Am Zenit

Am Zenit

RAF Camora im Interview

Was macht man, wenn man in zehn Jahren sechs Studioalben, 42 Singles und 41 Videos veröffentlicht hat und damit eine Milliarde Streams auf Spotify, 250 Millionen Klicks auf Youtube sowie 30 Gold-, zehn Platin- und eine Diamant-Platte verzeichnen kann? Richtig: einen Cut! Warum er sich am sprich- und wortwörtlichen „Zenit“ als RAF Camora zurückzieht und wieso es danach erst richtig losgeht, erklärt Raphael Ragucci höchstpersönlich.

Wann hast du beschlossen, dass „Zenit“ dein letztes Album wird?

Schon bei „Nächster Stopp Zukunft“ 2009 war mir klar, dass diese Zukunft ungefähr zehn Jahre später kommen soll. Irgendwie hat sich das dann so gefügt. Um ehrlich zu sein, hätte ich rückblickend nicht so ein großes Ding daraus gemacht. Bei „Zenit“ sollen die Leute nicht daran denken, dass es mein letztes Album ist, sondern sie sollen sich auf das Album konzentrieren, freuen und einfach mit mir diesen Höhepunkt erleben.

Wie hast du dir die Zukunft 2009 vorgestellt?

Die Zukunft habe ich mir damals tatsächlichso wie „Zenit“ vorgestellt: irgendwo auf einer krassen Skyline – weit weg von dem ganzen Rest. In einem Studio, aus dem ich Blick auf die Skyline oder aufs Meer habe. Ich muss Gott danken, denn das ist das, was wir jetzt gerade haben. Einerseits habe ich das Album zum Teil in Barcelona aufgenommen – mit Blick auf den Horizont, anderseits zum Teil im Wiener Sofitel – mit Blick auf ganz Wien. Die Zukunft ist so geworden, wie ich sie mir gewünscht habe. Dafür bin ich jeden Tag unglaublich dankbar.

Was haben „Nächster Stopp Zukunft“ und „Zenit“ gemeinsam?

Wenn ich die beiden miteinander vergleiche, würde ich gerne sagen, es gibt viele Gemeinsamkeiten. Doch die Zeiten haben sich geändert. Es ist zehn Jahre später. Wenn ich sagen würde, dass der Sound immer noch ähnlich ist, dann wäre das kein gutes Zeichen. Allerdings sind die Richtung und die Vision immer noch die Gleichen. Ich war bei „Nächster Stopp Zukunft“ natürlich viel deeper. Was nicht heißt, dass ich heute nicht mehr nachdenke. Im Gegenteil – ich denke heute noch viel mehr nach als damals, aber ich bin mit der Musik gewachsen. Musik vermittelt so viele Emotionen, dass es nicht unbedingt einen Satz braucht, um etwas auszudrücken. Ich glaube, du kannst mit ganz einfachen Worten und mit der Art, wie du etwas sagst, singst und produzierst eine Emotion hervorrufen. Seit den letzten Alben habe ich den Dreh raus, wie man eine Emotion hervorruft, ohne zu viel darüber zu sprechen.

(c) Pascal Kerouche

Apropos „Zenit“ … welchen RAF Camora kriegt man darauf zu hören?

Für die einen steht RAF Camora für gute Laune, Club- und Palmenmusik. Für die anderen ist RAF Camora der deepe, depressive, düstere, schwarze Rabe. Das passt normalerweise überhaupt nicht zusammen, ist aber auf „Zenit“, genauso wie auf meinen anderen Alben, beides vorhanden. Es gibt zum einen echt düstere Nummern und zum anderen auch tanzbare Songs, die nach vorne gehen. Ich glaube aber, dass ich auf diesem Album beides noch besser miteinander verbinden konnte, weil ich mehr Zeit hatte. Es gibt einen roten Faden, deshalb finde ich die Mischung auf „Zenit“ einfach perfekt.

Wie sehr hat sich RAF Camora seit 2009 vielleicht auch verändert?

