Spielbares B-Movie ohne viel Spiel
New Tales from the Borderlands
Wie aus dem Nichts haben die Borderlands-Erfinder Gearbox vor einigen Monaten eine Fortsetzung zum Fan-Liebling Tales from the Borderlands angekündigt. Nun ist New Tales from the Borderlands erhältlich – wir haben das Adventure unter die Lupe genommen und klären, ob es mit dem Hype rund um den Vorgänger mithalten kann.
Tales from the Borderlands von Telltale Games war 2014 so etwas wie ein kleiner Überraschungs-Hit. Das Point-and-Click-Adventure ist zwar keinen Millimeter von der klassischen Telltale-Formel abgewichen, aber die Kombination aus irrem Borderlands-Humor, sympathischen Charakteren und einer spannenden Story mit vielen Emotionen hat besser funktioniert als befürchtet. Seitdem ist einiges an Zeit vergangen, Telltale Games gibt’s in dieser Form nicht mehr und Borderlands-Entwickler Gearbox hat sich anscheinend gedacht „hey, was die damals konnten, können wir doch auch selbst auf die Beine stellen“. Tja.
Wir hatten große Hoffnungen für dieses Spiel. Aber nachdem wir nichts davon halten, euch unnötig auf die Folter zu spannen, gleich hier mal die enttäuschende Nachricht: New Tales from the Borderlands ist kein gutes Spiel. Und das gleich auf mehreren Ebenen. Das bei weitem größte Problem ist die Qualität der Dialoge, die gerade bei einem Adventure der stärkste Part sein sollten. New Tales from the Borderlands dreht sich um drei Hauptcharaktere: Wissenschaftlerin Anu, die als Pazifistin eher schlecht in das gewalttätige Borderlands-Universum passt. Ihr Adoptivbruder Octavio, der wohl eine Parodie auf Kapitalismusfans in der Generation Z darstellen soll. Und Fran, die einen Frogurt-Stand betreibt und mit einem Hoverchair unterwegs ist. Die drei müssen im Verlauf des Spiels… ja, was eigentlich? Charakterentwicklung gibt es kaum, das Trio bleibt 1:1 das gleiche wie zu Beginn der Story, und worauf die drei jetzt eigentlich hinarbeiten, ist auch mehr Nebensache. Die Story „passiert“ halt.
Nachdem wir die fünf Kapitel des Spiels beendet hatten, waren uns die drei auf alle Fälle noch immer ziemlich wurscht. Wo Tales from the Borderlands an allen Ecken und Enden mit witzig geschriebenen Charakteren wie Rhys oder Fiona gepunktet hat, mussten wir uns bei dem, was die aktuelle Besetzung im Spiel von sich gibt, öfter mal aufs Hirn greifen. Man fragt sich an manchen Stellen unwillkürlich, ob die AutorInnen schon mal echten Menschen beim Reden zugehört haben. Das, was Gearbox spätestens seit Borderlands 3 unter „Humor“ versteht, ist uns oft unbegreiflich. Ein Beispiel: Anu isst ein Frogurt, das ihr Fran anbietet. Kommentar: „Aus irgendeinem Grund hat das wie eine Nase geschmeckt“. Fran darauf: „Wenn man so darüber nachdenkt, schmeckt irgendwie alles nach Nase.“ Wir haben keine Ahnung, wo hier die Pointe stecken soll.
Richtig ungut wird es dann an unnötig sexualisierten Stellen, wenn etwa Fran mehr als einmal durchblicken lässt, dass sie sich gern über Octavio hermachen würde – obwohl kurz zuvor festgestellt wurde, dass Fran so etwas wie eine Mutterrolle für Octavio spielt (was er auch direkt sagt!). Um bei den Ausdrücken der im Spiel parodierten Generation Z zu bleiben: cringe. Ein Problem ist auch die Performance der Dialoge an sich: Immer wieder gibt es Pausen im Bereich von Millisekunden zwischen Dialogzeilen, die die Gespräche dann seltsam künstlich wirken lassen. Wir konnten nicht feststellen, ob das Absicht war oder das Spiel technisch nicht in der Lage war, die Dialoge punktgenau zu liefern, aber es hat es uns auf jeden Fall nicht leichter gemacht, den Cast als echte Menschen zu betrachten.
