Ab durch die Decke
Milky Chance
Erst das Gymnasium mit Erfolg abschließen, um dann die deutschsprachigen Charts auf den Kopf zu stellen – klingt nach einem sehr unwahrscheinlichen Masterplan. Für Clemens Rehbein und Philipp Dausch alias Milky Chance ist dieser Traum jedoch pure Realität geworden. Mit der LP ‚Sadnecessary‘ ist den beiden Jungmusikern nach ihrem Abitur der ganz große Wurf gelungen, im August spielen sie live am FM4 Frequency Festival presented by VOLUME. Wie die beiden mit dem Erfolg umgehen, wie ihr Notfallplan aussieht und wann es neuen Sound von Milky Chance gibt? VOLUME hat die Antworten!
Milky Chance sind 2013 durch die sprichwörtliche Decke gegangen: Wie sehr hat das Musikgeschäft euch schon versaut?
Clemens Rehbein: Alles cool, wir leben noch und verzichten auf jegliche Schweinereien.
Welche großen Stars haben euch zu eurem Sound gratuliert?
Clemens Rehbein: Peter Fox, Atze Schröder, Gentleman und so weiter. Cro hat nichts gesagt, nur eine Ghettofaust gegeben.
Macht so etwas stolz, oder ist euch das egal?
Philipp Dausch: Wir sind nicht unbedingt auf Gratulationen von großen Musikerkollegen aus. Für uns kommt die Bestätigung eher auf Konzerten von der Meute, die da vor einem steht bzw. tanzt. Aber es ist schon cool, wenn jemand wie Gentleman betont, dass ihm Milky Chance sehr gefällt. Aber nur weil er ein erfolgreicher Musiker ist, hat seine Meinung nicht mehr Wert als die von unseren Fans.
Was hat sich in eurem Leben seit der Albumveröffentlichung von ‚Sadnecessary‘ verändert?
Clemens Rehbein: Es war nach der Schule der direkte Schritt ins Berufsleben – eine komplett andere Welt mit Verantwortung. Was du aus der Schule auch nicht gewohnt bist, ist der intensive Zeitaufwand.
Welche Schattenseite hat der Erfolg?
Clemens Rehbein: Wir nennen es immer positiver Stress. Man hat viel zu tun, ist unterwegs und hat weniger Zeit für Freunde und Familie. Heute hier, morgen dort!
Könnt ihr euren Hit ‚Stolen Dance‘ überhaupt noch selbst hören?
Clemens Rehbein: Hören nicht. Spielen schon. Ich singe die Strophe jetzt zum Beispiel komplett anders, mit einer neuen Melodie. So lässt es sich aushalten!
Ihr habt erst 2012 auf dem Jacob-Grimm-Gymnasium euer Abitur gemacht. Hat euch eure ehemalige Schule schon ein Denkmal gesetzt?
Philipp Dausch: Wir haben vereinzelten Kontakt zu Lehrern und waren auch bei Sommerfesten dort, aber das Verhältnis ist jetzt nicht so eng. Das riesigste Ziel ist jedoch, dass sie irgendwann in Milky-Chance-Schule umbenannt wird.
Könntet ihr euch vorstellen, Lehrer zu werden?
Philipp Dausch: Darüber haben wir erst kürzlich geredet. Wenn alle Stricke reißen, machen wir das! Aber wie realistisch das dann wirklich ist? Jetzt versuchen wir erst einmal unser Glück mit der Musik.
Woher kommt der Reggae bei Milky Chance?
Clemens Rehbein: Ich habe schon immer viel Reggae gehört. Es gibt auch unter den neuen Produktionen sehr coolen Sound, zum Beispiel
von Sebastian Sturm. Aber die alten Songs von Bob Marley sind die Besten.
Auf Wikipedia steht, dass ihr euch alle für die Veröffentlichung von ‚Sadnecessary‘ verschulden musstet. Knapp ein Jahr später: Hat sich das Risiko gelohnt?
