Fr, 14. Aug 2015

Operation Abyss: New Tokyo Legacy

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Der digitale Eiserne Vorhang ist gefallen und seit ein paar Jahren ist der europäische Videospielmarkt von stark anime-stilisierten Spielen geflutet. Natürlich wurde dabei sehr viel Trash lokalisiert, der halbherzig erstellte Charaktere und Storylines, welche schlicht und ergreifend Rip-offs waren, präsentierte.

Operation Abyss: New Tokyo Legacy wirkt auf den ersten Blick wie ein solcher Cashgrab-Titel, der sich für das First-Person Dungeon-Crawler Genre entschieden hat, um möglichst viel Kosten für Programmierung und Assets zu sparen, weist aber überraschenderweise mit fortlaufender Spielzeit viele positive Merkmale auf.

Man beginnt als Schüler, welcher gekidnappt wurde und in der Kanalisation zwischen zwei Leichen das Bewusstsein wiedererlangt. Nachdem man von einem Jungen in Kapuze und einem Mädchen in Rot begrüßt und vor plötzlich herannahenden Monstern gerettet wird, lernt man das Geheimnis hinter den rätselhaften Geschehnissen kennen. Alice – das Mädchen – bringt den Spieler und fünf weitere Gerettete, welche zusammen die Party bilden, in das Hauptquartier des Xth Squads, wo erklärt wird, dass die Monster – auch Variants genannt – für die in letzter Zeit öfter Auftretenden Entführungen verantwortlich sind. Wir schließen uns dem Xth Squad an und schon geht es los Variants zu jagen und Entführte zu befreien.

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Das Gameplay erscheint auf den ersten Blick sehr kompliziert und vollgepackt, entpuppt sich im Laufe des Spiels jedoch als angenehm. Dieser Eindruck entsteht durch das schreckliche Menü-Design: Winzig kleine Buchstaben zwängen viel zu viel Information auf einzelne Screens, was einen Spieler schnell überfordern kann. Das Problem hätte sich durch ein oder zwei weitere Reiter pro Menü beheben lassen. Auch im Hauptquartier sind bereits am Anfang des Spieles sämtliche Funktionen verfügbar. Erklärt werden diese aber erst später im Spiel, was bewirkt, dass man besonders in den ersten Stunden im Sumpf aus Menüpunkten sehr lange nach der gewünschten Funktion sucht.

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Sobald man den Weg in die Dungeons gefunden hat, sieht vieles besser aus. Das HUD ist zwar immer noch unästhetisch und verwirrend, jedoch verlangt dungeon crawling und Kampf nicht viel Interaktion mit diesem. Die Physical Attacker greifen normal an und die Spellcaster und Healer, sofern nicht deren Spezialisierung gefragt ist, auch. Dies resultiert in einem X-Button-Mashing, vorausgesetzt man kämpft nicht gerade gegen einen Boss oder ein Elementar. Die Karte wird mit jedem Schritt  ergänzt und der Autopilot ist sehr hilfreich, angesichts der Tatsache, dass man viele Welten wieder und wieder besuchen muss,  Die Dungeons sind ästhetisch und liebevoll gemacht und die Fallen und Formen dieser Labyrinthe geben dem Aspekt der Erkundung etwas mehr Würze. Interessanterweise fühlen sich die Random-Encounter nicht nervig an. Das liegt vermutlich an der Simplizität der einfachen Kämpfe, dem Spaß am Erkunden und dem Encounter-Gauge, welcher bei einem hohen Wert die Wahrscheinlichkeit für Encounter erhöht und nach erfolgreichen Kämpfen steigt und bei Flucht sinkt.

Eine weitere Frage die sich stellt: Wann ist old school zu sehr old school?
Operation Abyss verrät dem Spieler relativ wenig und am einen oder anderen Punkt weiß man einfach nicht wo oder wie es weiter gehen soll.
Gelöst haben die Entwickler dieses Problem durch das Memo-Feature. In Dungeons kann man anderen Spielern Memos hinterlassen, welche man aus einem gut gewählten Pool aus Wörtern schreiben kann. Oft findet man frustrierte Nachrichtung von Spielern, die sämtliche Hoffnung aufgegeben haben, was einen schon mal aufgrund der Kreativität, den eigenen Nihilismus auszudrücken, sehr belustigt. Aber auch hilfreiche Hinweise und Koordinaten sind als Memos in den Dungeons zu finden.

