Fritz Kalkbrenner im Interview
Der junge Fritz
Er ist der jüngere Bruder von Techno-Superstar Paul Kalkbrenner, Stimme der gemeinsamen Hymne ‚Sky and Sand‘ und eine waschechte Berliner Schnauze: Fritz Kalkbrenner. Im Februar und April tourt der 31jähirge Produzent mit seinem aktuellen Album ‚Sick Travellin“ durch Österreich. Was Fritz Kalkbrenner von schlecht vorbereiteten Journalisten, seiner eigenen Stimme und arrogant dicken Eiern hält? VOLUME hat die Antworten!
Ist es möglich, mit Fritz Kalkbrenner ein Interview zu führen, ohne den Megahit ‚Sky and Sand‘ (Anm. d. Red.: mittlerweile seit über 107 rekordverdächtigen Wochen in den deutschen Single-Charts) anzusprechen?
Theoretisch ja, bis jetzt hat es jedoch noch kein Journalist geschafft, dieses Thema auszulassen.
Langweilt das nicht auf Dauer?
So lange ich nicht nur auf diese Gemeinschaftsarbeit mit meinem Bruder Paul reduziert werde, muss mir das egal sein. Der Song ist ja auch ganz okay, da habe ich schon deutlich Schlechteres fabriziert. (lacht)
Du hast vor deiner Musikkarriere viele Jahre hauptberuflich als Journalist gearbeitet. Welche Fragen gehen dir jetzt von deinen ehemaligen Kollegen so richtig auf die Eier?
Klar nerven mich schlecht vorbereite Journalisten, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Zu einem guten Interview gehören nun mal eine ordentliche Recherche und eine gedankliche Vorbereitung auf das Gespräch. Spannend ist auch, wenn nur geschlossene Fragen gestellt werden: Ja. Ja. Nein. Nein. Ja. Das ergibt mit Sicherheit eine ganz tolle Story. (lacht) Aber ich bin da nicht arrogant, sondern versuche ziel- und ergebnisorientiert, meine Informationen, Botschaften oder Geschichten zu platzieren – was mir am Ende des Tages mehr bringt, als talentbefreite Menschen von der Presse zu belehren. Ich für meinen Teil bin jedoch nie blank zu einem Interviewtermin erschienen.
Mit welchem Musiker hattest du dein bestes Gespräch in deiner journalistischen Laufbahn?
Das Beste ist immer relativ – ein Highlight war definitiv das Interview für MTV mit Sänger Paul Smith und Bassist Archis Tiku von Maximo Park, die damals gerade ihr sensationelles Debütalbum ‚A Certain Trigger‘ auf Warp Records veröffentlicht hatten. Den Jungs konnte ich richtig anmerken, dass sie noch unverbraucht frisch im Musikgeschäft sind und beflügelnden Rückenwind spüren. Dementsprechend hat sich ein unvergesslich heiteres Gespräch entwickelt, bei dem die übliche Promozeit ums Dreifache überzogen wurde.
Mittlerweile darfst du selbst Rede und Antwort stehen. Deine musikalischen Wurzeln liegen im US-Rap der 90er Jahre: Welchen Künstlernamen hätte Fritz Kalkbrenner, wenn er als MC an den Start gegangen wäre?
Soweit habe ich nie gedacht. Ich will Hip Hop genießen, nicht kopieren! Natürlich beeinflusst diese Leidenschaft mein künstlerisches Schaffen, aber ich produziere bewusst Clubmusik für die Gegenwart. Es gibt vereinzelt Künstler, die sich am Sound vergangener Tage versuchen – teilweise zu Recht und mit Erfolg. Trotzdem bleibt für mich dabei immer der fade Beigeschmack, dass es sich doch nur um eine bloße Nachahmung handelt und keine originäre Kunst sein kann. Auch wenn ich mich noch so angestrengt hätte, so fett wie Diggin‘ in the Crates wären meine Beats nie gewesen. Darum wird Fritz Kalkbrenner in diesem Leben auch kein Rapper mehr.
Dafür hast du den Song ‚Willing‘ für dein neues Album ‚Sick Travellin“ interpretiert – was verbindet dich mit dem verstorbenen Sprachpoeten Gil Scott-Heron? Etwa der Hang zum Rausch?
Stimmt, der Kollege hat wirklich ordentlich gesoffen und weißes Pulver dazu konsumiert. Die Originalaufnahme von ‚Willing‘ klingt auch verdächtig danach, als ob er und seine Jungs gerade einen sehr lustigen Abend erleben. Ausschlaggebend für meine Coverversion war aber nicht das exzessive Rauschverhalten von Gil Scott-Heron, sondern absolute Bewunderung seiner Musikkunst und die banale Tatsache, dass diese Nummer im Viervierteltakt meiner Produktionsweise in die Karten spielt. Bei Stücken wie ‚The Revolution Will Not Be Televised‘ hätte ich mir wohl den Mund fusselig gesungen.
