Alle unter einem Dach
Superorganism im Interview
Wie hört sich ein Osterei in Albumform an? Exakt so! Das achtköpfige WG-Kollektiv Superorganism verwirklicht seine Kreativität schillernd in einem Erstlingswerk und schafft damit einen verträumten Ausflug in die Welt des elektronischen Psychedelic-Pop. Gespickt ist diese Gruppenarbeit von Orono Noguchi, Harry, Emily, Tucan, Robert Strange, Ruby, B, Soul mit so vielen charmanten Details, dass man nicht müde wird, sie sich immer wieder anzuhören. Grund genug, die Band der Stunde zu Wort kommen zu lassen…
Die Band Superorganism wohnt zusammen in einem Haus unter einem Dach – oder? Wie können wir uns diese Art von Zusammenleben und Zusammenarbeiten vorstellen?
B: Fast! Aktuell sind wir zu siebt – inklusive unserem VJ Robert Strange, der nicht mit uns auf der Bühne stehen wird, weil ja jemand auf das Haus aufpassen muss.
Emily: Und Soul wohnt gleich um die Ecke im Keller, also ist er nicht weit weg für Notfälle. (lacht)
Also ist das Ganze wirklich entstanden, weil eine WG einfach munter Sachen ausprobiert hat?
Emily: Genau. Also im Prinzip wohnen wir ja schon ewig zusammen. Der Großteil von uns hat sich in Neuseeland getroffen – wir sind dann kurzerhand nach London gezogen und haben uns das Haus besorgt. Mit der Zeit kamen mehr Leute dazu und dann hat sich das Ganze Schritt für Schritt entwickelt.
Zuerst hattet ihr gar nicht geplant, ‚Something For Your M.I.N.D.‘ zu veröffentlichen. Wie kam es schließlich dazu, den Song auf Soundcloud hochzuladen?
Emily: Nachdem wir eine Zeit lang experimentiert hatten und uns dachten ‚Hey, das klingt doch ganz spannend!‘, schickten wir das Ganze zu einer Freundin, Orono, die zur damaligen Zeit im Mai in den U.S.A. wohnte. Und sie nahm innerhalb einer Stunde ihren Part mit ihrem MacBook auf, das war für uns alle wirklich erstaunlich. Als wir das Endergebnis hörten, waren wir gerade gemeinsam in der Küche und es war wie: Woooahh – einfach verrückt und toll. Also haben wir entschieden, es einfach mal online zu stellen. Das war alles total spannend, aber im Endeffekt dachten wir, dass sich das vielleicht hundert Leute oder so anhören würden. Und na ja, diese hundert Klicks hatten wir bald. (lacht)
B: Zu dem Zeitpunkt war uns so ein Gedanke wie gemeinsam auf Tour zu gehen, völlig fremd und jetzt – es ist einfach alles nicht zu glauben.
Zuerst habt ihr eure Identität nicht preisgegeben, warum das?
Emily: Da wir zunächst niemals damit gerechnet hätten, was passieren würde, wenn wir den Song veröffentlichen, hielten wir es einfach nicht für notwendig, uns namentlich zu erwähnen. Es war jetzt Marketing-Gag oder so. Als wir nach drei Tagen dann einen Haufen Mails und Anrufe erhalten hatten und uns klar wurde, dass die Menschen unsere Musik mögen, war es für uns schwierig, uns in ein Genre einzuordnen. Wir wussten nicht, welche Art Band wir sein wollten. Wir waren ja nur ein paar Leute in einer gemeinsamen Wohnung. Unser Ziel war eigentlich, unsere Musik die Führung übernehmen zu lassen und uns als Band dadurch natürlich zu entwickeln – nicht jedem unser Werk sofort zu zeigen. Deswegen war es für uns umso überraschender, als die Leute zu raten begannen und dachten, das müsse jemand Berühmtes sein.
B: Weil alles so schnell passierte, hatten wir also nicht wirklich Zeit, uns da eine Strategie zu überlegen. Als uns dann klar wurde, was sich hier entwickelte, hatten wir natürlich auch Spaß daran, das mit anderen zu teilen. Zuerst wurde gemutmaßt, wir wären die Gorillaz – da hatten wir beinahe ein schlechtes Gewissen zu sagen, ‚Hey Leute, das sind einfach nur wir.‘ (lacht)
Wie stellt ihr euch einen ‚Superorganism‘ vor?
Emily: Ein Wal zeigt eindrucksvoll, wie ein Superorganism ausschauen sollte. Er ist im Frieden mit sich selbst und seiner Umwelt – er hat ein komplettes Ökosystem um sich herum mit kleinen und kleinsten Tieren, mit Pflanzen, die auf ihm wachsen. Wenn er stirbt, sinkt er zum Grund und spendet dann noch Nahrung für unzählige Lebewesen – wie eine Oase in der Wüste. Das passte irgendwie.
In euerer rätselhaften Bio steht ‚We are Superorganism, we are in Maine / London, we are eight and multiplying, we have become sentient‘. Was hat euch zu diesen fühlenden Wesen gemacht?