Ein weiteres, stark positiv zu bewertendes, Teilgebiet ist die Musik, welche sich in ruhigeren Passagen an klassischen Visual Novels und im Gefecht an modernen Final Fantasy Titeln orientiert. Die Komposition ist gelungen und die Samples sind qualitativ. Durch gekonntes Arrangement und Automatisierung von Effekten und Lautstärken einzelner Spuren wurde die Tatsache, dass es sich um ein MIDI-Orchester handelt sehr gut retuschiert. Insgesamt entsteht ein Paket, welches das Spiel nicht nur gut unterstützt, sondern dank eingängigen Melodien auch alleine gut funktioniert und Wiedererkennungswert besitzt. Die Kampf-Musik wird trotz Random Encounter nicht nervend und die Tracks in den diversen Menüs haben auch nach dem keine Ahnung wievielten Loop während dem Equipment wechseln und verbessern die Kraft mich zum mitsummen zu bringen.

Eben kurz angesprochen bilden Crafting, Verbessern von Equipments und vor allem Individualisierung bei der Charakter-Erstellung einen wichtigen Kern von Operation Abyss. Diese Funktionen werden im Spiel leider erst etwas zu spät vorgestellt. Zwar sind die Menüpunkte wie zuvor erklärt, vorhanden, jedoch kommt man ohne Tutorial nicht weit damit. Eine interessante Design-Entscheidung ist das Versorgen des Spielers mit vorerstellten Charakteren im Basic Mode. Die Charakter-Erstellung, auf die im Classic Mode mehr Wert gelegt wird, macht erst Sinn, wenn man mit den Mechaniken des Spieles etwas vertraut ist. Im Basic Mode hat man zwar die Möglichkeit eigene, neue Partymember zu schöpfen – und ab einem Punkt sollte man dies unbedingt machen, da man mit Ersatz-Squads nach gescheiterten Kämpfen verloren gegangene Truppen aus Dungeons retten kann – aber das Komponieren von funktionsfähigen Charakteren aus den vielen Aspekten wie Persönlichkeit, Geschlecht und Blood Code kann ohne Erfahrung und Gespür dafür zu einer wirklichen Herausforderung werden.

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Die Story selbst und die storyrelevanten Charaktere sind mäßig spannend und wirken eher wie halbherzig in das Projekt gepfefferte Zahnstocher, die dem Dungeon-Crawler eine Form geben sollen, die der heutigen storyliebenden Szene gerecht wird.
Die Entwicklung der Handlung ist stellenweise sogar gut,doch die Charaktere sind heillose Klischees und enden als komplett langweilige Pakete, die halblustige Witze reißen. Zwei offensichtliche Bösewichte von denen einer nur so vor Arroganz strotzt und der andere durch seine unbeschreibliche Hässlichkeit und Deformation auffällt, ein Texaner, der als Stand-up Comedian Karriere machen möchte, eine ultrascharfe Physik-Lehrerin, der kleine Nerd mit dem Bubiface im Hauptquartier und das obligatorische Otaku-Mädchen mit rosa Haaren und Katzenohren bilden die Elite der Unkreativität in diesem Bereich. Einzig der perverse Lehrer, welcher unglaubliche Ähnlichkeit mit Bill Cosby besitzt, brachte mich hin und wieder zum Schmunzeln.

Kurz gesagt braucht dieses Spiel Zeit, um sein wahres Potenzial preiszugeben. Wem Story und Charaktere egal sind und die Anlage hat sich intensiv mit Mechaniken zu beschäftigen, wird mit diesem Spiel unglaublich viel Spaß haben. Ein Kauf wird diesen Leuten empfohlen.
Anders sieht es aus, wenn man mit Möglichkeiten und Inhalt rasch überfordert wird oder man einen Titel mit Charakteren sucht, an die man sich erinnern möchte.

— Aryan Havrest
Bewertung

Urteil +Einfach verständliche, jedoch tiefgehende Mechaniken
 +Tolle Musik
 +Story stellenweise Spannend
 -Unübersichtliches Menü
 -Frustrierende Charaktere
 -Schwerer Start, Zeitintensiv
Alles in Allem Awesome