Fr, 28. Aug 2015

Nichts für schwache Nerven - Until Dawn

Cinematic Experiences sind seit „Heavy Rain“ und „Beyond – Two Souls“ eine neue Art des Spieleerlebnisses der besonderen Art. Mit „Until Dawn“ reiht sich jetzt der nächste Spiele-Film-Hybrid in die Reihe ein und entführt den Spieler in ein Horror-Wäldchen alla „Cabin in the Woods“. Wer schon bei (Teenie-)Horror Filmen nicht hinschauen kann, der sollte wohl lieber die Finger davon lassen, denn hier muss man auch noch selbst handeln.

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Nach dem tragischen Tod der beiden Schwestern von John im Jahr zuvor, will dieser die ungeklärten Geschehnisse vergessen und das einjährige Jubiläum der Tragödie damit abschließen wieder alle Freunde in der selben Hütte zu versammeln und eine schöne Zeit zu genießen. Der guten alten Zeit willen kommen sie alle und so versammeln sich die 8 Freunde ein Jahr später wieder am Ort des Geschehens – einer alten Skihütte oben auf dem Berg in den Blackwood Pines. Doch der Tod der beiden Schwestern wurde nie aufgeklärt – war es nur ein Unfall oder doch Mord? Relativ schnell müssen die Freunde feststellen, dass sie scheinbar in der Hütte doch nicht so alleine sind wie sie gedacht haben. Und der Horror nimmt seinen Lauf.

Viel mehr über die Story zu erzählen wäre sinnlos, denn es gibt sie nicht:  die einheitliche Story. Dank des System der Butterfly Effects bekommt jeder Spieler eine andere Geschichte und auch ein anderes Ende. Denn jede Entscheidung beeinflusst den Fortlauf der Story. Nicht nur große Entscheidungen wie zu fliehen oder sich zu verstecken machen hier einen Unterschied, sondern auch die Beziehung zwischen den Charakteren kann sich relativ schnell verändern, je nach Reaktion aufeinander. Denn Mädchen sehen die Gewalt gegen Eichhörnchen wohl eher ungern und werden sich das merken, während Jungs scheinbar nichts von neugierigen blonden Nasen halten, die ihr Handy in die Hand nehmen. Kleine Schritte und Entscheidungen, die in weiterer Folge vielleicht doch noch größere Auswirkungen haben können. Doch diese zwei Beispiele sind nur ein klitze kleiner Bruchteil der vielen kleinen Entscheidung.

Dank der Butterfly Effects (die in einem wirklich eindrucksvollen und wunderschönen Video zu Beginn des Spieles erklärt werden) darf sich wirklich jeder Spieler (der ohne System sondern nach Intuition spielt) auf seine eigene Geschichte freuen und seine eigene Horror-Geschichte schreiben. Wiederpielwert garantiert, denn was wäre wenn…

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Den Horror schreibt „Until Dawn“ wirklich groß. Angelehnt an die Teenie-Slasher-Filmer darf man sich im Fortlauf des Spieles dank düsterer Nacht (und so einigen Stromausfällen) auf eine Umgebung freuen, die alleine schon nicht wirklich einladen ist. Gepaart mit ein paar vielleicht übernatürlichen Ereignissen und dem Wissen, dass man von jemandem da draußen im Wald beobachtet wird keine angenehme Situation. Dazu kommen die typischen Elemente, die auch ein Horror Film verwendet um seine Zuseher zu erschrecken. Laute Musik und plötzliche Musikveränderungen, Jumpscares der feinsten Art und einfach das Wissen des Ungewissen – perfektes Setting um jeden Spieler an die eigenen Adrenalin Grenzen zu treiben. Diese Genre-Klischees des Horros funktionieren perfekt und treiben den Schweiß in die Augen, doch die Neugierde und die Spannung machen es unmöglich das Spiel einfach vor Angst zu beenden.

Die ganze Erfahrung wird, besonders im Gegensatz zu einem Film, dadurch intensiviert, dass man dank Quicktime Events selbst Hand anlegen muss und somit gezwungen wird den Bildschirm nicht aus den Augen zu lassen. Denn auch wenn man mit ziemlich hoher Sicherheit weiß, dass man ein Fenster lieber nicht öffnen sollte aber es muss, so muss man selbst die jeweiligen Tasten dazu drücken (oder wer mit der Motion-Unterstützung des Controllers spielt die jeweiligen Bewegungen nachahmen). Den Blick auf den Screen gerichtet um die richtige Abfolge zu meistern bleibt der nächste Schreckensmoment nicht aus und die Gelegenheit für den nächsten Jumpscare ist perfekt…

Einziger Wehrmutstropfen – stellenweise ist der Schreckmoment doch schon zu offensichtlich, das Setting zu sehr Klischee. Wer einiges an Teenie-Horror kennt und nicht unbedingt zu anfällig darauf ist, der erlebt nicht wirklich etwas Neues und verliert vielleicht den ein oder anderen Adrenalinkick. Mindert das Spielerlebnis um keinem Deut, nimmt aber auch ein klein wenig den Schockmoment an manchen Stellen.

