Fr, 25. Okt 2024

"Es sind so einige Absurditäten drin – und alle sind wichtig."

Interview mit Granada zu Album und Tour

Wie viele Momente musste ein Granada-Fan bis zum Release des neuen Albums darben? Nun, nach mittelalterlicher Definition dauert ein Moment genau eine Minute und dreißig Sekunden – davon sind 1.038.720 seit dem letzten LP-Release verstrichen. Zeit ist ja relativ, wie wir wissen, also hat die beliebte steirische Band die Wartezeit mit erinnerungswürdigen Shows, einer Live-Platte und stets cutem Social Media-Content verkürzt. Und extra viel Herz ins neue Album fließen lassen.

Seit 27.09. ist 1’30“ draußen – und nicht nur die VOLUME-Redaktion freut sich. In 12 Songs bewegen sich Granada inhaltlich zwischen nostalgisch-nachdenklich und achtsam-humorvoll und liefern dabei ihren unverkennbaren Sound, der jedes Jahr treue und neue Fans zu ihren Konzerten strömen lässt. Warum in 1’30“ sogar noch mehr Herz von allen Bandmitgliedern steckt, wieso diesmal etwas weniger „Disneyland-Kreativarbeit“ zum Einsatz kam und was beim Neuinterpretieren einer Nationalhymne spannend war – darüber haben wir mit Thomas und Lukacz gesprochen.

(c) Michael Feichtenberger

Euer neues Album heißt 1’30“ – der Titel steht für die mittelalterliche Definition eines Moments. Welche Sache, die bei euch letztens genau so lange gedauert hat, kam euch wesentlich länger vor?

Thomas: Ich glaub, das beschreibt ganz gut den Moment auf der Bühne, wenn eine Saite der Akustikgitarre reißt. Das zieht sich ewig hin – kommt einem eher vor wie eine Stunde. Eigentlich scheint die Zeit komplett stillzustehen und man sich fragt sich, ob man jemals wieder weiterspielen kann.

Anstatt allein zuhause daran zu schreiben, wurden die Songs gemeinsam als Band „erspielt“. Was waren vom Feeling her die Auswirkungen auf den Workflow, in eurem persönlichen Prozess?

Thomas: Wir haben von Grund auf gemeinsam an den Songs gearbeitet, alle mit der gleichen Null-Idee gestartet. Vieles wurde verworfen, aber dabei haben wir noch einmal ganz neu gelernt, aufeinander zu hören – und dieser Prozess hat uns geholfen, das spezielle Flair einzufangen. Es war wichtig, dass alle mit dem gleichen Mindset am Start waren, um diesen Anfangsmoment gemeinsam zu erleben und auch das Flair zu fühlen – das haben wir geschafft.

In euren neueren Songs findet sich oft das Motiv der Zeit und Vergänglichkeit. Stellt euch vor, ihr trefft euer früheres Band-Ich und habt nur „1’30“ Zeit für ein Gespräch. Welchen Ratschlag gebt ihr in dieser kurzen Spanne weiter?

Thomas: Als ich jung und blauäugig war? Ich glaube, da würde ich mich gar nicht vor vielem bewahren wollen. Alle Fehler, die ich gemacht habe, waren wichtig für meine Charakterentwicklung. Aus Fehlern lernt man. Ich würde mich eher bemitleiden und sagen: „Da kommt noch einiges auf dich zu, mein Lieber.“

Lukacz: Ich würde sagen: „Mach dir nicht so viele Sorgen, es wird schon alles.“ Es ist schon sehr wichtig, die Dinge gelassen zu sehen und sich nicht zu sehr zu stressen. Meistens kommt eh alles ein bisschen anders, als man denkt.

(c) Ingo Petramer

„Wimper“ und „Augenblick“ sind Songtitel, die mit Hinschauen zu tun haben. Worauf habt ihr in diesem Album besonders geschaut?

Lukacz: Wir haben mit Paul Gallister produziert und dabei automatisch mehr hingeschaut, was gerade um uns und mit uns passiert. Das heißt, weniger Intuition, mehr Fokus darauf, welchen Charakter wir dem Album geben wollten. Es ging darum, die Sachen zu lesen und zu verstehen.

Thomas: Volle Zustimmung. Wir sind intuitiv nicht mehr so vorgegangen, sondern mit Plan und Ziel. Bei vielen Alben ist es ähnlich: Zuerst macht man die „Disneyland-Arbeit“, ist so kreativ wie möglich, und dann sortiert man aus.

Welchen konkreten Moment aus der Albumproduktion würdet ihr gern noch einmal erleben?

Lukacz: Die Sessions beim Zwanzger Tom waren echt besonders. Wir haben uns 2, 3 Tage hintereinander getroffen, um für 30 Minuten bis 1 Stunde Ideen auszuprobieren. Es war einfach toll, gemeinsam kreativ zu sein. Man startet mit einem Beat, baut einen Groove darauf auf, und dann entwickelt sich immer mehr. Das Ergebnis kann einen wirklich beseelen. Es war schön, das zu teilen. Mit 5 Herzen und 5 Köpfen passiert einfach mehr.

