Haase Woar
Voodoo Jürgens im Interview
Wie haben wir in unserer letzten Printausgabe passend festgestellt: ‚Voodoo Jürgens ist wie die Stadt, in der er lebt. Perfid, morbid, hat Schmäh, ist launisch, intensiv und kann Geschichten erzählen wie einst Moser oder Qualtinger.‘ Mit seinem Debütalbum ‚Ansa Woar‘ ist der gebürtige Tullner auf Platz eins der Ö3-Album-Charts eingestiegen, die Musikpresse sieht bzw. hört im Wahlwiener den Austropopper der Stunde. Was er selbst von dem ganzen Wirbel um seine Künstlerfigur Voodoo Jürgens hält? VOLUME hat beim erfolgreichen Liedermacher nachgefragt.
Voodoo Jürgens toppt mit seinem Debütalbum ‚Ansa Woar‘ die Ö3-Album-Charts. Wer hätte das gedacht?
Witzig, oder? Als die ersten Aufnahmen als Voodoo Jürgens im Kasten waren und ichsie anschließend Freunden bzw. Bekannten vorgespielt habe, sind die Reaktionen alle sehr ähnlich ausgefallen: ‚Cooler Sound, aber das wird nie groß werden!‘ Das Gegenteil ist jetzt der Fall. Da darf man auch mal schmunzeln zwischendurch!
Allerdings! In welchem Tschecherl hast du deinen Charterfolg begossen?
Als ich von der Spitzenplatzierung erfahren habe, war ich gerade mit Wanda, Nino aus Wien, Fuzzman und Co auf der Bussi Kreuzfahrt – irgendwo im Mittelmeer. Zur Feier des
Tages gab’s für jeden meiner Freunde eine fette Davidoff in der Zigarrenlounge.
Zurück in Wien ist Voodoo Jürgens allgegenwärtig. Nimmt dir der Erfolg jetzt die Grundlage für deine Milieustudien, verpackt in Wiener Lieder?
Nur weil ich ein paar Platten verkauft habe, werde ich jetzt nicht zum Mister Schickimicki. Es gibt noch sehr viel aus der Zeit zu erzählen, wo der Erfolg noch in weiter Ferne lag und das Geld am Ende des Monats mehr als knapp war. Außerdem, ganz ehrlich: Ob arm oder reich, die wahren Dramen der Menschheit spielen sich in jeder Gesellschaftsschicht ab, vollkommen unabhängig vom Kontostand.
Angeblich bist du der ‚Austro-Pop-Hype‘ der Stunde. Wer ist für dich der größte Austropopper aller Zeiten?
Kein Schmäh, ich habe früher nur sehr wenig Austropop gehört. Aber Sigi Maron und Georg Danzer gehören meiner Meinung nach zu den ganz Großen ihrer Zunft. Wenn es um Sprache geht, dann bin ich Fan von Literaten wie Qualtinger oder Sowinetz.
Dein Vater grüßt vom Cover deines Debütalbums. Dass er eine Zeit im Gefängnis saß, ist kein Geheimnis. Könntest du dir vorstellen, in einer Justizanstalt live zu spielen?
So wie Wanda vor einiger Zeit in der JVA Garsten? Klar! Es gibt zwar aktuell kein Angebot, aber ich würde so ein spezielles Konzert geben. Im vergangenen Sommer habe ich erst “s Häferl‘ beschallt.
Was ist das?
Eine soziale Einrichtung im 6. Wiener Gemeindebezirk mit dem Anspruch, Haftentlassenen den Wiedereinstieg in unsere Gesellschaft zu erleichtern – durch gratis Mahlzeiten, warme Kleidung, ein offenes Ohr oder Ablenkung mit einem kleinen Konzert.
Hast du einen Lieblingssong von Wanda?
‚Gib mir alles‘ würde jetzt auf der Hand liegen, da ich in dem dazugehörigen Musikvideo mitspiele. Was aber nur die Wenigsten wissen: Ich bin damals nur für Michael Ostrowski eingesprungen, der am Tag des Drehs verhindert war. Wie auch immer: Marco Wanda ist ein sehr geschickter Songschreiber. Es sind eher Satzfragmente als ganze Lieder, die sich als Ohrwürmer bei mir festsetzen.
Neben Marco Wanda zählt auch Peter Doherty zu deinen Musikerfreunden. Wann gibt’s das erste Duett mit dem britischen Krawallbruder?
Wir wollten uns im vergangenen Sommer treffen, haben uns aber leider verpasst. Ich war schon auf Campingurlaub in Griechenland. Er kennt meinen Sound und das aktuelle Album, das ihm anscheinend auch taugt. Über eine Zusammenarbeit haben wir nicht gesprochen, was jedoch nicht heißt, dass es ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Ganz im Gegenteil: Pete spricht ja selbst halbwegs gut Deutsch. Wer weiß, was noch alles passiert!
Kennengelernt habt ihr euch vor langer Zeit im Flex bei einem seiner Konzerte. Du hast damals im Kultlokal am Wiener Donaukanal gearbeitet, jetzt konntest du dort dein Album vor ausverkauftem Haus präsentieren. Wie lässt sich dieses Gefühl beschreiben?
Das Wort Triumph ist immer wieder gefallen, für mich war es natürlich etwas ganz Besonderes. Vor allem, weil das Flex in letzter Zeit nicht mehr so der Publikumsmagnet ist wie früher zu meiner Arbeitszeit. Dass die Hütte dann bei meinem Konzert mal wieder gesteckt voll war, hat mir natürlich schwer getaugt.
‚In Tulln bist der King, in Wien bleibst a Oaschkind‘ – du führst das Ganze gerade ad absurdum. Hat sich der Tullner Bürgermeister Peter Eisenschenk schon bei dir gemeldet wegen einem Gassen- oder Straßennamen bzw. Denkmal für Voodoo Jürgens?
Wenn ich mir überlege, was die Stadt Tulln mit Egon Schiele aufgeführt hat, kann ich auf Denkmäler jeglicher Art gerne verzichten. Zu Lebzeiten verachtet, nach dem Ableben verehrt. Nein danke!
Was hat Tulln, was Wien nicht hat?
Tristesse!
Und umgekehrt?
Anonymität. Was für Leute wie mich, die gerne aus der Reihe tanzen, ein essenzielles Gut ist. Wien ist zwar auch ein Dorf, aber man kann sich hier besser verstecken als im überschaubaren Tulln.
Dann doch lieber volle Konzentration auf die Musik! Wann kommt ‚Zwara Woar‘?
Ein neues Album kommt nicht vor 2018. Dafür gibt’s in den kommenden Wochen und Monaten sehr viel Voodoo Jürgens live.
So soll es sein. So soll es sein. Viel Erfolg weiterhin mit „Ansa Woar“ und angenehme Konzertreisen!