Di, 17. Sep 2024

"Bis zur nächsten Probe kann sich alles wieder geändert haben"

Interview mit HUAT

 

Bodenständigkeit des Ennstals meets Kreativsein in Graz meets Stimme von Led Zeppelin: raus kommen HUAT.

Das 2024 erschienene, DIY-produzierte Debütalbum „Weidagånga“ der Rock & Blues-Dialektband sprüht trotz autobiografischer Schwere unverkennbar vor Lebensfreude und Tatendrang. In seinen Texten befasst sich Frontmann Marco Hutegger mit Verlust, Liebe, Weltschmerz, Wiederaufrichten und den beachtenswerten Momenten des Daseins. Wenn dann Bluesharp auf Gitarre und Mundharmonika auf intensiven Dialektgesang treffen, klingt das auf wohlig-originelle Weise nach Vertrautheit – mit viel Potential zum Längerwähren. HUAT ist wie ein Spätsommerabend am Grazer Lendplatz: gesellig, spritzig und voll mit erinnerungswürdigen Geschichten.

 

©Mark Morgan

Zum Album „Weidagånga“: Was bedeutet der Titel „Weidagånga“ für euch und wie repräsentiert er das Album?

„Weidagånga“ ist ein Begriff, der tief in unserer Bandgeschichte verwurzelt ist. Es begann alles 2015, als auf einem Plakat „Weidagånga, weidagspüt“ stand, nachdem unser Drummer tragisch verstarb und wir in tiefer Trauer zu dritt eine Releaseshow spielen mussten. Dieses Weitergehen trotz Schicksalsschlägen wurde zum Herzstück des Albums – das Konzept des Albums entstand Song für Song. 

Das klingt sehr konkret durchdacht?

Ich wusste zumindest genau, wo ich mit dem Album hin will. Von da an entwickelte sich das Thema des Albums: Die ersten fünf Lieder handeln von Depression, Trauer und Schmerz. Sie sind ein Spiegel meiner eigenen Erfahrungen mit Verlust und der emotionalen Achterbahn, die damit einhergeht. Man darf trauern, man muss zuerst den Schmerz zulassen. Ab der sechsten Nummer ändert sich der Ton des Albums. Es geht ums Leben selbst, um gesellschaftliche Themen, aber es ist voller Tatendrang, nicht traurig. Wir nehmen zum Beispiel auch Stellung gegen Rechtsextremismus, ohne konkret eine politische Band sein zu wollen. 

„Es geht ums Leben selbst, um gesellschaftliche Themen, aber es ist voller Tatendrang, nicht traurig.“

Auch Liebe und ihre Facetten finden Platz – „Boomerang“ etwa behandelt das Ende einer Beziehung. Mein erstes Gedicht über Verlust wurde zum Lied „Erli“, und so entwickeln sich viele meiner Songs – aus dem Leben gegriffen und tief empfunden. 

Auch deine Urgroßmutter ist vertreten?

 

Ja! Ein besonderes Zuckerl am Album ist “1921”, basierend auf einem Gedicht meiner Urgroßmutter aus diesem Jahr. Mein Opa hat es vor Jahren auch schon auf seine Weise interpretiert. Es reflektiert die Zwischenkriegszeit, eine Epoche, in der Hoffnung schwer zu finden war – viele fanden sie im Glauben. Dieses über hundert Jahre alte Gedicht in Musik zu verwandeln, war eine Brücke zwischen den Generationen und zeigt, dass gewisse menschliche Erfahrungen zeitlos sind. 

Ihr habt euch entschieden, im Dialekt zu singen. Wie war die Reise bis dahin?

Meine musikalische Laufbahn begann ja englischsprachig bei der Band Buttons, wo ich zusammen mit dem heutigen Drummer von Amanda/Stiller gespielt habe. Nach dieser Zeit ging es weiter mit meinem Projekt ‚A Walk in a Park‚, das ich schon in Graz ins Leben rief. Anschließend war ich Sänger bei Sounddealer – bevor ich mit HUAT anfing.

In einer Zeit, als Bands wie Bilderbuch und Wanda die Dialekt-Welle lostraten, dachte ich mir, es wäre schon cool, auf dieser mitzureiten. Dabei war mir wichtig, nichts zu überstürzen und meine Musik wohlüberlegt zu veröffentlichen – es war alles sehr durchdacht.

©Mark Morgan

Welche Vor- oder Nachteile von Dialekt siehst du?

Dialekt bringt viel Authentizität, weil man Dinge genau so sagen kann, wie man sie im echten Leben sagen würde. Es ist auch eine Herausforderung – in Englisch kann man Töne leichter halten, dagegen ist im Dialekt eher schnell die Luft raus. Das ist, was mir persönlich auffällt. Aber ich liebe es, die Energie und Emotion unserer steirischen Mundart einzufangen – man merkt richtig, wie es aus einem raussprudelt.

Euer Debütalbum habt ihr komplett DIY produziert. Welche Herausforderungen gab es dabei?

Die DIY-Produktion unseres Debütalbums war klarerweise als Ganzes eine Herausforderung, da wir ohne Labelunterstützung alles selbst gestemmt haben  – von der Organisation über die Finanzierung bis hin zum Marketing. Mit Daniel Vitar als Tontechniker konnten wir unsere Vision dann genau verwirklichen – viel Arbeit war es trotzdem.