Clemens Rehbein: Wer auch immer das war, hat die falschen Wörter dafür benutzt bzw. den Eintrag falsch gestaltet. Wir haben uns nicht verschuldet, sondern lediglich bei den Eltern etwas Geld geliehen. Das waren jetzt keine Unsummen, also gab es auch nie wirklich eine Verschuldung. Und natürlich hat es sich gelohnt, unseren Sound zu veröffentlichen und daran zu glauben.
Was natürlich alle Fans und Kritiker interessiert: Wann gibt’s neues Material von Milky Chance bzw. was ist für 2014 geplant?
Philipp Dausch: Wir produzieren gerade den Soundtrack zu einer Dokumentation. Gefilmt wird sie von Studierenden aus Stuttgart, die teilweise aus Kassel kommen – daher die Connection. Die Jungs und Mädels drehen einen Film über Frauen in Indien, die Taxi fahren. Da gibt es in Delhi mittlerweile 13 weibliche Taxifahrerinnen. Die Doku heißt ‚Where To, Miss?‘ und kommt im August raus. Ansonsten bleibt es vorerst beim Touren, Rumfahren und ein bisschen Streunen. Nächstes Jahr gibt es dann eine Pause. Danach erst fangen wir an, die Ideen, die wir so gesammelt haben, umzusetzen und aufzunehmen.
Steht es zur Debatte, für das nächste Album euer eigenes Label Lichtdicht Records für ein Major Label auszutauschen?
Philipp Dausch: Nein, überhaupt nicht.
Wie oft müsst ihr Absagen an Major Labels austeilen, die jetzt bei euch anklopfen?
Clemens Rehbein: Für Europa haben wir festgelegt, dass wir nichts mit einem Major machen. Solche Anfragen kommen gar nicht mehr zu uns durch, die werden von unserem Manager geblockt. Aber in Amerika oder Australien ist es ein bisschen anders. In Australien und Neuseeland arbeiten wir jetzt mit Sony zusammen. Nicht in Sachen Booking oder Label, aber beim Vertrieb. Die haben einfach die Strukturen – organisatorisch und verlagstechnisch.
Der Druck steigt! Hat euer Kollege Casper da recht?
Clemens Rehbein: Ja, es wäre gelogen, wenn wir etwas anderes behaupten würden.
Und was macht ihr gegen den Druck?
Clemens Rehbein: Saufen (lachen). Nein, auf der Tour können wir sowieso nichts dagegen ausrichten. Da muss man straight sein und das durchziehen. Zuhause ist viel Ruhe angesagt, Zeit mit lieben Menschen und chillen. Nicht groß feiern, sondern ein rentnerähnliches Leben führen. (lachen)
Stand es jemals zur Debatte, auf Deutsch zu singen?
Clemens Rehbein: Nein. Ich kann einfach nicht auf Deutsch singen. Oder was heißt singen – ich kann nicht auf Deutsch schreiben. Ich finde es richtig schwer, deutsche Texte zu formulieren, die gut klingen. Vor allem, weil es eine sehr genaue Sprache ist und nicht sehr bildlich. Im Englischen kann man Gefühle einfach viel besser umschreiben.
Ihr spielt heuer beim FM4 Frequency Festival – wie sieht für euch das perfekte Festival aus? Wenn ihr in Kassel das Milky Chance Festival veranstalten würdet, wer würde spielen?
Philipp Dausch: Das machen wir sogar. Also nicht Milky Chance, sondern das Lichtdicht Festival am 7. und 8. August. Mit dabei sind Pupkulies & Rebecca, Izzy Bizu, Kafka Tamura, James Hersey, einige Freunde und die Band von unserem Fahrer. Freunde von uns machen die Essensstände, ein spanischer Kumpel zum Beispiel mit seiner Mama Tapas. Es geht darum, dass Leute selbst etwas beisteuern und organisieren – nicht immer nur zu den Kommerzfestivals gehen. Natürlich spielen wir dort auch, das gehört dazu. Aber wir haben zum Beispiel Glastonbury abgelehnt, um lieber auf der Fusion zu spielen.
Mit Josh Homme auf ein Bier oder doch lieber kiffen mit Snoop Lion?
Beide: