Folk passt einfach dazu!
Mighty Oaks im Interview
Treffen sich ein Amerikaner, ein Italiener und ein Engländer in Berlin und gründen eine Band. Was dabei rauskommt? Dreistimmiger Gesang, akustischer und elektrischer Gitarrensound, sanfte Basslinien, schlichte Drums und feine Mandolinenklänge – kurz gesagt: Mighty Oaks! Seit ihrem Debüt ‚Howl‘ geht es für die mächtigen Eichen steil bergauf: Chartplatzierungen, ausverkaufte Konzerte und zahlreiche Festivalauftritte wie beispielsweise am XV. FM4 Frequency Festival. Grund genug sich im Vorfeld mit der Newcomer Folk Band über „Howl“, das Gerangel von Bookingagenturen und die ewigen hässlichen Vergleiche mit Mumford and Sons zu unterhalten.
Ihr habt euch ja aus den verschiedensten Ecken der Welt zusammengefunden. Glaubt ihr, dass die unterschiedlichen Nationalitäten eure Musik beeinflussen?
Ian: Vielleicht werden wir unterbewusst ein wenig beeinflusst, aber generell spielt unsere Herkunft keine große Rolle. Wir sind drei unterschiedliche Typen und haben unterschiedliche Geschichten hinter uns. Das prägt uns eher als unsere Nationalität.
Wie funktioniert so eine Drei-Nationen-Band. Stehen bei euch Burger, Fish’n’Chips oder Pizza im Rider?
Craig: Fish’n’Chips! Gute Wahl!
Ian: Im Rider? Nein! Lieber gesundes Essen. Gemüse, Obst, Hummus.
Was vermisst ihr an eurer alten Heimat am meisten und was gefällt euch besonders gut an Berlin?
Ian: Ich vermiss die Natur. Ich bin am Meer, zwischen zwei Gebirgszügen im Wald groß geworden. Da sind nicht so viele Menschen, man hat sehr viel Platz für sich und die Natur direkt vor der Haustür. Das fehlt natürlich in Berlin. Aber dafür ist Berlin eine Weltstadt mit vielen jungen Leute aus der ganzen Welt. Man kann dort ein gutes Leben führen, ohne viel Geld haben zu müssen. Es gibt Museen, Kneipen, Konzerte und Parks ohne Ende – ist schon schön. Und die Unterschiede helfen auch. Ich hab einen anderen Bezug zu meiner Heimat, seitdem ich in Berlin wohne. Es ist ein wenig nostalgisch und ich weiß manche Dinge viel mehr zu schätzen. Ich find’s gut für eine Zeit lang von Zuhause wegzugehen.
Berlin kann angeblich so hässlich sein, so dreckig und grau – habt ihr Lieblingsplätze, an denen ihr wieder Kraft tanken könnt?
Ian: Berlin kann auf jeden Fall sauhässlich sein! Aber es gibt viele schöne Plätze. Ich mag das Schlesische Tor. Immer wenn wir in Berlin ankommen und ich am Schlesi bin, hab ich das Gefühl, wieder zu Hause zu sein. Treptower Park ist schön, der Tiergarten. Ein bisschen weiter draußen ist der Spreewald sehr interessant. Diese Kanalnetzwerke, durch die man paddeln kann. Und Berlin hat viele Ecken, die vielleicht äußerlich nicht so schön sind, dafür sind sie aber interessant. Auch wenn es öfter sehr hässlich ist, Berlin ist inspirierend.
Claudio: Ich mag die Oberbaumbrücke. Alles zwischen Kreuzberg und Friedrichshain. Ich mag Städte mit Flüssen. Es ist großartig wenn im Sommer alle draußen am Wasser sitzen.
Ian: Das mag ich auch am Regierungsviertel. Meine erste Berlinerfahrung war ein Praktikum im Bundestag. Da bin ich oft die Spree entlang gegangen.
Wie entwickelt ihr euren Sound?
Claudio: Für das erste Album war es ein langer Prozess. Wir haben begonnen mit Liedern, die Ian geschrieben hatte. Dann arbeiteten wir an Lyrics, Progressionen und Gesangsmelodien. All diese Dinge sind die Basis. Ich komme aus der klassischen Indie Rock-Ecke. Meine Favoriten sind Radiohead, Coldplay, Death Cab for Cutie. Bands mit dem klassisch demokratischen Arrangement von Songs – Gitarre, Bass und Schlagzeug. Diese Bands arbeiten zusammen, jeder hat seine Rolle.
