alles toll! Wir können es auch kaum erwarten, endlich wieder auf Tour zu gehen. Wir hatten echt eine lange Konzertpause. Wir sind sehr freudig erregt! (lacht)

Was können die Fans von eurem neuesten Werk erwarten?

Panzer: Herzlich wenig! (lacht)
Sibbi: Herzlich wenig und schlechte Musik! Nein, wir haben über 50 Songs geschrieben, 13 Nummern sind jetzt auf dem Album. Es ist eine härtere Platte, aber wir finden, dass sie sehr stimmig ist. Man kann sie wirklich von Anfang bis Ende durchhören, ohne Songs zu überspringen – das wurde uns auch schon gesagt und das ist das größte Kompliment. Wir haben wieder sehr unterschiedliche Songs geschrieben, auch in unterschiedlichen Stilrichtungen. Aber wir haben es geschafft, dass alle durch einen Sound getragen werden. Es ist ein sehr rundes, stimmiges Album – und auf Konzerten tanzbar.

Wenn ihr so viele Songs für ein Album schreibt, wie einigt ihr euch dann auf 13 Nummern?

Sibbi: Lose ziehen!
Max: Prügel! Deswegen sind alle meine Favoriten drauf. (lacht)
Sibbi: Ja, er ist der Stärkste!
Max: Nein, man fängt halt einfach mal an, Songs zu schreiben – ohne Limitierung. Wenn man den Produzenten hinzuzieht, dann redet man auch noch viel drüber und es ergibt sich irgendwann eine Linie. Es wird aber schon noch sehr viel diskutiert. Klar, jeder hat Songs geschrieben, von denen er denkt: ‚Das ist das Beste, was ich jemals gemacht hab!‘
Panzer: Wieso versteht ihr das nicht?!! (lacht)
Max: Ja, und wenn die anderen dann Nein sagen, kann das schon auch mal wehtun – aber so ist das halt.

Ihr habt diesmal mit einem neuen Produzenten zusammengearbeitet. Hat das den Sound des Albums beeinflusst?

Panzer: Für uns war’s etwas Besonderes, weil wir die letzten fünf Alben mit ein und demselben Produzenten aufgenommen haben. Mit dem waren wir schon so eng befreundet, dass man schon immer wusste, was der andere gut findet und in welche Richtung es sich entwickelt. Da wollten wir bewusst raus und was Neues ausprobieren – nach 13 gemeinsamen Aufnahmejahren. Wir haben uns vorab auch mit vielen unterschiedlichen Produzenten getroffen und unterhalten. Schlussendlich sind wir bei Flo Novak in Berlin gelandet. Es war sehr interessant.
Sibbi: Wir klingen jetzt so, wie wir schon immer klingen wollten. Wir sind total zufrieden. Der Sound passt super zu uns als Band.

Einen kleinen Vorgeschmack aufs Album liefert ‚Dancing in the Sun‘. Worum geht’s in dem Song?

Panzer: Musikalisch ist der Song eher ein Ausreißer, weil die Nummer sehr poppig ist. Textlich geht’s darum, dass alles ganz wunderbar ist auf unserer Welt. Es gibt keine Probleme und keine Sorgen. Das ist so überspitzt dargestellt, dass man als intelligenter Hörer schon raushören kann, dass das vielleicht nicht ganz so ernst gemeint ist.
Max: So ab IQ 90. Oder wie machen wir das fest?
Panzer: 95 aufwärts. (lacht) Ab da könnte man checken, dass da Ironie mitschwingt. Es sollte schon so ein kleiner Schlag in die Magengrube sein.
Max:  Wir wollen aber nicht oberlehrerhaft daherkommen. Uns geht es nicht darum, zu sagen: ‚Du bist schlecht! Und Fleischessen ist schlecht! Jeder ist schlecht!‘, sondern wir wollen einfach nur ein bisschen zum Nachdenken anregen.  Das Video dazu haben wir wieder mit Urs Mader und Simon Wahlers gemacht. Die sind wirklich super! Wir sind sehr zufrieden damit, was aus ‚Dancing in the Sun‘ zusammen mit dem Video geworden ist.

Glaubt ihr, Sarkasmus und Ironie sind in diesem Zusammenhang die besseren Mittel?

Sibbi: Auf jeden Fall! Plump zu sagen: ‚Das und das und das ist schlecht! Macht es so und so!‘ – das ist zu einfach. Man hört oder sieht dieses Oberlehrerhafte auch viel zu oft. Ich glaube, deswegen stumpft man vielleicht auch ab und nimmt viele Dinge gar nicht so wahr. Das mal auf eine andere Weise darzustellen ist der bessere Weg, um einen Zugang zu finden.

Ihr singt nach wie vor auf Englisch. Würde es für euch nicht in Frage kommen auf Deutsch zu singen?

