Alt-J im Interview: Melancholie aus dem Badezimmer
Alt-J stammen aus der Ecke ‚Bands mit etwas seltsamen Namen‘, denn das britische Quartett heißt eigentlich ∆ – also Delta. Das war ihnen allerdings zu langweilig, deswegen lassen sie sich wie den passenden Mac-Tastaturbefehl aussprechen. Ein bisschen Hipster, aber das Endprodukt ist ‚Trip-Folk‘, der sich hören lassen kann – obwohl er auf dem Klo geschrieben wird.
Euer Bandname steht für den Tastaturbefehl, der ein Delta erstellt. Welchen anderen Befehl würdet ihr gern im echten Leben benutzen können?
Gwil: Apfel & Z … ‚rückgängig machen‘.
Joe: ‚Copy & Paste‘. Wenn du was siehst, das du haben willst, könntest du es einfach kopieren und behalten. Zum Beispiel Essen. Das macht mich vielleicht ein bisschen materialistisch, aber das ist schon okay. Ich mag Dinge, vor allem neue Dinge.
Gwil: Stimmt. Und es müssen ja nicht gleich Diamanten sein, die du copy & pastest.
Joe: Das wäre aber eine gute Idee. Damit könnte man einen Haufen Geld machen. Aber ich würde auch einfach nur Big Macs kopieren. Wenn nicht ‚Copy & Paste‘ würd ich mir ‚Control & Delete‘ aussuchen. Das ist ganz schön viel Macht. Stell dir mal vor, du könntest sogar jemanden ‚beenden‘. Oder einfach schnell aus einer Situation rauskommen.
Gwil: Ich fänd’s toll, wenn ich von etwas, das ich grade sehe, eine Art Screenshot machen könnte. Ganz ohne Kamera. Den perfekten Moment haben und nie wieder vergessen, weil er gespeichert ist.
Joe: Ich glaube, mehr Tastaturbefehle kenne ich auch gar nicht (lacht).
Alt-J ist euer dritter Bandname. Davor wart ihr ‚Daljit Dhaliwal‘ und ‚Films‘. Wie kam’s?
Joe: Das erste Mal als wir uns umbenannt haben, war es einfach eine praktische Sache. Es war nicht einfach, ‚Daljit Dhaliwal‘ zu schreiben und auszusprechen – weder für uns noch für andere. Aber der erste Namenswechsel war nicht stressig, kein Druck dahinter. Es war bloß praktischer und wir wurden zu ‚Films‘, weil wir den Namen mochten. Aber es gibt eine Bands namens ‚The Films‘ und wir mussten ihn wieder ändern. Dann wurde es stressig.
Gwil: Damals haben wir gerade angefangen, einen Haufen Auftritte zu bekommen. Und eine Zeit lang wurden wir als ‚Alt-J, früher bekannt als Films‘ angekündigt und das war ziemlich schräg. Die Leute hatten unsere Songs gerade erst gefunden – kein guter Zeitpunkt für einen neuen Bandnamen. Aber im Endeffekt war auch das kein Problem.
Ist es wahr Joe, dass du Alt-J Songs wirklich im Badezimmer schreibst?
Joe: Wenn ich mich entspannen will, dann spiele ich Gitarre. Meistens auf dem Klo, während die Badewanne voll läuft. Auf vielen meiner Demoaufnahmen kannst du das fließende Wasser im Hintergrund hören. Mich beruhigt das. Und es ist einfach so, dass die Akkustik im Badezimmer großartig ist.
Funktioniert das nur in deinem eigenen Badezimmer oder geht’s auch unterwegs?
Joe: Ich kann es auch in Hotels, kein Problem.
Eure Lieder sind voll mit Film- und Buchreferenzen. ‚Matilda‘ basiert auf dem Film ‚Léon der Profi‘, ‚Breezeblocks‘ enthält Zitate aus dem Kinderbuch ‚Wo die wilden Kerle wohnen‘, um nur zwei zu nennen. Wie funktioniert das? Ihr seht oder lest etwas und denkt euch: ‚Das muss ein Song werden‘?
Gwil: Früher hatte Joe ein kleines Buch, in das er solche Sachen ständig reingeschrieben hat.
Joe: Mittlerweile tippe ich alles in mein iPhone. Aber es funktioniert noch immer gleich. Ich stolpere über etwas – das können auch nur ein paar Wörter sein – und bleibe hängen, denke drüber nach. Gerade vorhin habe ich etwas über schwarzen Vulkansand gelesen und das Bild ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe überlegt, wie er sich anfühlen würde, zum Beispiel wenn du die Hand von jemandem hältst und der Sand dazwischen ist. Und das Kopfkino schreib ich dann kurz nieder. Was draus wird, ist dann eine andere Sache.
Wärt ihr als Filmfans gerne auf einem speziellen Soundtrack vertreten gewesen?
Joe: Schwer zu sagen. Unsere Lieblingsfilme haben großartige Soundtracks, ich weiß nicht ob wir dazugepasst hätten. Einer fällt mir ein … ‚Duell‘, der erste Spielfilm von Steven Spielberg. Ein Autofahrer wird auf einem Highway von einem Truck verfolgt, es sitzt aber niemand drinnen.
Gwil: Es klingt nach ziemlichem Müll, aber der Film ist großartig.
Joe: Ich weiß nicht, ob er einen Soundtrack hatte, aber dazu hätte ich gerne einen Song geschrieben. Oder für Paddy Considines ‚Tyrannosaur‘, der letztes Jahr rauskam. Der Film spielt in Leeds, es geht um häusliche Gewalt. Der Soundtrack ist wundervoll und ich denke, da hätte ich gerne etwas beigesteuert.
Das sind beide ziemlich beängstigende, dunkle Filme …
Gwil: Es ist einfacher, dunklere Songs zu schreiben, weil dann vermeidest du, schmalzig zu werden. Ich denke, das ist das Schwierigste in der Musik – nicht zu dick aufzutragen oder zu lalala-fröhlich zu sein.
Joe: Genau. Immer, wenn ich versuche einen Song zu schreiben, der nicht von etwas Traurigem handelt, fällt mir Cindy Laupers ‚Girls Just Wanna Have Fun‘ ein. Das ist das fröhlichste Lied, das ich jemals gehört habe und ich könnte mich niemals damit messen. Cindy Lauper ist nicht zu schlagen.