Ian: Zumindest wollen sie, dass du das glaubst! Wahrscheinlich schreit Ben Gibbard (Death Cab for Cutie) ständig: „Schreib die verdammte Bassline so, wie ich es dir gesagt habe!“
Claudio: Nein! Bei Death Cab for Cutie ist der Gitarrist gleichzeitig auch der Producer der Band. Auch bei Radiohead. Jedenfalls … meine Sicht der Dinge hat sich geändert. Früher habe ich Songs alleine geschrieben und jetzt arbeiten wir an Ians Liedern. Das ist eine ganz andere Sache. Auf der einen Seite ist es leichter, weil von Anfang an etwas Schönes da ist. Auf der anderen Seite ist es eine Herausforderung, den Songs neue Dimensionen zu verleihen – Schwerpunkte zu legen, Kontraste zu kreieren und neue Emotionen zu schüren. Aber ja, so funktioniert’s. Ian schickt uns eine Idee, einen Song und wenn wir uns das nächste Mal sehen, jammen wir herum. Manche Lieder sind aber auch direkt im Studio entstanden und die Aufnahme kam zuerst. Als es dann an Live-Shows ging, mussten wir sie quasi neu lernen. Es gibt bei uns also zwei unterschiedliche Zugänge: Vom Proberaum ins Studio oder vom Studio auf die Bühne.
Man munkelt, Booker würden sich regelrecht um euch raufen. Wie geht ihr mit dem Hype um euren Sound um?
Claudio: Wir kennen überhaupt keine Booker (lacht). Wir sehen bloß die Termine im Kalender! Ein neues Festival hier, ein Konzert da.
Ian: Wir wollen von solchen Sachen nicht wirklich etwas wissen. Wir haben großes Glück, dass wir jetzt so viel zu tun haben und sind sehr glücklich darüber. Aber wir fragen nicht genauer nach. Es ist schön, ein Label und Management zu haben. Menschen, die uns viel Stress und Druck abnehmen. Jetzt können wir uns darauf konzentrieren, Songs zu schreiben und Shows zu spielen. Und versuchen, gesund und in Form zu bleiben. Was schwierig ist, wenn du jeden Tag Pizza isst!
Euer Debütalbum ‚Howl‘ ist seit einem Jahr draußen. Wie zufrieden seid ihr mit dem Feedback von Fans und Medien?
Ian: Wir sind sehr zufrieden mit ‚Howl‘. Es macht sich gut in den Charts, was nichts war, worüber wir uns viele Gedanken gemacht hatten. Aber Top10 in Deutschland war eine tolle Überraschung und Leute sagen uns, dass es ein großer Erfolg ist für ein erstes Album. Aber wir waren schon glücklich mit dem Album, als es noch gar nicht erschienen war. Wir haben viel Zeit investiert um sicherzugehen, dass wir auf alle Songs stolz sein können.
Craig: Aber es ist schon nett zu sehen, dass es jetzt da draußen ist. Mit dem ganzen Prozess des Aufnehmens war das Album eine ganze Weile ein fixer Bestandteil unseres Lebens und es ist toll, dass es jetzt auch andere Leute genießen können.
Ian: Und viele von diesen Leuten schreiben nette Dinge. Wie sehr sie diesen oder jenen Song mögen, wie sie Aspekte in den Liedern finden, die wichtig für sie selbst sind und sie ansprechen. Dieses Feedback ist auch irgendwie wichtiger als die Chartposition.
Was macht ihr mit Journalisten, die euch in Interviews mit Mumford and Sons vergleichen?
Claudio: Sehr originelle Art und Weise das Thema anzusprechen!
Craig: Wir sperren sie ein!
Ian: Zumindest stecken wir sie auch in eine Schublade so wie sie uns (lacht). Nein, Folkmusik ist ja etwas, das sich erst seit ein paar Jahren auch am deutschsprachigen Markt durchsetzt. Viele Journalisten und auch das Publikum haben nicht viel Erfahrung damit, von daher kennen sie nicht so viele Bands, die mit uns vergleichbar sind – außer Mumford and Sons oder The Lumineers. Manche der älteren Musikfans gehen weiter zurück und sagen Bob Dylan und Eagles. Für mich als Amerikaner war diese Art von Musik schon immer da. Ich bin mit Bluegrass aufgewachsen. Wir mögen Mumford and Sons und lieben Fleet Foxes und wir wissen, dass wir uns manche musikalischen Aspekte mit ihnen teilen. Unsere Musik hat Wurzeln in dieser Folktradition mit vielen Stimmharmonien und akustischen Instrumenten. Aber wer sich die Zeit nimmt und genau hinhört, erkennt aber, dass da noch mehr ist. Claudio hat schon gesagt, auch Indie Rock ist ein Einfluss mit elektrischen Gitarren und Piano. Wir sehen das Label „Folk“ aber nicht als Beleidigung. Manche Journalisten glauben ja auch, dass Bands Folkmusik machen, weils gerade „in“ ist. Das ist einfach Schmarrn! Ich hab die Art von Musik auch schon vor Mumford and Sons gemacht, weil es die einzige Musik ist, die ich machen kann.
