Die Toten Hosen im Interview
Hosen wie diese
Herzlichen Glückwunsch: Die Toten Hosen feiern ihr dreißigstes Bandjubiläum mit dem brandneuen Studiolangspieler ‚Ballast der Republik‘, einem Coveralbum namens ‚Die Geister, die wir riefen‘ und einer Festivalshow am Nova Rock. Bassist Andreas Meurer gibt Auskunft über ‚Tage wie diese‘, rappende Textunterstützung und Ferien am Wolfgangsee.
Drei Kreuze und herzlichen Glückwunsch zum 30jährigen Bandjubiläum – was soll jetzt noch schief gehen?
Klingt vielleicht banal, aber dieser Satz hat sich in all den Jahren ständig bewahrheitet: Genieße den Moment – mit allem, was du gerade hast. Im Leben kann immer etwas Unvorhersehbares passieren. Davor ist niemand gefeit, selbst Die Toten Hosen nicht. Wir sind sehr froh und natürlich auch stolz, dass Jubiläumsjahr mit einer neuen Platte im Gepäck einzuläuten, die sich gut anfühlt.
Mal ehrlich: Wie oft standen Die Toten Hosen schon vor dem Aus?
Nicht oft. Dennoch haben wir Krisen durchlebt und überwunden, in denen die Band kurz vor dem Ende war. Da standen Fragen im Raum wie ‚Geht das jetzt noch so weiter oder nicht?‘. Jedoch ist das schon eine ganze Weile her und gehört wahrscheinlich bei einer gesunden Bandentwicklung mit dazu. In dreißig Jahren kann nicht immer alles einvernehmlich passieren. Aber aktuell ist die Stimmung bei den Hosen richtig fein.
Was auch auf eurem neuen Studiomaterial und der ersten Singleauskopplung zu hören ist. Seid ihr schon jemals so befreit und losgelöst gewesen wie an Tagen wie diesen?
Schön, wenn dieses Gefühl bei den Leuten so ankommt. Tatsächlich haben wir uns mit ‚Ballast der Republik‘ am Anfang gar nicht leicht getan und sind nur schwer in die Gänge gekommen. Nachdem die ersten Demos praktisch unverwertbar waren, ist leichte Panik ausgebrochen. Im Normalfall gibt es vorher schon heiße Kandidaten bzw. potenzielle Songs, welche dann auf einer neuen Platte landen. Dieses Mal nicht, darum haben wir bis zum Schluss daran geackert und gekämpft – von wegen Routine oder Standardprozedur. Der Albumsong ist beispielsweise erst ganz am Ende entstanden. Punktlandung sozusagen, aber vielleicht liegt genau darin das gewisse Etwas.
‚Ballast der Republik‘ – wie hat Herr Meurer den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung erlebt?
Wir sind gerade in Paris aufgetreten, als im Fernsehen plötzlich diese unvorstellbaren Bilder von den jubelnden Menschen auf der Berliner Mauer liefen. Den französischen Kommentar konnte ich nicht verstehen. Nach einem Telefonat mit der Heimat war dann alles klar und die erste Tour durch die ehemalige DDR anvisiert, auf der
wir teilweise noch echte Anarchie gespürt haben. Das war damals eine unglaublich spannende Zeit: Große Freude überall, aber keiner wusste so richtig, wie es weitergeht. Den meisten Leuten ist nach und nach bewusst geworden, dass die Wiedervereinigung keine einfache Angelegenheit wird – eine Menge Probleme bestehen, die bis zum heutigen Tag nachwirken. ‚Ballast der Republik‘ behandelt diesen außergewöhnlichen Prozess und ist einer der Songs, den Campino zusammen mit Marten Laciny alias Marteria geschrieben hat. Der Junge ist in Rostock geboren und kann das Ganze also von der anderen, ostdeutschen Grenzseite aus erzählen.
Zwischenfrage: Wie ist die Rampensau Campino auf den Rapper gekommen?
Hip Hop ist nicht unbedingt unser Fachgebiet, aber es gibt da ein paar Spezialisten, die brillante Liedtexte schreiben können. Campi mochte den Stil von Marteria schon immer, kürzlich hat sie dann ein gemeinsamer Freund verkuppelt. Es hat gefunkt, die beiden haben sehr gut harmoniert, so dass gleich mehrere Lieder für ‚Ballast der Republik‘ in Gemeinschaftsarbeit entstanden sind.