Max: Seit den Donots wird man das immer wieder gefragt. (lacht)
Sibbi:
Es gibt da jetzt so einen Hype, deswegen kommt diese Frage oft. Wir haben uns da noch nie so wirklich Gedanken darüber gemacht. Wir haben nicht das Bedürfnis, etwas anders zu machen, weil wir zufrieden sind mit dem, was wir machen und wie wir es machen. Wir haben noch viel auf Englisch zu sagen und im Moment wollen wir das nicht ändern – vielleicht machen wir es irgendwann einmal.

Kommen wir zu eurem Buch ‚How to survive as a Rock Band‘. Wie darf man sich den Entstehungsprozess vorstellen? Ihr sitzt alle zusammen und schreibt?

Sibbi: Ja, an einer Schreibmaschine. Jeder tippt einen Buchstaben und am Ende gibt’s das Buch. (lacht) Nein, eigentlich hat alles bei unserem ersten Konzert 2001 angefangen. Wir haben angefangen Konzertberichte zu schreiben – das haben wir bis jetzt bei jedem unserer 800 Konzerte gemacht. Wir haben in den 14 Jahren als Band echt schon viel erlebt, aber wir sind immer noch da und uns geht’s gut. Deswegen haben wir uns gedacht, wir bringen einen Ratgeber für junge Bands heraus: ‚Wie überleb ich im RockZirkus?‘. Er ist gespickt mit unseren Erlebnissen, weil wir zu jedem Bereich im Musikgeschäft und im Bandleben irgendwas zu sagen haben. So ist ein sehr amüsantes und interessantes Buch entstanden. Wir können es selbst kaum glauben – wir haben ein Buch!! (lacht)
Max: Ein Buch!! Ja, Ratgeber ist so der Überbegriff. Man soll sich das jetzt nicht so vorstellen: ‚In dieser Situation, mach das! Und da, mach das!‘ Wir geben die Ratschläge auf unsere Art.

Neben Träume, geht es unter anderem auch um ‚Albträume, die wahr werden‘? Was wäre ein Beispiel für so einen Albtraum?

Sibbi: Wieviel Zeit hast du? (lacht)
Panzer: Es gab schon sehr viele Pannen. Das Kapitel ‚Pannen, Unfälle oder einfach nur Dummheit‘ ist auch das Längste.
Sibbi: Von banalen Sachen, die anderen Bands nicht so oft passieren wie uns … zum Beispiel, dass irgendein technisches Gerät auf der Bühne vor 10 000 Leuten kaputt geht. Bis hin zu Situationen, in denen unser Gehirn vor 10 000 Leuten ausgeht und wir nicht mehr wissen, welches Lied jetzt gerade dran ist. Oder geplatzte Reifen, Diskussionen mit Plattenfirmen, Proberaumrausschmisse – alles!

Was wäre euer wichtigster Tipp für eine junge Band?

Sibbi: Lernt was Anständiges! (lacht) Werdet Maurer oder so. Nein, einfach nicht unterkriegen lassen! Wenn man zusammenhält und einen Traum hat, dann muss man unbedingt dran bleiben. Es gibt viele Rückschläge und am Anfang spielt man halt Shows vor 10 Leuten. Das ist ganz normal. Da darf man sich nicht entmutigen lassen.
Max:
Und nicht scheiße sein!

Eure Club-Disaster-Tour ist ja bereits restlos ausverkauft. Und ihr tourt ja generell sehr viel und gern. Wie schafft man es sich immer noch so gut zu verstehen, wenn man so viel Zeit miteinander verbringt?

Max: Bier hilft. (lacht) Aber wir sind Freunde und auch unsere Crew besteht eigentlich komplett aus Freunden. Live spielen ist sowieso das, was wir alle am liebsten machen. Es ist schon okay.
Sibbi: Es ist schon okay?! (lacht)
Max: Wir kennen uns halt so gut, dass man weiß: In der Situation nervt der mich, mit dem was er macht, deshalb gehe ich ihm aus dem Weg.
Sibbi:
Oder man weiß: Wenn ich jetzt das mache, dann nervt ihn das. Dann macht man’s erst recht! (lacht) Aber so übertrieben, dass der andere gar nicht mehr sauer sein kann.
Max: Und der letzte Ausweg: Minibar! (lacht)

Die österreichischen Fans müssen sich ja noch bis zur großen Tour im November gedulden. Vielleicht ein paar letzte Worte, um ihnen das Warten zu versüßen?

Sibbi: Album kaufen, Texte auswendig lernen, das Buch lesen – das braucht ihr nicht auswendig lernen. Album gut finden, allen Leuten davon erzählen, dass im Herbst in Österreich die Hölle herein bricht – auf positive Art und Weise.
Panzer: Und wir kommen auch. (lacht)