Dicke Eier für feinste Seide
Bilderbuch im Interview
Michael Krammer ist Gitarrist bei der Band Bilderbuch und konnte VOLUME bereits im Juni 2013 die noch unveröffentlichte EP ‚Feinste Seide‘ vorspielen, weil wir ihn zum Nova Rock eingeladen haben – eine Hand wäscht die andere, Ehrensache unter Musikfreunden! VOLUME feiert die Hits ‚Plansch‘ bzw. ‚Maschin‘ also schon seit ihrer Stunde Null. Im Interview spricht Michael Krammer jetzt für Bilderbuch über den sensationellen Erfolg mit ‚Feinste Seide‘, ‚Maschin(en)öl‘ und ‚Plansch‘ 2014. Außerdem steht fest: Die Welt wäre ein besserer Ort, gäbe es mehr Autotune!
Halleluja: Wird Bilderbuch den Rock wiederbeleben?
Michael Krammer: Was mich persönlich betrifft: Unsere Bandfamilie Bilderbuch belebt immer wieder das Verlangen in mir, etwas Eigenständiges zu schaffen und mich nicht unreflektiert zu wiederholen. Wenn sich durch uns in Zukunft manche Leute der Rockmusik wieder näher fühlen, dann ist das großartig. Wir sehen uns aber nicht als die Botschafter des Rock’n’Roll. Falls aber doch kein anderer den großen Genrekampf übernehmen will und es hart auf hart kommt, ziehen wir uns natürlich gerne Vatis bestickte Lederjacke mit dem AC/DC-Logo über.
‚Österreicher machen bessere Popmusik als Deutsche‘ haben Musikexperten von der Süddeutschen Zeitung nach eurem Song ‚Maschin‘ geschrieben. Welche Künstler aus Deutschland haben euren Werdegang geprägt?
Michael Krammer: Für mich die letzte und einzige deutsche Band in diesem Fragenzusammenhang: Madsen – damals 2005, beim ersten Album. Danach gab es nichts mehr, das ich als wirklich prägend empfinde. Bei Maurice und Peter war es ebenfalls Madsen, auch die Jungs von Anajo aus Augsburg haben bleibenden Eindruck hinterlassen.
Seit der EP ‚Feinste Seide‘ klingt Bilderbuch anders als davor! Was ist im Sommer 2013 mit euch und eurem Sound passiert?
Michael Krammer: Diese Entwicklung hat schon Ende 2012 begonnen, als unser früherer Drummer Andreas Födinger ausgestiegen ist. Eine Band ist wie drei Beziehungen auf einmal zu führen. Umso schwieriger, wenn jemand aufhört, an all das zu glauben, was einem selbst im Leben heilig ist. Da beginnt das Grübeln über sein oder nicht sein. Wir haben dann irgendwann gecheckt, dass nicht nur zählt, was man sagt, sondern vor allem, was man tut. Darum haben wir damit angefangen, was wir schon lange machen wollten – frische, feinste Seide. Wir haben den venezianischen Spiegel abgeschraubt, um eine mit Graffiti besprühte Glasplatte einzubauen. Soll heißen: Musikalisch sowie textlich sind viele Elemente vereinfacht und auf den Punkt gebracht worden. Das Album „Die Pest im Piemont “ war 2011 eine Ausgeburt unserer damaligen Künstleregos, aber absolut notwendig, um heute mit einer gehörigen Portion Eier in der Hose das sein zu dürfen, was wir sind.
Hip Hop! Wie viel hat der frische Schlagzeuger Philipp Scheibl zu eurer musikalischen Weiterentwicklung beigetragen?
Michael Krammer: Er ist zu uns gekommen, als wir halbfertige Ideen hatten – aber keine ausgereiften oder zufriedenstellende Songs. Ohne Philipp „Pille“ Scheibl hätten wir diese Ideen nie auf den Punkt gebracht. Mit ihm kamen Hip Hop, Frauen, Party und Arbeitsmoral. Wir lieben ihn!
Bilderbuch steht auf den Jahresbestenlisten diverser, renommierter Musikmedien ganz oben. Wie wollt ihr 2014 das Ganze toppen?
