Südsee-Aufenthalt mit Macken
Tchia
Ihr habt genug vom gefühlt ewigen Winter in unseren Breiten? Ihr möchtet pazifisches Lebensgefühl atmen? Und ihr seid auch noch kulturinteressiert genug, dass ihr beim Spielen etwas über neukaledonische Kultur lernen möchtet? Dann lasst euch von Tchia in die Südsee entführen. Ein bisschen Reiseschluckauf inbegriffen.
In Tchia schlüpft ihr in die Rolle von, nun ja, Tchia. Das 12-jährige Mädchen muss eines Tages mit ansehen, wie ihr Vater von einem finsteren Herrscher entführt wird. Dieser leicht unoriginelle Auftakt bildet die Basis für eine Reise durch eine vereinfachte Version von Neukaledonien, einer Inselgruppe im Südpazifik. Während dieser Reise erlebt Tchia eine klassische Coming of Age-Geschichte: Sie wächst an ihren Aufgaben und sie lernt, ihre Lebenswelt neu zu sehen.
Die ersten Trailer von Tchia sahen nach Breath of the Wild in der Südsee aus – das bewahrheitet sich zum Teil, zum Teil geht es in eine ganz andere Richtung. Was Link und Tchia voneinander unterscheidet, ist unter anderem eine kindgerechte Aufbereitung des Gameplays. Eure Haupt“waffe“ ist eine Steinschleuder, Kämpfe gibt’s wenige. Stattdessen liegt das Hauptaugenmerk auf dem Erkunden der Spielwelt, verbunden mit kleineren Rätseln. Ihr stapelt Steine richtig, um einen so hohen Turm wie möglich zu bauen, oder ihr zupft mit der Ukulele Tonfolgen. Ein Action-Feuerwerk solltet ihr euch nicht erwarten, dafür gibt es spannende Ideen: Tchia beherrscht das so genannte Seelenspringen. Mithilfe dieser Fähigkeit kann sie sich in Gegenstände und Tiere versetzen – das heißt, ihr rollt dann als Kokosnuss herum oder lauft als Katze am Strand entlang. Das ist atmosphärisch, das ist schön, geht aber manchmal auch ein bisschen in die langweilige Richtung. Allein der Auftakt ist dafür ein gutes Beispiel: Der Beginn der Erzählung geht vor Atmosphäre über, was vor allem durch die wunderbare Musik erreicht wird, andererseits strapaziert es die Geduld aber gleich zu Anfang des Spiels kräftig, wenn ihr euch minutenlang durch ein anspruchsloses Rhythmusspiel klicken müsst. Licht und Schatten liegen spielerisch oft sehr nahe beieinander in Tchia.
Der Fokus liegt sowieso auf anderen Punkten: Tchia ist ein Spiel, in dem es vor allem um das Gefühl geht. Das Gefühl, auf einer Insel im Pazifik aufzuwachen; das Gefühl, mit einem Boot durch das Meer zu fahren, den Wind in den Haaren; das Gefühl, an einem Lagerfeuer indigene Märchen auszutauschen. Der Vergleich mit Urlaub in der Südsee kommt nicht von ungefähr, denn die Entwickler schaffen es unglaublich gut, die Welt im Quasi-Comiclook darzustellen. An allen Ecken und Enden merkt man, dass die Entwickler von Aweceb selbst aus diesem Teil der Welt kommen. Beispielsweise gibt es keine deutsche oder englische Sprachausgabe, stattdessen sprechen die Spielfiguren Französisch oder Drehu, die Sprachen, die auch tatsächlich in diesem Teil der Welt gesprochen werden. Wenn ihr dann mit Tchia auf eurem Boot durch den Pazifik fahrt, auf der Suche nach der nächsten Insel, die ihr frei erkunden könnt, dann versinkt ihr wirklich komplett in der Spielwelt.
Wenn die nicht gerade ein bisschen herumzickt. Wir haben beim Spielen auf unserem Mittelklasse-PC mehrere kleinere technische Gebrechen erlebt, selbst mit heruntergeschraubten Details bricht die Framerate etwa immer wieder ein. Hier merkt man, dass es sich bei Tchia nicht um ein AAA-Game handelt, sondern von einem kleinen Entwicklerteam zusammengeschraubt wurde – das dafür aber mit viel Liebe. Wenn ihr bei euren Games also vor allem mehr auf Atmosphäre als starkes Gameplay achtet oder ihr vielleicht Kinder mit so 10, 12 Jahren zuhause habt, die mit einem Spiel noch etwas Kultur mitnehmen sollen, dann greift auf alle Fälle zu Tchia.
— Martin HammerlDas Gute
+Wunderschöne Spielwelt und Atmosphäre
+Toller Soundtrack
+Seelenspringen als frische Idee gut umgesetzt
Das Schlechte
-Gameplay oft etwas spannungsarm
-Manchmal mehr Bilderbuch als Spiel
-Kleinere technische Macken