Alles für alle
Frittenbude im Interview
Seit nunmehr 13 Jahren kämpfen Frittenbude mit ihrer lebenslustigen Rebellion gegen die Erkenntnis an, dass das Leben nicht immer schön ist und dennoch zelebriert gehört. Ihre Leitwerte dafür: DIY, Haltung beweisen und kein Applaus für Scheiße! Damit machen sie auf Album Nummer Fünf erneut alles richtig. Neben „Rote Sonne“ waren auch das Parteiprogramm Frittenbude, schwarzer Humor und zahlreiche Filmempfehlungen Thema im sympathischen Gespräch mit Jakob, Johannes und Martin.
„Rote Sonne“ ist ein bedeutungsvoller Begriff und kann sowohl als gutes als auch schlechtes Omen interpretiert werden. Mein erster Gedanke zum Albumtitel war zum Beispiel die Szene aus Herr der Ringe: „Eine rote Sonne geht auf. Heute Nacht wurde Blut vergossen.“ (Legolas, Herr der Ringe – Die zwei Türme). Woher kommt der Name und was bedeutet er für euch?
Jakob: Diese Referenz hatten wir bis jetzt noch nicht. Da sind wir selber gar nicht draufgekommen, klingt aber auch spannend. Eine rote Sonne muss aber nicht zwingend negativ sein, sie hat verschiedene Deutungen. So ein Sonnenuntergang ist zum Beispiel etwas sehr Schönes. Die Farbe Rot hat ja auch verschiedene Bedeutungen: Sie wird oft mit Liebe verbunden oder mit Revolution. In unserer Münchner Zeit sind wir in einem Club ein und aus gegangen, der hieß „Rote Sonne“, und das hat uns geprägt. Es gab auch einen Film in den 70er Jahren mit Uschi Obermaier, der „Rote Sonne“ hieß.
Johannes: Der wird immer als Trash-Film bezeichnet. Er spielt in der Münchner Szene Ende der 60er Jahre und es geht um eine männermordende Frauen-Kommune. Es ist ein ganz bunter Film, weil die einfach dort gefilmt haben, wo sie gerade waren. Er ist ganz hell, grell und bunt. Der Club selber ist eben auch nach diesem Film benannt. Für uns vereint dieser Begriff einfach ganz viele Themen, die auf dem Album vorkommen, wie die Nacht, die Sucht, die Liebe, die Revolution.
Der Titel „KillKillKill“ endet mit der bekannten Aussage „so geht die Freiheit zu Grunde – mit donnerndem Applaus“ aus einer Star Wars Szene, die die imperiale Machtübernahme zeigt. Wieso habt ihr genau diese Aussage gewählt?
Johannes: Weil sie sehr gut zur jetzigen Zeit passt. Viele Demokratien werden gerade zu Diktaturen umgebaut und dem großen Bruder USA geht es zur Zeit auch richtig schlecht. Wenn du Österreich nimmst oder Deutschland, bei uns herrscht ein massiver Rechtsruck. Viele Leute in Deutschland können sich zum Beispiel einen starken Mann an der Macht vorstellen. Das ist beängstigend, wenn man sich unsere Geschichte ansieht.
Jakob: Manche Leute wollen einfach die Welt brennen sehen. Sie haben so verworrene Vorstellungen, dass sie selbst dann noch applaudieren. Fängt beim Brexit an, geht bis zum Klimawandel.
Ihr habt früher selbst gesagt, dass Politik bei euch nie der Motor war, dennoch seid ihr immer wieder aktiv und habt auch auf dem neuen Album wieder politische Texte – was hat sich verändert?
Jakob: Für uns hat sich eigentlich nur verändert, dass quasi der größte Teil der Menschen klarer wahrnimmt, was eigentlich schon lange Sache ist. Die Tatsache, dass einfach ein gewisser Teil der Menschen in Deutschland, aber auch hier in Österreich, rechts ist oder rechtes Gedankengut teilt. Die Wahrnehmung dazu hat sich verändert, das Problem war aber auch schon da, bevor es thematisiert wurde. Für uns jetzt speziell beim Musikmachen hat sich nichts geändert, oder?
Martin: Umso älter man wird, umso intensiver spielt Politik eine Rolle. Man ist kein naives Kind mehr, Mama und Papa sind nicht mehr da und man muss sich selbst mit Dingen auseinandersetzen. Ich glaube, jeder gewinnt immer mehr Erfahrungen dahingehend, was Politik ist oder sein kann. Deswegen denke ich, je älter man wird, umso mehr sollte man sich auch damit beschäftigen.
Johannes: Es ist leider das, was viele Leute im Alter nicht machen – je älter sie werden, desto mehr ist es ihnen egal. Wenn sie jung sind, haben sie den Drang, etwas zu bewegen, und im Alter haben sie dann nichts verändert und geben auf. Das sollte man einfach nicht tun. Wenn man für irgendwas ist, muss man auch dafür einstehen – koste es was es wolle, bis zur letzten Kugel.
