Dem Hype ist nicht zu trauen
Wanda im Interview
Wanda machen Popmusik mit Amore. Unbeeindruckt vom Erfolg hat das Quintett nicht einmal ein Jahr nach Release ihres Debütalbums Platin und zwei Amadeus Awards abgeräumt, unzählige ausverkaufte Shows gespielt und das Donauinselfest als Headliner bereichert. VOLUME hat mit Songwriter und Sänger Marco über beseelte Vaginas, Lebenslust und ihr neues Album ‚Bussi‘ geplaudert.
Laut einem großen deutschen Musikmagazin hat Wanda vor, sich leidenschaftlich ins Grab zu spielen. Muss das unbedingt so enden?
Zumindest kommt es uns so vor. Es ist mehr ein Umstand, als ein innerer Wille, auf der Bühne zu sterben. Wir halten aber gut durch und haben im letzten Jahr viel gelernt. Wir sind kurz davor, eine gute Band zu sein. (lacht)
Aber wenn das so weitergeht, stirbt angeblich einer. Wie oft geht ihr zum Arzt?
Erstaunlicherweise kaum. Unsere Musik hat eine heilende Kraft. Auch wenn wir in Interviews manchmal gejammert haben, dass uns alles zu viel wird – ein Tag spazieren gleicht alles wieder aus.
Also ist es dir wichtig, einen Ausgleich zu haben…
Es wäre wichtig, war aber im letzten Jahr kaum möglich. Aber mir ist es scheißegal, was hätte ich sonst getan? Ich hätte wohl versucht, ein Leben auf die Beine zu stellen und ich glaube, es wäre sehr wackelig dagestanden ohne die Musik.
Welches Zaubermittel ist dafür verantwortlich, dass Wanda dermaßen schnell und heftig eingeschlagen hat?
Wir waren nie verbissen und haben nichts auf kritische Stimmen gegeben. Es ging uns nie um Ruhm. Der einzige Maßstab für die Musik ist meiner, nicht der unserer Gesellschaft. Uns war nur wichtig, dass die Songs eine positive Kraft haben und im besten Fall als Projektionsfläche für die Zuhörer dient.
Wie manifestiert sich das im Songwriting?
Ich habe mir einfach einen Zuhörer vorgestellt, für den ich meine Lieder schreibe.
Und wie sieht der oder die aus?
Rock’n’Roll ist ein Balzritual. Ich schreibe also für eine hochintelligente, beseelte Vagina. (lacht)
Am 22. April 2016 wagt ihr den Schritt in die Stadthalle – Österreichs größten Konzertsaal. Seid ihr schon nervös?
Wir sind unbeeindruckt. Ich nehme das alles gar nicht wahr. Es ist schwierig, über eine Karriere zu reden, die ich als natürlichen Teil meines Lebens wahrnehme. Die vulgäre Wirklichkeit vollzieht sich ja trotzdem. Es ist nicht leichter geworden, im Gegenteil, manches sogar schwieriger. (lacht) Aber es wird einfach ein riesen Fest werden. Wir wollen damit kein Zeichen setzen oder unseren Erfolg damit manifestieren.
Zuvor feiert ihr am 1. und am 2.10.2015 in der ausverkauften Arena Wien die Geburt eures zweiten Langspielers ‚Bussi‘. Album Nummer Zwei wird von Vielen als besonders schwierig beschrieben. Wie seht ihr das?
Mir fehlt jeglicher Karrieresinn. Für mich ist alles so natürlich, ich sehe keinen Unterschied zur ersten Platte. Was damit passiert, entscheidet das Publikum. Ich kann nur meinen Job bestmöglich machen. Wenn das Ding floppt, liegt es daran, dass es scheiße ist.
Keine Angst vor einem Burnout?
Nein, ich habe ungefähr das zehnfache Pensum. Ich habe keine Angst vor einer kreativen Schaffenskrise. Das ist für Weichlinge. Jemand, der im Erfolg keine Inspiration mehr hat, ist ein Trottel und abhängig von Schmerz und Einsamkeit. Aber ich gewinne meine Texte und mein Lebensgefühl aus positiven Sachen. Lebenslust ist der wahre Motor.
Wie würdet ihr ‚Bussi‘ mit fünf Worten beschreiben?
Nimm sie, wenn du’s brauchst. (lacht)
Die Band Wanda ist zu einem Major Label gewechselt. Warum seid ihr diesen ‚Pakt mit dem Teufel‘ eingegangen?
Geld, geiles Geld. (lacht). Teil der Popkultur zu werden war immer schon geplant. Wir haben das Gefühl, dass es wichtig ist, unsere Songs rauszubringen. Es steckt auch ein persönlicher Ehrgeiz dahinter, sich mit der großen Geschäftswelt zu messen. Es kann auch scheitern – es ist spannend!
Was hat sich für euch geändert?
Man muss auch positive Worte über unser Label verlieren. Sie sind Idealisten wie wir und lassen uns viele Freiheiten. Man darf sich die Majors nicht so anders als die Indie Labels vorstellen. Teilweise ist der Indie-Bereich sogar kommerzieller und einengender orientiert.
Konnt ihr euch vorstellen, ein ganzes Album in einer anderen Spracheaufzunehmen?
Ich würde sehr gerne einmal ein Album auf Italienisch veröffentlichen. Aber das sind eher Spielereien. Eine Karriere muss man sich verdienen und ich kann nicht die Öffentlichkeit mit jeder meiner Ideen quälen. (lacht) Es ist wie in einem Videospiel: Der Bonus eines Albums in einer anderen Sprache muss freigeschaltet werden.
Ihr werdet oft gemeinsam mit Bilderbuch als die Speerspitze der österreichischen Popmusik gesehen. Surfen wir auf einer Neuen Deutschen Welle made in Austria?
Wir haben keinen Hype generiert. Es ist einfach Zufall, dass zwei Bands, die ambitioniert an ihrer Kunst gearbeitet haben, gleichzeitig funktionieren. Im Kielwasser dieses Erfolgs kann man nur ersaufen. Ich habe große Angst um jüngere Kollegen, die glauben, dass die Tür jetzt offen ist. Wir werden die einzigen Bands sein, die diesen Erfolg haben werden. Man muss es sich selbst erarbeiten – ich würde dem ‚Hype‘ nicht trauen.
Wanda steht ja bekanntermaßen für Amore. Leider leben wir in nicht gerade liebenswerten Zeiten. Fremdenhass steht an der Tagesordnung. Wie kann man am besten etwas zu einer liebevolleren Welt beitragen?
Indem man bei jeder Gelegenheit von Amore singt. (lacht) Man muss den besonderen Wert eines Menschenlebens respektieren. Wir werden erkennen, dass Heimat kein Begriff ist, der jemand anderen ausschließen darf.
Wunderschöne letzte Worte. In diesem Sinne viele Amore und Baci, bis wir uns bei eurer Albumpräsentation im Oktober und im April in der Wiener Stadthalle wiedersehen.
Fotos (c) Thomas Unterberger