Claudio: Und es gibt jetzt auch schon Dance-Songs, die Folk-Elemente übernehmen, da ist der Vorwurf den Moment zu nutzen viel berechtigter.
Ian: Genau, wenn uns jemand vorwirft, dass wir die „Folkwelle ausnutzen“ und wie Mumford and Sons klingen, was sagen die dann, wenn Avicii mit „Hey brother“ ankommt?
Wenn wir schon über Mumford and Sons, The Lumineers oder auch Jake Bugg reden … woher kommt eurer Meinung nach die neu entdeckte Liebe zum Folk?
Ian: Meiner Meinung nach ändert sich die Welt verdammt schnell heutzutage. Gerade für junge Leute gibt es immer weniger Sicherheit, wenn es um Karriere und Zukunft geht. Sie suchen also nach Dingen, die ehrlich sind und die ihnen Hoffnung geben. Die es ihnen erlauben zu träumen und Folkmusik ist stark verknüpft mit Emotionen wie Angst, Wanderlust, Liebe oder Freundschaft. Auch vielleicht mit der Sehnsucht, den Stress der Stadt mal hinter sich zu lassen und Natur zu erleben. Folk passt dazu! Und wahrscheinlich wollen die Leute auch mal was anderes als Clubhits, in denen es nur ums Saufen und Aufreißen geht.
Wo seht ihr euch in zehn Jahren? Werdet ihr dann die großen Bühnen dieser Welt bespielen, so wie es VOLUME.at prophezeit?
Ian: Hoffen wir! Das wird dauern und hoffentlich dauert es! Wir haben bisher ein ziemlich natürliches Wachstum genossen und das hilft auch. Dann überspringt man keine Bühnen, die man wirklich spielen wollte. Das war auch in Berlin die Frage: „Wollt ihr wirklich Lido spielen? Weil ihr könntet schon im Astra spielen mit 1.500 Zuschauern.“ Aber wir haben gesagt, nein wir machen lieber zwei Mal Lido vor jeweils 500 Leuten. Das ist einfach eine Bühne, die jeder Künstler im Laufe des Wachstums spielen sollte. So etwas ist für uns wichtig, um bodenständig zu bleiben. Auch wenn wir irgendwann mal auf riesigen Bühnen stehen, wir werden auch auf denen dazwischen gespielt haben und es dann richtig schätzen, wenn wir dort ankommen.
Zum Thema bodenständig: Bäume haben Wurzeln, um standhaft zu bleiben – was haben die Mighty Oaks, das ihnen helfen wird, immer dran zu bleiben?
Ian: Wir sind auf jeden Fall sehr bodenständige Menschen und das wird uns sicherlich im Laufe der Zeit helfen, am Boden und cool zu bleiben. Und die Band entstand aus unserer Freundschaft heraus, wir wurden von keiner Plattenfirma zusammengewürfelt weil unsere Gesichter zueinander passen. Wir sind Kumpels gewesen und daraus hat sich das entwickelt. Und wir haben Spaß an der Musik und Schwein, dass auch andere Leute etwas an unserer Musik finden. Das ist eine Ehre und hoffentlich hält das. Wir wollen auf jeden Fall wachsen, auch musikalisch. Die zweite Platte wird ein Riesenabenteuer für uns.
Craig: Wir sind eine kleine Familie. Keiner von uns lebt in seiner Heimat und wenn wir gemeinsam unterwegs sind, ist das toll. Es macht einen Riesenspaß.
Wird Ian immer der Einzige mit folkig langen Haaren und Bart bleiben?
Craig: Ich glaube, er hat irgendwann genug davon.
Ian: Ich hab schon ein paar Mal überlegt, alles abzuschneiden. Aber dann doch nicht.
Dir steht bestimmt auch eine Kurzhaarfrisur! Wir freuen uns auf jeden Fall auf ein Wiedersehen am FM4 Frequency Festival!
PS: Mittlerweile hat sich Ian aber doch von seiner Folk-Matte getrennt.