Emily: Dieser Moment, als wir das erste Mal gemeinsam das Endergebnis von ‚Something for your M.I.N.D.‘ auf Soundcloud angehört haben.
B: Da erkannten wir einfach schlagartig – wir sind jetzt eine Band. Das war schon ziemlich cool. Da kommt auch wieder der Vergleich aus der Tierwelt ins Spiel – wir waren zuerst wie ein schlafender Wal unter der Wasseroberfläche. In dem Moment, als wir gemeinsam dasaßen und unsere Musik hörten, war das wir ein erstes, erfrischendes Auftauchen.
Der Song ‚Something for your M.I.N.D.‘ ist durch die sprichwörtliche Decke geschossen. Was bedeuten die Buchstaben?
Emily: Der Part ist ursprünglich aus einem 90er House-Song. Das fanden wir aber erst später heraus – im Prinzip haben wir das Sample von einer Seite, auf der Leute einfach Musik hochladen, mit der man dann gratis weiter arbeiten kann. Als wir nach dem Hochladen auf Soundcloud dann Kommentare bekamen wie, ‚Das ist ja mal eine coole Abwandlung dieses klassischen Songs‘, stießen wir überhaupt erst auf das Original. Das war ein kurzer Dämpfer, weil ich dachte, ich hätte das Sample illegal verwendet und wir dürften den Song jetzt nicht veröffentlichen. Da hatten wir schon kurz Angst. (lacht)
B: Im Prinzip hat das M.I.N.D. also keine konkrete Bedeutung, wir sehen es einfach als Einladung mit offenem Ende – in dem Song geht es mehr um die Stimmung und die Musik und was unser ‚mind‘ sich dabei vorstellen kann. Also kann sich jeder die Bedeutung der Buchstaben selbst ausdenken.
‚Nobody Cares‘ ist trotz seines Titels ein optimistischer Song – was sind die Vorteile, wenn ‚Nobody Cares‘?
Emily: Als wir nach London gezogen sind, in diese große Stadt, in der man herumwandert und das Gefühl hat, jeder lebt ein bisschen in seiner eigenen Blase, kam mir der Gedanke, dass sich so Freiheit anfühlen muss. Du kannst alles tun, was du möchtest und es ist im Prinzip egal, weil es niemand interessiert. Daraus entwickelte sich dann dieses Lied.
B: Zuerst muss man wissen, dass sich Neuseeland sehr klein anfühlen kann – irgendwie kennt jeder jeden. Plötzlich mussten wir keine Angst mehr haben, dass meine Mum von allem erfährt, was ich so treibe. Das wird auch im Song behandelt. Allerdings machen wir uns nicht wirklich konkrete Gedanken dazu, sondern beschreiben einfach dieses Gefühl. Und wenn wir dann im Nachhinein alle dasitzen und uns das anhören, verstehen wir, wie das gemeint ist. Eine Art Bewusstsein, der dem Song auch Persönlichkeit verleiht.
Der Song ‚Just Relax‘ klingt allerdings nicht sehr entspannt – was macht ihr, um auch einmal von der Arbeit abzuschalten?
B: Unser Drang, kreativ zu sein, ist ziemlich stark. Also wäre es für uns eher stressig, dem nicht nachzugehen. Wir sind quasi permanent am ‚Arbeiten‘, nur fühlt es sich nicht wirklich danach an. Wir nutzen Spotify, hören Playlists, die wir gemeinsam oder allein erstellen. Das ist auch ein Nährboden für Inspiration. Wir suchen nicht danach, sie findet uns.
Emily: Dadurch, dass Musik für uns alle so wichtig ist, genießen wir nichts mehr, als abends zusammen zu sitzen und einfach Musik zu hören, zu machen, darüber zu reden. Das entspannt uns. Im Prinzip haben wir jetzt einfach die Möglichkeit, noch öfter und intensiver das zu machen, was uns am meisten gefällt. Dadurch können wir an den Leben und Erfahrungen der anderen Bandmitglieder teilhaben, in ihr Gehirn eintauchen und das dann mit der Welt teilen. Das wissen wir wahnsinnig zu schätzen und wollen dieses Jahr nichts anderes machen.
Seid ihr Perfektionisten?
B: Den Druck, etwas zu produzieren, das perfekt ist, verspüren wir nicht wirklich. Allerdings tut so ein bisschen Druck allgemein schon gut. Das Gefühl zu haben, gemeinsam etwas voranzutreiben und fertigzustellen, ist aber eher positiv für mich. Wir können unsere Gedanken, miteinander teilen.
Emily: Wir verwenden eigentlich immer das Erste, was uns einfällt und versteifen uns nicht darauf, etwas perfekt zu machen. Jeder trägt seinen Teil bei – dadurch, dass Geschmack subjektiv ist, kann man es sowieso niemals jedem Recht machen. Es fühlt sich einfach richtig an. Unser Motto ist ‚learning by doing‘ und ich glaube, wenn man einfach akzeptiert, dass jeder Fehler macht, es etwas wie „Perfektion“ nicht gibt, aber das Ergebnis trotzdem cool sein kann, verliert man auch nicht so schnell den Spaß an der Sache.
Das hoffen wir auch. Vielen Dank!