Michael Krammer: Alles geht sich aus! Da gibt es noch den ein oder anderen Glückskeks, der von uns noch nicht geöffnet wurde. Im Notfall stellen wir 2014 unsere Lamborghinis auf eBay und nutzen das verdiente Geld, um uns in die ‚Austria Top 40‘ einzukaufen.
Anders gefragt: Wann kommt ein neues Album von euch und was steht dieses Jahr ganz weit oben auf eurer To-do-Liste?
Michael Krammer: Es gibt noch keine Erscheinungstermine für neue Songs – ist auch besser so, da sich der ohnehin schon relativ große Druck dann in Grenzen hält. Wir sehen diese Nachfrage eher als großes Kompliment, dass sich die Leute jetzt, drei Monate nach ‚Feinster Seide‘, schon wieder fragen, wann denn da was Neues kommt. Und das steht wohl auch – neben Dingen wie Festivals, Merchandising und unseren Solokonzerten – ganz oben auf der To-do Liste: Songs!
Welche Songs bzw. Künstler stehen in eurer persönlichen Hitparade auf den Spitzenplätzen?
Michael Krammer: Kendrick Lamar ‚Bitch, Don’t Kill My Vibe‘, Big Sean ‚Guap‘, Drake ‚Over My Dead Body‘ oder Solange ‚Losing You‘. Deutschsprachige Musik empfinden wir in letzter Zeit leider als Enttäuschung, deshalb spielen auch im Moment hauptsächlich Amerikaner in unserer Hitparade. Das liegt jedoch nicht an der Sprache – es ist leider selten geworden, dass uns etwas total vom Hocker reißt bzw. uns ein Gefühl von Zeitlosigkeit und purer Coolness gibt.
Keine Frage: Das Interesse an Bilderbuch und euren Personen ist in den vergangenen Monaten wieder enorm gestiegen. Wie schützt ihr euch vor Arschkriechern, Trittbrettfahrern, falschen Freunden und akuter Abhebegefahr?
Michael Krammer: Wir widmen unser Leben gerade ausschließlich der Band. Dadurch hatten wir in den vergangenen Monaten fast gar keine Zeit für Freunde – schon gar nicht für falsche. Ich habe auch nicht das Gefühl, Angst vor Arschkriechern und Trittbrettfahrern haben zu müssen. Es gibt genügend andere Ärsche, in die sich das Reinkriechen mehr lohnt. Außerdem ein weiterer Vorteil unseres vierer Gespanns: Das Abheben ist nahezu unmöglich, da es immer jemanden geben wird, der dir mitten ins Gesicht sagt, wie lächerlich du dich gerade aufführst.
Angeblich seid ihr die einzigen Musiker neben Kanye West, die Autotune verwenden können, ohne absolut beschissen zu klingen. Kompliment, Fluch oder Segen?
Michael Krammer: Kompliment! Die Welt wäre ein besserer Ort, gäbe es mehr Autotune – zum Beispiel auf der Zahnbürste, im Fernseher, in den Moon Boots. Autotune – Heals The World, Makes It A Better Place!
Wie ölt Bilderbuch seine ‚Machin‘?
Michael Krammer: Früher wurde die Maschin ausschließlich mit Spiritus geölt, heute passiert das in Ausnahmefällen auch schon einmal mit einer guten Flasche Wein bei Kerzenschein. Am Ende bleibt es dann aber doch meistens beim Spiritus.
Wo Planschen die Jungs von Bilderbuch im Sommer 2014?
Michael Krammer: Wir sind sehr privilegiert, im Sommer 2014 auf einigen der großartigsten Festivals spielen zu dürfen, die der deutschsprachige Raum so zu bieten hat – Southside, Hurricane und Melt! Festival beispielsweise. Eigentlich wollten wir uns dafür bis 2020 Zeit nehmen. Umso besser, so können wir uns endlich mit vollster Konzentration und Hingabe unserem eigentlichen und primärsten aller Lebensziele widmen – dem Amadeus Austrian Music Award. Gepriesen sei der Herr!
Amen und bis bald!