Chase & Status im Interview: Die hohe Kunst der tiefen Bässe
Chase & Status beliefern Tanzflächen dieser Erde schon seit Beginn des 21. Jahrhunderts zuverlässig mit den fettesten Sounds in Sachen Drum’n’Bass und Dubstep. 2011 präsentieren die DJs und Produzenten Saul Milton und Will Kennard ihr neues Album ‚No More Idols‘, das deutlich hörbar bzw. spürbar eine extra frische Portion Bass zu bieten hat und Lust auf die dazugehörige Liveshow weckt – zum Beispiel am 8. April in der Wiener Arena. Saul Wilton im Interview über große Idole, koksende Moralapostel und wahre Fanliebe.
Euer neues Album heißt ‚No More Idols‘ – wer waren deine Vorbilder in jungen Jahren?
Kurt Cobain, Goldie, Andy C, Shy FX, Biggie Smalls und so weiter und so weiter. Ich könnte das ganze Interview lang Menschen aufzählen, die ich bewundere.
Nicht unbedingt das Spannendste – vielleicht kannst du dich ja noch erinnern, um die Einstiegsfrage abzurunden, wer dein persönlicher Cartoonheld früher war bzw. jetzt noch ist?
Als ich klein war, habe ich immer Dennis the Menace angeschaut und geliebt. Irgendwann hat es dann aber nur noch Musik für mich gegeben, dementsprechend leben auch alle meine Idole diese Leidenschaft.
‚No More Idols‘ – was hat euer Albumtitel konkret für eine Aussage?
Dieser Titel lässt sich natürlich unterschiedlich interpretieren, wir als Chase & Status wollen damit ausdrücken, dass wir keine unnahbaren Übermenschen sind, sondern uns auf dem gleichen Level wie unsere Fans bewegen. Uns verbindet alle die gemeinsame Liebe zur Musik, keiner ist dabei besser oder schlechter. Früher hat es noch richtige Idole bzw. Ausnahmeerscheinungen wie Jimi Hendrix, Elvis oder David Bowie gegeben – heutzutage gibt es wohl niemanden im Musikgeschäft, der an den Status dieser großen Persönlichkeiten herankommt.
Dafür habt ihr auf eurem neuen Langspieler viele erfolgreiche, begabte und angesagte Gastmusikanten eingeladen – zum Beispiel Cee-Lo Green, Tinie Tempah oder die Jungs von der Band White Lies – mit welchem Künstler hat die Zusammenarbeit am meisten gerockt?
Ich sage das nicht aus Höflichkeit: Alle Jungs und Mädels, mit denen wir zusammen an ‚No More Idols’gearbeitet haben, sind schlicht und ergreifend super Musiker. Ob junge Talente wie Clare Maguire oder Maverick Sabre , die eine große Zukunft vor sich haben, oder was die Kollaborationen mit unseren musikalischen Wegbegleitern Subfocus und MC Rage betrifft – wir wollen keine Sekunde von der gemeinsamen Zeit im Studio missen. Besonders lustig war es mit Liam Bailey, der einen köstlichen Humor besitzt und uns damit bestens unterhalten hat. Dementsprechend stolz sind wir auf den daraus resultierenden Song ‚Blind Faith‘.
Als erste Single habt ihr dennoch einen anderen Song ausgekoppelt. Im dazugehörigen Video zu ‚Let You Go‘ ist ein Talkmaster zu sehen, der untertags in seiner Show Leute öffentlich an den Pranger stellt und wegen unmoralischen Verhaltens verurteilt. In der Nacht allerdings ist er derjenige, der ‚Sex, Drugs and Rock’n’Roll‘ lebt. Habt ihr schon mal mit so einer Person zu tun gehabt?
Jedem von uns begegnen tagtäglich solche Menschen, die durch eine gespielte, übertriebene Scheinheiligkeit ihre seelischen Abgründe verbergen wollen und dabei andere Menschen ganz bewusst denunzieren, um von sich abzulenken. Wer zum Beispiel im Fernsehen bzw. öffentlich für Anstand und Moral predigt, ist noch lange kein gestandener Prediger. Und darum geht es uns: Wer frei von schuld ist, der werfe den ersten Stein – leider haben diesen Satz nur die wenigsten anscheinend verinnerlicht, denn die meisten werfen weiter wie wild drauf los. Beispiel gefällig? Einfach Ferseher anschalten und auf die nächst beste Talkshow zappen…
Eine indiskrete Frage, weil in dem Video zu ‚Let You Go‘ ordentlich gekokst wird: Ist ein Leben im Showgeschäft ohne Drogen überhaupt möglich?
Chase & Status brauchen keine Drogen. Klar habe ich auf meinen ersten Raves auch das eine oder andere Mal etwas Berauschendes ausprobiert. Die Zeiten sind aber schon lange vorbei. Sicherlich gibt es in der Musik- bzw. Medienbranche genügend Leute, die am Zeug sind – an diesem allgemeinen Vorurteil ist definitiv was dran. Jedoch kann ich das von uns beiden bzw. unseren Berufskollegen nicht behaupten.
Brav! Ihr seid mit Drum’n’Bass groß und bekannt geworden – wie würdet ihr euren heutigen Musikstil selbst beschreiben?
Wir stehen nach wie vor für Drum’n’Bass mit kleinen Nuancen aus Dubstep und Breakbeat. Das Gute daran ist, dass diese Musikstile ständig in Bewegung sind bzw. sich über die Jahre hinweg permanent weiterentwickelt haben – vor allem im Musikmutterland Großbritannien. Darum würde ich unseren heutigen Sound als UK Bass deklarieren, um den ganzen Einflüssen, die wir hier aufnehmen und verarbeiten, gerecht zu werden.
Mal eine Frage am Rande: Chase & Status waren Anfang des Jahres auf ausgedehnter Tournee durch das Vereinigte Königreich, alle Shows waren im Vorfeld restlos ausverkauft – wie fühlt es sich an, loszufahren und zu wissen, dass jeder Konzertabend ein Erfolg wird?
In einem Wort: großartig! Es ist natürlich eine wunderbare und sehr ehrliche Bestätigung für etwas, an dem wir über Jahre hart und leidenschaftlich gearbeitet haben. Aber wir wissen natürlich auch, dass Chase & Status ohne Fans nicht da wären, wo sie bzw. wir heute sind. Darum ein großes Dankeschön an alle da draußen, die den Spirit leben.
In Österreich habt ihr ebenfalls eine treue Fangemeinde, habt in den vergangenen Jahren mehrmals in Wien, Linz und Graz aufgelegt – auf was freut ihr euch jetzt, wenn ihr mit eurer Band plus neuem Album 2011 zurück in die Alpenrepublik kommt?
Wir spielen am 8. April in der Arena. Der Ort, an dem ich vor vielen Jahren meine fulminante Österreichpremiere als DJ feiern durfte. Den Abend werde ich nie vergessen, vor allem die Arena als Venue ist abgefahren – ein ehemaliger Schlachthof. Wo sonst gibt es das auf der Welt? Wien, nur du allein! Also stehen die Zeichen mehr als gut, dass dieser erste offizielle Konzertabend mit Chase & Status unvergesslich wird. Die Bühnenshow ist live und fett, unsere Band topfit und wir freuen uns darauf, mit unserer neuen Platte zurück an einem sehr vertrauten Ort zu kommen.
So soll es sein! Alles Gute bis dahin und bis bald in der Arena.