Das süße Nichts
Korn im Interview
Mit „The Nothing“ nehmen uns Korn mit auf eine Reise in ihr (und unser) Innerstes – gefüllt von Gut und Böse, Gewinn und Verlust, Hoffnung und Verzweiflung und einer Leere zwischen all den Gegensätzen, die dort kollidieren. Ziel: „Der Ort, an dem schwarze und weiße Energien sich um unsere Seelen legen, unsere Emotionen, Entscheidungen, Perspektiven und schlussendlich unsere Existenz als solche formen“. Geleitet von Frontmann Jonathan Davis haben wir diese Odyssee gewagt und in einem berührend ehrlichen Interview über den tragischen Verlust seiner Frau, die Dunkelheit, die darauf folgte, und die kathartische Funktion der Musik gesprochen.
Euer neues Album beschäftigt sich mit den verschiedensten Gegensätzen, die unsere Welt füllen. Wie kann ein Ort voller Emotionen als „das Nichts“ beschrieben werden?
Schwer zu erklären … ich verarbeite einfach sehr viele unterschiedliche Emotionen auf dem Album – im Besonderen den Tod meiner Frau. Ich fühle mich, als wäre ich mein ganzes Leben vom Schlechten verfolgt worden, doch das letzte Jahr war besonders beschissen. Es sind einfach so viele furchtbare Dinge passiert und ich habe mir die Frage gestellt: Wie werde ich bitte nicht verrückt? Wie schaffe ich es, nicht zu brechen und dann alles zu verlieren? Dieses Album aufzunehmen, war kathartisch für mich, um mich durch all diese furchtbaren Dinge zu einem inneren Nullpunkt zurückzuarbeiten. Ich denke, so lässt sich am ehesten „das Nichts“ beschreiben, das ich meine.
Unser aufrichtigstes Beileid! Ist „das Nichts“ in diesem Kontext dann etwas Gutes oder etwas Schlechtes?
Ich denke, es ist die Balance dazwischen. Eine Kraft in der Mitte, die dich sowohl in die eine Richtung als auch in die andere ziehen kann. Nenne es deine Vernunft, dein Gewissen, deinen inneren Ruhepol, was auch immer. In meinem Fall war es gerade bei dem Album eher dunkel dort – also eher auf der schlechten Seite. Und unsere neue Musik beschreibt einfach, wie ich mich da durcharbeite. Man kann den Schmerz auch wirklich hören.
Absolut! Liegt es deiner Meinung nach dann in unserer eigenen Verantwortung, diese Leere mit Licht zu füllen?
Ich denke, mit dem Licht muss man auch die Dunkelheit akzeptieren. In meinem Leben sind viele schlimme Dinge passiert, aber auch viele wunderschöne: meine Kinder, mein Beruf … aber mit all dem Positiven kommt auch immer etwas Negatives. Die Zeile, die mir nach Fertigstellendes Albums lange im Kopf blieb, war: „For everygood thing I’ve done, there is a price to pay“. Es ist, als ob es diese kosmische Macht gäbe, die alles wieder gleichstellt – wie eine Waage, die nie zu sehr in die eine oder andere Richtung kippen kann.
Kann uns Musik helfen, mit den negativen Seiten dieser Waage umzugehen?
Musik ist magisch! Musik ist moderne Zauberei. (lacht) Du nimmst etwas aus dem Nichts und verwandelst es in ein Musikstück. Musik ist das, was uns als Menschen verbindet – eine Sache, die uns zusammenbringt, auf die wir uns einigen können. Es hat zwar jeder einen anderen Geschmack, aber ich habe bis jetzt noch niemanden getroffen, der gar keine Musik mag. Sie bringt uns als Spezies zusammen, kann uns heilen und eine Art Erleichterung gewähren. Für mich persönlich ist Musik das Beste – besser als jede Droge, die ich je genommen habe.
Stichwort „Surrender To Failure“ … Denkst du, wir sind alle dazu verdammt, irgendwann zu scheitern?
Nein, aber für mich hat es sich teilweise so angefühlt, weswegen ich in diesem Song auch darüber singe. Ich habe so viel versucht, um meine Frau zu retten. Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand – und es war dennoch nicht genug. Sie ist dennoch gestorben und ich wusste einfach nicht, wie ich das meinen Kindern erklären sollte. Logisch gesehen weiß ich, dass das Geschehene nicht meine Schuld ist, aber das Gefühl, dass ich versagt hätte, dass ich ihre Probleme nicht für sie lösen konnte und sie im Stich gelassen habe, hat sich immer wieder eingeschlichen.
Das tut uns sehr leid! Doch wie können wir je frei sein?
Wenn du von etwas frei sein willst, dann musst du dich dem stellen. Du musst dich deinen Problemen stellen, sie akzeptieren, und dann erst kannst du dich weiterentwickeln. Ich habe Jahre gebraucht, bis ich das verstanden habe. Menschen wollen ihren Problemen aus dem Weg gehen – sie trinken, nehmen Drogen oder lenken sich anders ab. Aber nur, wenn man sich mit seinen Problemen beschäftigt, kann man sie bewältigen und loslassen. Und dann kann man frei sein.
„I tried too hard, I was too kind.“ – Kann man wirklich zu gut sein?
Auf einer persönlichen Ebene, gerade in meinem Fall – ja. Ich denke mir oft, dass ich nicht tough genug war, nicht genug liebevolle Strenge gezeigt habe. Früher habe ich mich oft gefühlt, als würde ich nicht genug Liebe geben, aber die Situationen im letzten Jahr haben mich wirklich fertig gemacht. Und vielleicht war ich zu gut oder auch zu gutgläubig, und dann kommt wieder dieses Schuldgefühl. Habe ich es einfach passieren lassen? Wäre ich wieder in so einer Situation, würde ich anders handeln – entweder die Person sucht sich Hilfe oder sie verschwindet aus meinem Leben, denn ich kann einfach nicht noch einmal so etwas durchmachen. Auf globaler Ebene glaube ich allerdings, brauchen wir mehr Liebe. Es passieren so viele schlimme Dinge jeden Tag – Güte, Empathie und einfach ein Grundrespekt für das menschliche Leben wären vermutlich mal angebracht.