Ihr drei seid euch laut eigener Aussage politisch gesehen ja nicht immer komplett einig. Wenn ihr euch jedoch auf die drei wichtigsten Punkte für das Wahlprogramm der Partei Frittenbude einigen müsstet, was wären diese?
Johannes: Das wäre fast schon ein kommunistisches System. Alles für alle und keine Grenzen. Natürlich ist ein Zuhause für jeden wichtig, aber es muss ja nicht unbedingt mit einer Heimat verbunden sein. Jeder kann an irgendeinen Ort der Welt ein Zuhause finden und dort glücklich sein. Gerade auch Leute, die auf der Flucht sind. Sie verlassen ihr Land ja nicht, weil sie keinen Bock mehr auf das Land haben, sondern aus den unterschiedlichsten Gründen. Deswegen finden solche Leute dann auch in der Fremde ein Zuhause – das ist wichtig.
Jakob: Na, halt keine Nazi-Scheiße!
Martin: Globale Gerechtigkeit ist auch wichtig für die Zukunft. Wenn man das nicht gebacken kriegt, dann sieht es ganz düster aus. Ich glaube, unterm Strich gehören auch die Reichen viel härter besteuert – es ist wichtig den Reichtum umzuverteilen.
Johannes: Bedingungsloses Grundeinkommen und freier öffentlicher Nahverkehr.
Jakob: Und Drogen für alle! (lacht) Nein, Spaß bei Seite, am besten so, dass jeder sein Potenzial ganz ausschöpfen kann.
Johannes: Ich würde mal sagen, „Alles für alle“ ist unser Wahlslogan.
2015 habt ihr noch gemeint, dass wir vermutlich bereits die Spitze an Fremdenfeindlichkeit erreicht haben. Doch eigentlich kommt es einem so vor, als würde es immer weiter bergab gehen, oder?
Johannes: Die hässliche Fratze zeigt ihr Gesicht halt immer weiter, oder? Man dachte ja auch, es kann nicht mehr schlimmer werden, als Georg W. Bush der Präsident der USA war – aber zehn Jahre später: Donald Trump.
Martin: Oder der neue Präsident in Brasilien. Es geht immer noch weiter abwärts gerade … aber vielleicht geht es ja auch bald wieder aufwärts. Die Hoffnung besteht zumindest, doch im Moment ist halt alles nicht so geil.
Johannes: Wir sind in unserer Generation damit aufgewachsen, dass es immer besser wurde, immer mehr – mit so einem Gefühl, dass alles immer freier wird. Es gibt ganz viele Länder, in denen das nun rückläufig ist. Ich meine, die Krise ist in Österreich und in Deutschland noch gar nicht angekommen, trotzdem gibt es bereits einen riesigen Rechtsruck. Ich will gar nicht wissen, was in Deutschland los ist, wenn die Krise dann da ist. Denen geht es ja gut, aber sie sind trotzdem dermaßen unzufrieden und so voller Hass auf alles Fremde und voller Angst vor allem Fremden.
Martin: Es sind alle bereits komplett durchgedreht bei dieser Flüchtlingskrise – überleg mal was passiert, wenn es immer heißer wird und die Klimaflüchtlinge losziehen. Dann wird alles zehnmal heftiger, und das will gerade noch keiner so wirklich wahrhaben.
Jakob: Ich denke, dass ist gerade eines der größten Probleme: Keiner hat mehr Bock auf Fortschritt, weil einfach nur schwarz gemalt wird. Es kommt die nächste Wirtschaftskrise, es kommt die Klimakatastrophe, es kommt die gesamte Völkerbewegung. Es gibt überhaupt kein positives Bild, keine Utopie. Das war in den 90er Jahren eher anders – da hatten die Leute noch Bock auf Fortschritt und auf die Zukunft.
Johannes: Ja, aber du darfst das auch nicht verwechseln – den Unterschied zwischen Bock auf Fortschritt und der Angst vor Veränderung.
Jakob: Das stimmt schon und hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass die Leute eher nach hinten blicken und meinen, es soll alles so bleiben – dieser ganze AfD-Kram halt. Das ist vielleicht eine Erklärung von mehreren, da kommt viel zusammen. Alles, was eigentlich noch kommt oder prophezeit wird, kann ihrer Meinung nach nur noch schlechter werden, als das, was wir jetzt haben.
Martin: Letztendlich fehlen eben die positiven Utopien für die Zukunft.
Ihr schafft es immer wieder, ernste Themen in ein leichtes, lockeres Gewand zu packen, wie zum Beispiel in „Die Dunkelheit darf niemals siegen“. Wie behaltet ihr euch euren Humor?
Johannes: Der beste Humor ist schwarzer Humor und das Beste ist, wenn man auch über sich selbst lachen kann. Jemand, der über sich selbst lachen kann, kann kein schlechter Mensch sein.
Martin: Mit guten Freunden zu lachen ist sehr auch wichtig. Man kann so schnell verbittern heutzutage.
