Ein turbulenter Sommer
Frank Turner im Interview
Ein neues Album über große Frauen, eine weitere Tour und auch noch eine Hochzeit – bei Frank Turner tut sich grade so Einiges. Wie er diesen turbulenten und ereignisreichen Sommer verbracht hat, wie er mit dem Stress umgeht und wie kritisch er sich selbst sieht, hat er uns am sonnigen Punk Rock Holiday erzählt.
Wir sind hier im wunderschönen Areal vom Punk Rock Holidays. Du bist heute angekommen – wie gehts?
Um ehrlich zu sein, mein Rücken schmerzt extrem. Ich habe eine 34-stündige Anreise hinter mir. Das war zwar umweltbewusst, aber nicht gut für meinen Rücken.
Wie viele Songs hast du während der Busfahrt geschrieben?
Einen tatsächlich. (lacht) Ob er gut ist, weiß ich noch nicht … das müsst ihr dann herausfinden. Gebt mir eine Woche oder so.
Wir sind gespannt. Was ist das Coolste, das dich heute erwartet?
Ich treffe hier heute viele Freunde und Bekannte: Jake and the Jellyfish, Useless ID und natürlich alle Jungs von Descendents. Es ist lustig, mit Leuten in einer Band befreundet zu sein. Man sieht sich ewig nicht und dann gibt’s so etwas wie Festivals – da kommen dann alle zusammen, es ist wie so ein Stammestreffen. (lacht) Stephen (Descendents) meinte heute zu mir: „Hey, ich habe gerade das Line-Up gecheckt … du bist ja auch hier!” und ich so: „Ja cool, ich habe dasselbe gemacht!” (lacht) Solche Treffen sind einfach das Coolste.
Hattest du schon Zeit, die traumhafte Location zu erkunden?
Ein bisschen … es ist echt wunderschön. Um ehrlich zu sein, habe ich aber bis vorhin an meinen neuen Songs gearbeitet. Wenn man gerade inspiriert ist und einem die Sachen einfallen, sollte man sie auch gleich aufschreiben und am besten sofort aufnehmen. Mein neues Album ist ja schon fertig. Jetzt schreibe ich schon wieder an neuem Stuff.
Wie kritisch bist du bei deinen eigenen Sachen?
Ich würde nicht sagen, dass ich ein Perfektionist bin, aber ich mag es, über Dinge noch öfter nachzudenken. Bis aus einer Idee tatsächlich ein Song wird … da steht schon ein ziemlicher Prozess dahinter. Was man als Musiker aber lernen muss, ist, dass es so etwas wie „perfekt” nicht gibt. T.S. Eliot, der Dichter, sagte einst: „A poem is never finished, only abandoned” – und das gefällt mir sehr. Eine Sache, die man wirklich lernen muss, ist den richtigen Zeitpunkt zu finden, etwas zu beenden. Weißt du, was ich meine? Ich könnte jetzt noch immer im Studio stehen und an mein Album arbeiten. Doch irgendwann merkt man, dass keine Änderung mehr ein gutes Gefühl hinterlässt – also muss man es lassen.
Da gehört viel Akzeptanz dazu, sich selbst nicht mehr als „perfekt” sehen zu wollen. Kannst du uns in dem Zusammenhang vielleicht etwas über Selbstliebe erzählen?
Um ehrlich zu sein, bin ich nicht wirklich gut darin, mich selbst zu lieben. Das kann zeitweise echt schwer werden. Doch in den letzten vier Jahren habe ich in meinem Leben einige Veränderungen vorgenommen … ich heirate bald – das ist ein großer Schritt für mich. Ein fast ebenso großer war es, sich einzugestehen, dass ich mit manchen Problemen alleine nicht mehr fertig werde. Viel davon hatte mit Selbstzweifel zu tun, auch mit Selbsthass. Ich versuche nun, diese Gefühle für mich anders zu übersetzen und wahrzunehmen. Ein vorherrschender Teil des Prozesses ist, daran zu arbeiten – an so etwas wie Vergebung sich selbst gegenüber, wenn du verstehst? Mit dem habe ich noch viel zu tun.
Aber du hast nun eine Person an deiner Seite, die dir dabei hilft? Herzlichen Glückwunsch übrigens!
Ja, habe ich und sie ist großartig. Deswegen heirate ich sie. (lacht) Die Hochzeit ist demnächst. Das wird eine ziemlich große Sache, also sind wir dementsprechend ein bisschen gestresst und aufgeregt. Es gibt viel zu organisieren. Ich darf sogar so tun, als wäre ich Teil von Entscheidungsprozessen. (lacht)
Klingt nach einem turbulenten Sommer …
Dieser Sommer war verrückt. Hochzeitsplanung, neues Album, Tour und so viel anderes, was da zusammenkam. Wundervoll natürlich, aber ich stoße mittlerweile echt schon an meine Grenzen. Worauf ich mich wirklich freue, sind die Flitterwochen. Da werfe ich mein Smartphone ins Meer und rede drei Wochen lang mit niemandem außer meiner Frau. Das wird fucking großartig.
Wie schön, also volles Digital Detox-Programm?
Oh ja, das sollte man öfter machen! Meine Katze hat letztens ein Glas Wein umgestoßen und das Ganze hat meinen Laptop gekillt. Sie war wahrscheinlich eifersüchtig, weil ich so fokussiert war. Zuerst war ich total fertig, weil ich den Laptop zum Arbeiten brauche, weil ich extrem beschäftigt bin – so musste ich eine Woche ohne ihn auskommen. Es war dann aber irgendwie nett, mal nicht erreichbar zu sein. (lacht)