Er ist auf jeden Fall zehn Jahre älter geworden – in vielerlei Hinsicht. Mich kann mittlerweile wenig aus der Bahn werfen. Ich bin dankbar, dass ich die zehn Jahre so erlebt habe, wie ich sie erlebt habe. Ich hatte auch unglaubliche Tiefs in dieser Zeit und habe sie überstanden. Dadurch habe ich eine dicke Haut bekommen. Ich trage sozusagen eine Rüstung – und die kaputtzumachen, ist fast unmöglich.

Was hat dir all die Jahre geholfen, dich nicht zu verlieren?

Dass ich mich immer wieder daran erinnere, warum ich der bin, der ich bin. Ich erkläre das auch in dem Song „Kreiert“. Mein Viertel Fünfhaus hat mich kreiert. Da bin ich aufgewachsen. Meine Straßen haben mich zu dem gemacht, der ich bin. Bonez MC und 187 Strassenbande haben mich kreiert, weil durch die ist der Durchbruch gekommen. Ich werde auch niemals vergessen, dass das Publikum mich kreiert hat. Ich werde für immer dankbar sein und nie vergessen, woher ich komme … deswegen kann ich mich nicht verlieren, weil ich weiß, was war.

Und warum willst du deine Karriere nun aufihrem Höhepunkt beenden?

Ich habe schon viele Leute gesehen, die nicht wussten, wann sie besser aufhören sollen … und dadurch haben sie sich alles kaputtgemacht. Ich weiß ganz genau, dass ich diesen Punkt erreicht habe und dieser Punkt ist mir hoch genug. Es ist der höchste Punkt, den ich erreichen wollte. Deshalb sage ich im Intro von „Zenit“ auch: „Karriereende niemals! Erst jetzt beginnt die Party!“ Es ist für mich kein Karriereende – im Gegenteil: Jetzt geht’s erst los! Doch es kann nur losgehen, indem ich einen Schnitt mache. Durch den Schnitt schenke ich mir die Möglichkeit, etwas Neues zu beginnen – etwas, das vielleicht noch größer werden kann; etwas, das mich vielleicht noch mehr erfüllt.

Hast du schon Angst vor deinem letzten Konzert?

Ich freue mich darauf, weil ich einfach weiß, dass ein neues Kapitel meines Lebens beginnt. Ich merke das jetzt auch in Barcelona, wo ich in der Nebensaison herumspazieren kann, ohne dass man mich erkennt. Erst dann bin ich ich selbst. Jemand ist höflich zu mir oder lächelt mich an, weil er oder sie mich sympathisch findet – und nicht, weil sie wissen, dass ich RAF Camora bin. Das RAF Camora-Ding ist einfach weg. Darauf freu ich mich unglaublich, weil ich dann wieder ich selbst sein kann.

Zum Schluss: Was kommt nach dem „Zenit“?

Ein Traum, den ich mir erfüllen will, ist auf jeden Fall ein Haus am Strand. Ich weiß nochnicht, ob in Spanien, Süditalien oder Kroatien… aber ich will ein Studio mit Blick aufs Meer. Ich will meine Familie so haben, dass die wirklich alle zusammen sind. Ich will auch selber unbedingt eine Familie gründen. Außerdem will ich mich musikalisch weiterentwickeln, sodass ich vielleicht noch erwachsener werden kann und noch mehr Energie in meine Kunst reinstecken kann, weil es jetzt nicht mehr so wichtig ist, damit Geld zu machen. Das spielt für mich nicht mehr so eine große Rolle – Gott sei Dank! Der Erfolg ist da und ich brauche keine dritte Rolex und keinen zweiten Ferrari – das ist mir alles egal! Ab jetzt geht es eher darum: Was will Raphael Ragucci erreichen? Was sind meine persönlichen und mentalen Ziele? Das sind die großen Pläne!

Wir wünschen dir nur das Beste und freuen uns aufs FQ20!

Quelle: Red Bull

 

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