Wenn ihr darauf hofft, dass das Gameplay über die schlechten Dialoge hinweg trösten kann, habt ihr vermutlich noch nie ein Telltale-Spiel gespielt. „Gameplay“ ist ein zu starkes Wort, ihr wählt in Dialogen aus vier Optionen, geht manchmal ein bisschen herum und klickt Sachen an, und drückt euch durch Quick-Time-Events, die aus irgendeinem Grund immer noch nicht ausgestorben sind. Eure Entscheidungen bleiben dabei undurchsichtig – Gearbox hat im Vorfeld oft betont, dass sich hinter dem Spiel ein komplexer Entscheidungsbaum verbirgt, der den Spielverlauf merklich beeinflusst. Als uns zum Beispiel aber an einer Stelle ein Story-Missgeschick passiert ist und das Spiel das in einem eingeblendeten Kästchen damit kommentiert hat, dass das Team „unkoordiniert“ gewesen sein soll, hatten wir keine Ahnung, was wir anders machen sollen hätten.
Generell habt ihr nicht viel zu tun, uns ist es mehr als einmal passiert, dass wir geistig abgedriftet waren und dadurch ein QTE verhaut haben. Als Auflockerung und um euch irgendeinen Grund zu geben, die Spielwelt genauer unter die Lupe zu nehmen, ist ein rudimentäres Sammelfiguren-Minigame eingebaut – ihr findet bekannte Figuren aus dem Borderlands-Universum als Spielfigur in der Landschaft versteckt und könnt diese an bestimmten Storypunkten in einem mehr als simplen Minispiel gegeneinander antreten lassen. Die ersten beiden Male eine nette Auflockerung, danach nervts irgendwann.
Gibt’s auch Positives zu berichten? Für Hardcore-Borderlands-Fans ja, denn die Performances der Schauspieler:innen an sich sind top. Zwar leider nur in englischer Sprache (oder französischer, wenn euch das besser liegt) mit Untertiteln, aber der Cast gibt alles, um die hölzernen Dialoge lebensnah wirken zu lassen. Außerdem sieht New Tales from the Borderlands richtig gut aus – rein von der Atmosphäre bekommen Borderlands-Fans alles, was sie sich wünschen könnten. Wenn ihr also mit kaum Gameplay leben könnt und der Humor außerdem anders als bei uns ins Schwarze trifft, werdet ihr durchaus Freude haben mit dem Spiel. Wir denken dagegen sehnsüchtig an die Qualität von Borderlands 2 oder Tales from the Borderlands und hoffen darauf, dass sich Gearbox irgendwann auf alte Stärken besinnt, anstatt nur noch auf „over the top“ zu zielen.
Einen Punkt möchten wir ganz zum Schluss noch erwähnen, denn wir vermuten, dass das Spiel aus einem ganz anderen Grund aus einer gewissen Ecke Gegenwind bekommen wird. In New Tales from the Borderlands versammelt sich alles, was die rechte Seite des Internets zum Schäumen bringt: Homosexualität, Bisexualität, Transpersonen, non-binäre Charaktere. Fallt bitte nicht auf irgendwelche rechten Honks rein, die „ALLES ZU WOKE“ schreien – mit diesem Part hatten wir überhaupt kein Problem, und ihr hoffentlich auch nicht. Ändert leider nichts daran, dass das Spiel trotzdem für uns ein Fehlschlag ist.
— Martin HammerlDas Gute
+ Borderlands-Atmosphäre gut getroffen
+ hübsch anzusehen
+ wenn die Dialoge euer Humorzentrum treffen: Gag-Dauerfeuer
Das Schlechte
- peinliche Dialoge
- nicht nachvollziehbare Story
- technische Patzer
- wenig Gameplay