The Technomancer - Cyberpunk am Mars
Jedes Medium und jedes Genre hat mit Klischees zu kämpfen. Science-fiction und Science-fantasy beispielsweise scheinen von Autoren und Entwicklern immer wieder auf den Mars gezerrt zu werden. Seit 1988 gab es keine zwei Jahre ohne ein Videospiel, welches seinen Schauplatz zumindest teilweise am Mars hatte. 2016 ist mit dem Blockbuster DOOM ein weiteres solches Jahr – und Spiders Games hat mit The Technomancer auch seinen Beitrag dazu geleistet.
Mein Name ist Mancer. Technomancer.
Man wird in eine kalte, fast schon dystopische Welt gestürzt. Als Zachariah Mancer, einem der wenigen Menschen auf dem Mars, der über wohlbehütete, irdische Geheimnisse verfügt, beginnt man das Spiel als frischer Agent der Firma Überfluss. Der Mars ist knapp 200 Jahre bevölkert und schon herrscht Krieg um Wasser. Man beginnt seine Reise mit Aufgaben, die firmennahe Interessen erfüllen (wie zum Beispiel eine Revolution zu zerschlagen und Deserteure hinzurichten) doch durch die individuelle Spielweise und die getroffenen Entscheidungen beeinflusst man den Lauf der Geschichte immens und kann sich sogar auf die Seite von anderen Parteien schlagen.
Das Mars-Spiel, das die Welt braucht, aber nicht verdient
Gameplaytechnisch lässt sich dieser Titel als Hack and Slash RPG bezeichnen. Man kann im Lauf des Spieles mittels Hotkeys zwischen drei Kampfmodiund den entsprechenden Ausrüstungen wechseln, was sehr viele Optionen in der Hitze des Gefechts zulässt. Ähnlich wie bei Dark Souls könnte man auch hier behaupten, dass der gewählte Kampfstil den Schwierigkeitsgrad ausmacht. Generell hat man nicht besonders viel Lebensenergie und Healing-Items sind rar gesät, doch wenn man Pistole und Messer wählt, muss man deutlich besser aufpassen, als in einem Kampf mit Schild und Streitkolben. Zwar kann man jederzeit zwischen den Waffen wechseln, doch irgendwann sollte man sich für eine Spielweise entscheiden, denn jeder Waffentyp hat einen eigenen Skilltree, den es freizuschalten gilt. Mit jedem der Waffen kombinierbar verfügt der Spieler auch über die Technomancer-Fähigkeiten. Man muss selbst erleben, wie episch es ist mit der intuitiven Steuerung einem Gegner einen Dolchstoß zu versetzen, seinem Gegenangriff auszuweichen, ihm anschließend in die Seite zu schießen, nur um ihn schließlich mit einem Blitz zu paralysieren und zu guter Letzt endgültig fertig zu machen. Also ein richtig hartes RPG, das wirklich Spaß macht, aber vermutlich nicht wertgeschätzt wird.
Matsch am Mars
Das tolle Gameplay leidet am PC an ein paar Schwächen. Zunächst ist die Steuerung via Keyboard sehr angenehm und empfänglich, doch sobald man sich dazu entscheidet ein Gamepad zu verwenden, ist das gesamte Spiel zum Kübeln. Eine eigenartige Tastenbelegung, bei der Buttons doppelt und dreifach für verschiedene Aktionen eingestellt sind, machen den Titel madig. Das Menü zeigt trotz Erkennen und Aktivieren des Gamepads weiterhin die Keyboard-Tastenbelegung an und lässt den Spieler über die neue Navigation im Dunklen.
Auch Optisch ist The Technomancer wirklich schwach. Matschtexturen und Meshes, die selbst vor fünf Jahren bereits outdated waren, sind das negative Gegenstück zur wundervollen Atmosphäre. Die Slums der Stadt Ophir sind heruntergekommen und selbst die Börse, in der die High Society lebt, wirkt zusammengeflickt. Durch jedes liebevoll platzierte Objekt entsteht eine Welt, in der man richtig spürt, wie zerrüttet sie ist. Auch die Dialoge tragen ihren Teil dazu bei. Zum Setting passend läuft im Hintergrund ein subtiler, aber kraftvoller Synthwave-Soundtrack. Essenziell könnte man fast sagen, dass The Technomancer die gameplaytechnisch bessere, jedoch optisch unterlegene RPG-Version von Mass Effect ist.
Fazit
Wer über miese Grafik hinwegsehen kann und trotzdem eine großartige Welt mit herausforderndem Gameplay wertschätzen kann – oder wer einfach nur einen schrecklich üblen Toaster-PC hat und keine andere Games zocken kann – der sollte sich The Technomancer gönnen. Besonders RPG-Fans mit einer Vorliebe für netten Cyberpunk werden mit diesem Spiel Freude haben. Wer schnell frustriert ist, weil er den selben Kampf wieder und wieder mit verschiedenen Strategien durchleben muss, wird mit anderen Mars-Spielen glücklicher. The Technomancer ist sehr speziell, doch ich fand die Komposition für mich sehr stimmig.
— Aryan Havrest