Doch nicht nur das plötzliche Erschrecken macht einen Horror Film aus – nein auch Blut und vielleicht sogar Gedärme. Auch davon gibt es jede Menge in Until Dawn – zumindest wenn man den „richtigen“ Spielverlauf wählt. Denn nicht alle müssen sterben, es liegt in der Hand des Spielers zu entscheiden wieviele oder ob überhaupt jemand sein Leben lassen muss. Gerade diese Sterbensszenen können teilweise an Horrorfilm Klassiker wie „Saw“ erinnern, denn irgendjemand will hier scheinbar ein Spiel spielen.

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Eine der Besonderheiten bei „Until Dawn“ sind definitiv die Charaktere. Auch wenn diese in jedem Fall den Klischees des Teenie-Horrors folgen (man darf sich auf den Macho, das Blondchen oder auch die Bitch und andere freuen) so ist deren Charakter nicht festgefahren. Ihre Grund-Attribute sind vorgegeben, doch ihr wirkliches Handeln und die Beziehungen untereinander bestimmt der Spieler. Wer von den acht Kandidaten ist wirklich mutig? Sind sie ehrlich zu einander oder doch nur auf sich selbst bezogen? Bei welchem Päärchen geht da was und wer ist nur Best-Buddies? Gerade dieses subtile Zwischenmenschliche macht wirklich einen großen Spannungfaktor aus, insbesondere weil man sich die jeweilige Veränderung im Pausenbildschirm jederzeit ansehen kann. Welche zwei Charaktere haben gerade Sympathien füreinander gewonnen oder doch eher verloren? Diese konstante Konfrontation mit den Butterfly Effects, dass der Spieler deutlich erkennen kann wie stark er die Geschichte wirklich verändern kann, zieht extrem an die Neugierde an und lässt auch das Adrenalin nochmals steigen.

Was damit natürlich miteinhergeht: relativ schnell hat man seine Sympathieträger herauskristalisiert und ist wahrscheinlich extrem genervt von der ein oder anderen Type. Das kann extrem viel Spaß machen, weil man die Klischees durch sein Spielgeschehen so genial unterstützen kann und ins extreme weiterführt, kann aber auch nerven, wenn sich die Charaktere so übertrieben bitchig zeigen.

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Zusätzlich auch wirklich Top bei „Until Dawn“: das Motion Capturing der Charaktere. Wer die passenden Schauspieler dazu kennt, der wird sie auch sofort wiedererkennen. So darf man sich zum Beispiel auf Hayden Panettiere (Heroes) als Sam oder auch Brett Dalton (Agents of S.H.I.E.L.D) als Mike freuen. Aber nicht nur die Charaktere sind gut erkennbar, auch zum ersten Mal seit langem hat man in der Bewegung der Charaktere wirklich nicht das Gefühl statische Figuren zu steuern. Die Bewegungen sind flüssiger, man kann seine Charaktere nicht stumpf in Ecken hinein lotsen aus denen man nie wieder herausfindet. Alles in allem eine wirklich grundsolide Steuerung und eine Motion Capturing, dass sich ausgezahlt hat.

Wer auf Horror und Jumpscares abfährt, wirklich solides Motion Capturing sehen will und mit ansehbarer Grafik und Sound zufrieden ist, der muss auf jeden Fall zu „Until Dawn“ greifen. So ein Horror-Game war selten da und wird vielleicht auch so schnell nicht wieder kommen. Also rein in das neunstündige Horror Vergnügen, dass nach dem ersten Durchzocken garantiert noch nicht aus ist. Denn die Butterfly Effects geben eine enorme Basis für den Wiederspielwert und man will einfach die unterschiedlichen Enden erkunden. (Oder einfach nur alle Charaktere sterben/überleben lassen…)

 

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PS: Für alle Trophy Hunter arbeiten wir gerade an einem Guide um alle findbaren Gegenstände zu bekommen. Also Augen offen halten, die ersten Kapitel sind schon online!

 

— Nina
Bewertung

Urteil + cinematic experience + unzählige Butterfly Effects + Setting + Charakterdefinition + Spiel mit den Genre Klischees - vorhersehbare Klischee-Scares
Alles in Allem Awesome