Welche Aufgabe würdest du am liebsten abgeben?

Besonders Promotion auf Social Media war für mich Neuland und erforderte eine harte Eingewöhnungsphase – die noch immer anhält. Social Media ist für mich ein notwendiges Übel in der heutigen Musiklandschaft. Gestern hatte ich ein spannendes Gespräch darüber, dass Ereignisse scheinbar keine Relevanz haben, wenn sie nicht geteilt werden – ein wirklich interessanter und nicht allzu schöner Ansatz. Für uns bleibt es eine Gratwanderung, die Präsenz auf Social Media zu wahren, ohne dass es unsere kreative Energie zu sehr beansprucht. Trotz der vielen Hüte, die wir tragen müssen, wird die Musik immer unsere Hauptpriorität sein. 

©Mark Morgan

Du hast eine klare Vision für HUAT. Wie gehst du das Teambuilding an und wie stellst du sicher, dass alle Bandmitglieder deine Vision teilen?

Teambuilding ist der Kern unserer Banddynamik – ohne geht es nicht. Ich habe bewusst Leute um mich gesammelt, die nicht nur musikalisch talentiert sind – sie sollten auch meine Vision verstehen und teilen. Es gab Zeiten, in denen wir oft Schlagzeuger wechseln mussten, bis wir die richtige Chemie gefunden haben. Mittlerweile sind wir ein starkes Team, das sich gegenseitig unterstützt. Jeder von uns bringt seine eigene Welt mit – am Ende des Tages geht es aber darum, die Vision für HUAT zum Leben zu erwecken – und das schaffen wir nur zusammen. 

„Ich habe bewusst Leute um mich gesammelt, die nicht nur musikalisch talentiert sind, sondern auch meine Vision verstehen und teilen.“

Ich bin kein ausgebildeter Musiker, sondern habe mir alles selbst beigebracht – deswegen setze ich lieber auf ehrliche Begeisterung statt technische Perfektion. Meine musikalische Erfahrung kommt aus dem Bandkontext und meinem Lehramtsstudium. Das hilft uns, freundschaftlich und doch professionell zusammenzuarbeiten. Mein liebster Workflow.

Was glaubst du, wie ist es, mit dir zusammenzuarbeiten?

Ich bin ja gleich mit dem Ansatz „ich bin der Huat, ich treffe die Entscheidungen“ reingegangen. Offen für Diskussionen im Bandraum bleibe ich eh immer – und ich glaube, das hat auch allen getaugt. Meine Freund*innen und Bandmitglieder finden es wahrscheinlich interessant, mit mir zu arbeiten, weil ich einen sehr spontanen Ansatz beim Songwriting verfolge – auch der Zufall spielt bei meiner Art zu schreiben eine große Rolle. Aus diesen Zufällen können sich dann konkrete Pläne entwickeln. Neben dem Leben lasse ich mich zudem von meinen musikalischen Vorbildern inspirieren, wie Led Zeppelin oder Jack White. 

„Ich bin der Huat, ich treffe die Entscheidungen.“

Natürlich kennen wir alle auch Schreibblockaden und wie stark unsere Lebensumstände den kreativen Prozess beeinflussen können. Oft starte ich mit einem Gefühl oder einer Idee und wenn ich neue Inputs brauche, arbeite ich oft mit der Band im Proberaum. Anfangs ist es viel Kopfarbeit, dann gehe ich spazieren und lasse Ideen kommen – bis zur nächsten Probe kann sich wieder alles geändert haben. Ich möchte dazu Jack White zitieren: „Let the music tell you what to do.“ Das fasst meinen Ansatz gut zusammen – ich lasse mich von der Musik leiten und bleibe offen für den kreativen Fluss. 

Ihr hattet dieses Jahr so einige Auftritte und seid alle live bereits versiert: Wie hat euch das gemeinsame Spielen geprägt?

Live zu spielen ist eine riesige Freude und erfordert um einiges mehr an Disziplin, als es auf der Bühne wahrscheinlich den Anschein macht. Wir haben gelernt, uns aneinander anzupassen und unsere Fähigkeiten voll auszuschöpfen. Regeln wie nüchtern zu bleiben sind wichtig – sobald das Auto eingeladen ist, ist Zeit zum Feiern.

Zum Tour-Video

Graz ist nicht nur eure Wahlheimat, sondern scheint auch eine besondere Rolle für HUAT zu spielen. Wie hat die Stadt euch beeinflusst und geprägt?

Das künstlerische Klima in Graz hat einen enorm positiven Einfluss auf unsere Entwicklung als Band gehabt. Graz ist eine Kulturstadt, die eine Vielfalt an Musikrichtungen und Szenen bietet. Wir haben das Glück, in so ziemlich jedem Bereich Kontakte zu haben, was für eine Band unglaublich wertvoll ist. Die Locations hier sind erstklassig und die Veranstalter unterstützend, was uns die Möglichkeit gibt, unsere Musik in der besten Weise zu präsentieren. Festivals wie Styrian Sounds, Griesgram, Zinzengrinsen oder Lendwirbel fördern die lokale Musikszene und bieten Plattformen für Künstlerinnen und Künstler, um ihre Werke einem breiteren Publikum vorzustellen. Im Vergleich zu meiner Zeit in Salzburg, wo mir die Szene weniger alternativ und nicht so vielseitig erschien, fühlt sich Graz einfach richtig an.