Fritz Kalkbrenner ist mit einer markanten Stimme gesegnet – wann und bei welchem Song hast du dich das erste Mal vors Mikro getraut?
Mein Debüt war auf der Single ‚What I Can Say‘ von DJ Zky. Ich hatte vorher mit meiner großen Klappe im Freundeskreis herumposaunt, dass ich zu House Beats gut singen könnte – ohne davor ein einziges Mal einen ganzen Song aufgenommen zu haben. Dann wollten meine Leute natürlich wissen, was dahinter steckt, und haben mich ins Studio gejagt. In der Gesangskabine ist mir dann der Arsch auf Grundeis gegangen, ich wollte sogar alle Beteiligten nach draußen schicken und für mich alleine die Aufnahme starten. Ein eiskalter Sprung ins Wasser. Noch dazu lässt du beim Singen die Hosen ganz weit runter.
Viele Menschen schämen sich, wenn sie sich selbst auf Tonband hören. Wie geht’s dir damit? Immerhin musst du deinen Gesang beim Produzieren immer und immer wieder hören.
Es wird langsam besser, aber vor ein paar Jahren fand ich das Arbeiten mit meiner Stimme noch total furchtbar und befremdend. Erst nach unzähligen, fast schon qualvollen Sessions im Studio bin ich damit klar gekommen. So nach dem Motto: Übung macht den Meister!
Kannst du dir vorstellen, Texte auf Deutsch zu schreiben und zu singen?
Nein. Was Gesang betrifft, bin ich Englisch geprägt und gewohnt, mich in dieser Sprache künstlerisch auszudrücken. Komisches, aber passendes Beispiel: Roxette und Ace of Base hat auch nie jemand gefragt, warum sie ihre Texte nicht auf Schwedisch verfasst haben. Wer behauptet, Authentizität gelingt nur in der eigenen Muttersprache, kann schlicht und ergreifend nicht gut genug Englisch.
Um aus einem aktuellen Interview mit Fritz Kalkbrenner zu zitieren: ‚Nach dem Erfolg mit ‚Sky and Sand‘ sind mir die Eier zwischenzeitig bestimmt auch mal zu dick geworden.‘ Was bzw. welches Hausmittel empfiehlst du gegen dicke Eier?
Dieser Satz ist mittlerweile auch zur abgedroschenen Floskel verkommen, aber im Kern nach wie vor absolut richtig: Als Künstler brauchst du ein ehrliches und kritisches Umfeld. Es gibt nichts Schlimmeres als schmierige und berechnende Speichellecker, die dir andauernd erzählen wollen, wie toll du bist – ganz egal, was du machst. Denn wenn du dich scheiße benimmst oder einen arroganten Höhenflug unternimmst – was bei mir natürlich nur äußerst selten der Fall ist –, dann brauchst du jemanden, der dich darauf ungeschönt hinweist und dir ordentlich die Leviten liest. Wichtigste Erkenntnis dabei: Du bist nicht der Mittelpunkt der Welt! In unserer Labelfamilie Suol funktioniert dieses Prinzip der gegenseitigen, freundschaftlichen Fürsorge ganz hervorragend – offen und ehrlich.
Der Erfolg gibt dir und deinen Jungs von Suol Recht. Was macht Fritz Kalkbrenner, wenn ein Major an die Tür klopft?
Ich würde mir anhören, was die Damen und Herren zu sagen haben, um ihnen anschließend mitzuteilen, dass sie in Sachen Vertrieb, Booking und Label nichts für mich tun können. Außer, ich will mit der Brechstange versuchen, noch mehr Platten zu verkaufen – was gleichzeitig bedeutet, dass ich ein Stück meiner künstlerischen Integrität aufgeben müsste. Auf Deutsch: Ich habe keinen Bock auf diese verrückte PR-Maschinerie, die von mir verlangt, in debilen Fernsehshows aufzutreten oder mich für Werbekampagnen ausschlachten zu lassen. Viele Kollegen haben dieser Verlockung nicht widerstehen können – ich versuche, standhaft zu bleiben.
Dann weiterhin viel Erfolg! Die Tour zu deinem neuen Album führt dich im Frühjahr 2013 mit mehreren Stopps nach Österreich. Gibt es etwas, das du an der Alpenrepublik nicht kapierst?
Bei einigen ‚Austroismen‘ verstehe ich nach wie vor nur Bahnhof – aber es wird von Gig zu Gig besser. Was allerdings sehr fies ist, dass sich Beleidigungen auf Österreichisch so nett und fast schon freundlich anhören. Zumindest bin ich als Berliner Schnauze beim Schimpfen einen ganz anderen Ton gewohnt.
Gute Miene zum bösen Spiele – willkommen in Österreich! VOLUME freut sich auf Fritz Kalkbrenner live 2013 in Wien, Linz, Graz und Dornbirn.