Im Song ‚Europa‘ geht es um die spürbar ansteigende Flüchtlingsproblematik und unseren Luxus auf Kosten armer Länder – was unternehmen Die Toten Hosen gegen solche Ungerechtigkeiten, außer Lieder darüber zu schreiben?
Auch wenn Medien nur noch selten darüber berichten, sterben nach wie vor täglich Menschen bei dem Versuch nach Europa zu flüchten. Was da passiert, wie die europäische Gemeinschaft damit umgeht und mit welchem Habitus an den Grenzen agiert wird, ist skandalös. Mit ‚Europa‘ wollen wir Aufmerksamkeit auf das Thema ‚Asyl‘ lenken und im Idealfall unser Publikum dafür sensibilisieren. Konkret unterstützen wir eine Menschrechtsorganisation namens Pro Asyl, die hervorragende und kompetente Arbeit auf diesem Gebiet leistet.
Digitale Anarchie und radikale Reformansätze: Was hält ein erfahrener Punkrocker wie Andreas Meurer von der Piratenpartei?
Die Toten Hosen haben noch nie Parteipolitik unterstützt, egal in welcher Form. Ich persönlich kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht erkennen, was die von der Piratenpartei wirklich wollen. Viele Programmpunkte sind total abstrus, die rechtsradikalen Elemente bzw. Mitglieder in der Partei weder nachvollziehbar, noch akzeptierbar.
Zurück zu den angenehmen Dingen: Auf eurem Jubiläumsalbum ‚Die Geister, die wir riefen‘ habt ihr unter anderem ‚Rock Me Amadeus‘ von Falco interpretiert – was ist das beste österreichische Kapitel in eurer Bandgeschichte?
Absolute Highlights waren natürlich unsere Gastspiele im Wiener Burgtheater. Auch im Rest des Landes sind uns in den vergangenen dreißig Jahren gute Erlebnisse widerfahren, Österreich und Die Toten Hosen führen eine glückliche Beziehung. Ich durfte regelmäßig meine kompletten Schulferien, Sommer und Winter, in Strobl am Wolfgangsee verbringen und habe keine Schäden davongetragen. Hoffe ich zumindest… (lacht) Das Stück von Falco fanden wir lustig und interessant. Außerdem hat auch niemand damit rechnen können, dass wir uns dieses Lied vornehmen.
Falco kann seinen Senf zu eurer Version von ‚Rock Me Amadeus‘ leider nicht mehr abgeben, Gott hab‘ ihn selig. Die Ärzte hingegen sind alle noch gesund, munter und feiern dieses Jahr ebenfalls ihr dreißigstes Bühnenjubiläum. Wie ist das Feedback von F arin, Bela oder Rod auf euren ‚Schrei nach Liebe‘?
Also ich habe es ihnen noch nicht vorgespielt. Unsere Coverversion ist ein netter Gruß nach Berlin und null ironisch gemeint – starker Song, super Text. Klar, Die Ärzte und Die Toten Hosen haben eine sehr abwechslungsreiche Geschichte. Da waren Phasen dabei, wo das Verhältnis alles andere als gut gewesen ist. Heutzutage respektiert man sich bzw. trifft sich hin und wieder bei Konzerten. Darum kann es auch nicht mehr lange dauern, bis uns Die Ärzte mitteilen, was sie von unserem ‚Schrei nach Liebe‘ halten.
Zum Abschluss noch ein persönliches Jubiläum: Wie feiert Andreas Meurer seinen 50. Geburtstag am 24. Juli?
An meinem Geburtstag selbst wird nicht allzu viel passieren. Dafür ist bereits eine gemeinsame Party mit Campino in Planung, der ebenfalls seinen Fünfziger dieses Jahr feiern darf. Da werden wir einfach all unsere Freunde einladen und hoffentlich eine gute Zeit haben – so wie das jeder andere wahrscheinlich auch macht.
Na dann: Weiterhin alles Gute, auf die nächsten 30 Jahre und bis zum Nova Rock Festival in Nickelsdorf.