Jakob: Man reflektiert über die jetzige Situation und seine eigene Denkweise am besten auch manchmal mit etwas Abstand. Wir lachen heute auch über das, was wir vor 15 Jahren gemacht haben, was wir anhatten oder gedacht haben. Wenn du mal schnallst, dass jeder doch auch in seinem Psycho-Häuschen ein bisschen abgedreht ist, dann wird alles auch wieder ein bisschen lustig. Du empfindest dann die schrägsten Sachen auf einmal mit Humor.
Johannes: Es ist ja auch die Lösung, wie man sich den Humor bewahrt.
Martin: Und über alles lachen kann.
In Filmriss blickt ihr auf die letzten dreizehn Jahre als Band zurück und erwähnt auch, dass nach wie vor jeder Schritt eurer Produktion DIY ist. Warum ist euch das so wichtig?
Johannes: Weil es der komplette Ausdruck unserer Kunst ist – kein Filter, der dann nochmal darüber gelegt wird; keiner der sagt, macht es so oder macht es anders, wir entscheiden das zu dritt. Es ist uns sehr wichtig, dass niemand da ist, der uns macht. Wir machen uns selbst!
Am Ende des Titels „Brennen“ hört man die Aussage „i ertrag des nd i bin a sensibler Mensch“. Woher kommt diese Aufnahme? Und würdet ihr euch selbst auch als sensibel bezeichnen?
Jakob: Das ist von „Sommer in Orange” und natürlich sind wir sensibel. Wir sind mega sensibel.
Martin: Hyper sensibel!
Jakob: Wenn du Musik machst, ist das ja klar. In dem Fall ist aber einfach die Szene cool. „Sommer in Orange” spielt Ende der 80er, Anfang 90er Jahre. Es geht um eine Familie, die von Berlin in eine Kommune aufs bayrische Land ziehen.
Johannes: Im Endeffekt war das Ganze eine Sekte und der Film heißt „Sommer in Orange”, weil alle orange Roben anhatten.
Martin: Eigentlich geht es da um die Widersprüche, die zwischen einer progressiven Hippie-Kultur und dem konservativen bayrischen Bürgertum herrschen. Am Ende aber geben sie sich dann doch auch gegenseitig was und es passieren sau viele lustige Sachen – definitiv super zum Anschauen.
Johannes: Das besonders Schöne an dem Zitat ist ja, dass der Familienvater eigentlich ja schreit. Er ist nicht weinerlich, sondern aggressiv.
Jakob: In dem Fall hat er gerade Sex mit seiner Frau und seine Frau sagt den Namen des Gurus. Für ihn ist auf einmal diese offene, freie Liebe doch nichts mehr. Er ist dieser sensible Mensch, der sich dann darüber beschwert, dass nicht alles so einfach ist mit der Liebe. Warum genau das da drinnen ist, kann sich jeder selber erklären.
Martin: Aber es passt.
Tiere spielten auf euren bisherigen Alben immer eine wichtige Rolle, besonders in Vergleichen mit menschlichem Verhalten. „Rote Sonne“ kommt nun ganz ohne Tiernamen in den Titeln aus … woran liegt das?
Johannes: Beim Titel wollten wir eigentlich letztes Mal schon davon ablassen, haben es dann aber sowohl in Wort als auch in Bild nicht geschafft. Deswegen war es eigentlich bei dem Album klar, dass hier ein Bruch her musste. Wir wollten auch nicht die Band sein, die immer was mit Tieren macht. Im Titel gibt es diesmal gar keine, ich glaube aber, zumindest in den Texten sind irgendwo welche.
Jakob: Dinosaurier, aber das war ja auch nicht von Anfang an klar. Wir haben nicht gesagt, wir machen jetzt einen Dinofilm – das hat sich einfach so ergeben. Es war auch zu Beginn nicht so gedacht, dass immer wieder Tiere verwendet werden. Das hat sich auch erst beim dritten Album ergeben. Es war ein Name, der irgendwie passte hat.
Martin: Das erste Album sollte ja eigentlich „3,2,1 Disko“ heißen – ein Zitat aus dem Film „Indien” mit Alfred Dorfer und Josef Hader. Ein Charakter sagt er zu seiner Frau zum Abschied „3,2,1 Bussi“. Super Szene, super Film!
Apropos Dinosaurier … eine Zeile aus „Kanister“ lautet „der Gutmensch stirbt aus wie Dinosauriertiere“. Der Begriff Gutmensch hat in den letzten Jahren ja eine negative Konnotation erhalten. Interpretieren wir den Track korrekt, wenn wir Gutmensch hier als positiv ansehen und wie würdet ihr dieses Paradoxon erklären?
Johannes: Das spiegelt den Stand unserer Gesellschaft wieder, wenn Gutmensch als Beleidigung gilt.
Jakob: Absurd, oder? Wie kann den das eine Beleidung sein? Wir Menschen sterben dann früher oder später auch aus.
Johannes: Manchmal ist mit einem Satz schon alles gesagt.
Na dann, danke fürs Interview. 3, 2, 1 Bussi!