Grossstadtgeflüster im Interview
Neues von der Berliner Gesellschaftskritikband Grossstadgeflüster: ‚Alles Muss Man Selber Machen‘ heißt ihre neue Scheibe, mittlerweile ist aus dem Duo ein Trio geworden. Im Interview erzählen sie ihre Libelingswitze, reflektieren über ‚Koks und Nutten‘ und legen ihre Liebe zu Österreich offen.
Gleich zu Beginn, erzählt doch mal VOLUME euren besten Witz:
Chriz: Geht eine schwangere Frau zum Bäcker und sagt: Ich bekomme ein Weißbrot!
Jen: Geht ein Frosch in Milchladen und sagt ‚Quark!‘
Raphi: Auf dem FDP-Parteitag endet ein Redner mit dem persönlichen Anliegen, dass ihm sein Portemonnaie mit 1000 Euro abhanden gekommen wäre, dass er aber dem ehrlichen Finder gerne hundert Euro Finderlohn geben würde. Sofort aus dem Publikum: ‚Ich biete zweihundert!‘
Wie seid ihr auf euren Namen Grossstadtgeflüster gekommen, in dem sogar drei mal der Buchstabe s vorkommt?
Raphi: Viermal, mein Guter. Einer unserer allerersten Songs hieß so, noch bevor wir uns klar wurde, dass hier gerade eine Band entsteht. Als wir dann einen Namen brauchten, fanden wir den gut, warum auch immer…klang irgendwie undefinierbar und nach einer großen Bandbreite.
Ihr seid nun schon seit Längerem ein eingeschweißtes Trio, wie ist Chriz auf euch gestoßen? War es von Anfang an leicht, zu Dritt für Nachschub zu sorgen?
Jen: Jepp, sehr, weil es kein Datum gab, wo er auf einmal als neuer Mann in der Tür stand. Er war vom ersten Konzert an unser Schlagzeuger, kannte jedes Bandproblem, jede Sorge und jeden Traum:Er war halt erst ab dem zweiten Album ‚offizielles‘ Bandmitglied und mit auf den Fotos drauf…
Zwei Männer und eine Frau, wer hat die Obermacht bei euch?
Jen: Ich!
Raphi: Ich!
Chriz: Ich!
Alles muss man selber machen: welche Arbeiten lasst ihr nach wie vor von anderen Menschen für euch erledigen?
Raphi: Also, für das lästige Beschlafen der minderjährigen Groupies arbeiten wir mit der Mafia zusammen.
Noch mal zu eurem aktuellen Albumtitel: Auf welche Menschen könnt ihr immer verlassen?
Chriz: Auf die üblichen Verdächtigen. Uns selbst, die Familie zum Glück und ein paar gute Freunde.
Lässt ihr euch stark durch eure Fans in der Art der Musik, wie ihr sie produziert und präsentiert, beeinflussen? Kommt ihr auf bestimmte Nachfragen und Wünsche zurück?
Chriz: Kommt drauf an – das Publikum ist ein Spiegel, aber ein sehr ehrlicher. Wenn ein Publikum nicht tanzt, wenn es tanzen sollte. Dann muss ein Song halt mal gehen. Auch individuelle Wünsche sind mindestens interessant, aber direkten Einfluss auf einen Song hat das eher weniger, weil es bei drei ausgeprägten Perfektionisten, die wir auf eine Art nun mal sind, ohnehin ein steiniger Weg ist, bis alle gemeinsam ‚Yeah!‘ schreien. Wir kennen aber die Fallen der Distanzlosigkeit, die jeder Entstehungsprozess mit sich bringt, und wenn wir in den Testphasen mit dem Freundeskreis merken, dass zum Beispiel ein lustig gemeinter Song niemanden zum Lachen bringt, dann denken wir da in der Regel noch mal drüber nach.
‚Ich muss gar nix, außer schlafen, trinken, atmen und ficken…‘ – ein gelungener Songtext, haltet ihr euch auch an den, oder gibt es doch noch etwas, was ihr für wichtig empfindet?
Raphi: Der Nachfolgesatz mit den ’selbstgeschriebenen Regeln‘ ist inhaltlich vielleicht der wichtigste. Wir haben hohe moralische Grundsätze, nach denen wir auch leben, aber die Gesellschaft, und vor allem der Kapitalismus, hat sie nicht mehr. Deshalb bleibt nur die Option, die Faust hoch zu strecken und Mitstreiter zu finden, die da nicht mitmachen wollen. Der Song war nie eine Partyhymne, sondern eine Hilfestellung zur Andersartigkeit.
Auch ein Song von euch: ‚Nutten und Koks‘. Wie viel habt ihr in eurem Leben schon davon, Koks und Nutten, konsumiert?
Jen: Warte mal kurz, Chriz, ich glaube, du hast da noch ein einen Rest Nutte an deiner Nase. Wie war die Frage?
Was haltet ihr von ‚Deutschland sucht den Superstar‘? Wäre das nichts gewesen in eurer Jugend?
Raphi: Es hätte als voyeuristisches Fernsehformat, als dass es vielleicht ja sogar grossartig ist, immer seinen Platz gefunden. Als Musiksendung ist es wertlos und wird es auch immer bleiben, solange den armen Kandidaten suggeriert wird, dass man ein großer Künstler werden kann, in dem man möglichst viele Tipps einer quotengeilen Jury befolgt…Mal ehrlich? Wären zum Beispiel Herbert Grönemeyer, Annette Humpe, Farin Urlaub, Campino, Westernhagen, Udo Lindenberg, Til Lindemann, Stefan Remmler, Hildegard Knef, Klaus Eberhartinger in den Recall gekommen? Na klar, weil die alle so schön singen und tanzen können! Und darum geht’s ja schließlich, oder nicht?
Welcher Musiker ist euer größtes Vorbild?
Jen: Raphi und Chriz
Chriz: Jen und Raphi
Raphi: Chriz und Jen
Ihr ward letztes Jahr am Urban Art Forms und seid dieses Jahr am Beatpatrol präsent! Ist Österreich wirklich so toll, dass ihr gerne her kommt, oder sind es doch nur Auftritte um über die Runden zu kommen?
Raphi: Es ist so toll, so glaubt es doch! Berge, Luft, nicht zu viele Leute, eine Pop- und Kulturszene, die für uns freier wirkt, auch und vor allem medial, dieser sexy Akzent, der jede Antwort, inhaltlich völlig egal, für uns erstmal nach scharfem intellektuellen Zynismus klingen lässt.
Zum Abschluss: Irgend etwas, was ihr schon immer einmal an uns Österreicher los werden wolltet?
Alle: Ja, ich will!