Thomas: Das kann ich genau so unterschreiben. Wenn man das Herz des neuen Albums sucht, findet man es in unserer Zusammenarbeit.

(c) Ingo Petramer

1’30“ ist jetzt nicht depri, aber durchaus nachdenklich, ein Bewusstseins-Appell?

Thomas: Das ist ein Gedanke, der sich generell durch unsere Musik zieht. Da geht es um die Flüchtigkeit des Lebens. Wir arbeiten gern mit großen Bildern und versuchen genau das in unserer Musik einzufangen.

Wie geht es euch da mit Social Media und dem für viele präsenten fast “Zwang”, so viel wie möglich zu teilen?

Lukacz: Social Media ist halt Mainstream und ein dankbares Medium für Präsenz. Ich selbst habe keinen Account, wir haben das in der Gruppe aufgeteilt. Man muss halt aufpassen – nur weil man eine große Reichweite hat, heißt das nicht, dass man dann viel Publikum bei den Konzerten hat. Auf unserem Account geht es uns darum, die Fans mit Infos und Impressionen zu versorgen. Ich persönlich bin wahrscheinlich eine der ungeeignetsten Personen dafür.

Thomas: Mir geht’s super, das macht alles der Roland.

(c) Ingo Petramer

In „Augenblick“ schaut ihr euch im Video sehr kurz im Kino einen Teil eurer Reise an. Wenn „1’30“ ein Kurzfilm wäre – welches Genre wäre er?

Lukacz: Ein Liebesfilm, aber kein typischer. Eher im französischen Stil, doch mit gewisser Ironie, wie in der wunderbaren Welt der Amélie. Die Liebesgeschichte ist zentral, aber es gibt noch vieles mehr, viele Details. Auf jeden Fall eine Geschichte über Liebe.

Thomas: Da geh ich mit, es sind auch so einige Absurditäten drin – und alle sind wichtig.

Gibt es etwas Besonderes im Album, wo ihr hofft, die Fans speichern es im Langzeitgedächtnis ab?

Lukacz: Ich würde da den Song „Für immer nur mit dir“ nennen – der Arbeitstitel war „Widerlegt“. Die Botschaft dahinter ist, dass Liebe unglaublich viel ändern kann. Wir wollten diese wichtige Botschaft zeitlos ausformulieren. Oft verliert sich etwas beim Formulieren und Produzieren, aber hier ist das Wichtige geblieben. Es ist uns gelungen, den Kern der Aussage einzufangen.

Welcher Song auf eurem neuen Album war für euch der, bei dem ihr euch am weitesten aus dem Fenster gelehnt habt?

Thomas: Hm es hat sich so angefühlt, als würden wir uns bei jedem Song weit aus dem Fenster lehnen. Aber bei „Feiawerk“ war es ganz extrem. Da haben wir wirklich neue Sachen ausprobiert, die uns anfangs fast fremd vorkamen. Dafür ist es sehr gut aufgenommen worden.

(c) Ingo Petramer

Seid ihr selbstkritisch?

Lukacz: Selbstkritik hängt von der Tagesverfassung ab. Man nimmt es, wie es ist, mit eigener Haltung. Manchmal denkt man: „Ich bin das Letzte“, der nächste Step wäre dann: „Was machen die anderen da?“ Man nimmt den Fehler her und macht etwas draus. Improvisieren lernen ist wichtig und sich selbst zu verzeihen. Meistens fällt ein Fehler den Leuten gar nicht so auf.

Ihr habt in Spielberg die Nationalhymne auf eure Art interpretiert. Nicht nur meine Oma war begeistert. Was war euer Prozess bei der Neuinterpretation?

Thomas: Wir haben uns gedacht, man kann eh nur scheitern, wenn man versucht, es allen recht zu machen. Trotz anfänglicher Bedenken – warum sollte man die Hymne singen, was bedeutet das für uns – haben wir es als Herausforderung gesehen, ihr unseren Stil zu geben. Es ging darum, nicht immer alles so ernst zu nehmen, eine lustige Auseinandersetzung mit dem Ganzen zu haben. Wir haben halt einen Granada-Song daraus gemacht.

„Wir haben uns gedacht, man kann eh nur scheitern, wenn man versucht, es allen recht zu machen.“

Ihr seid wieder auf Tour. Was muss bei einer gelungenen Tour fix dabei sein?

Thomas: Es mag ein bisschen banal klingen, aber wenn man so viel reist, möchte man gern umsorgt werden. Essen, Trinken, Kaffee – das macht den Tag gleich schöner. Die perfekte Show hängt von den Tagen selbst ab, wie man sich fühlt, ohne Erwartungen. 

Lukacz: Ich freu mich immer auf das Gesamtpaket bei der Tour. Die heiße Phase davor, wo wir viel geprobt haben, auf den Sound und das Tüfteln an der Setlist und die ersten Eindrücke von den Orten, an denen wir spielen. 

Danke fürs Plaudern und wir sehen uns heute beim Konzert in Graz!

Weitere Termine:

25. Okt.

  • Orpheum Graz, Graz, Austria

05. Nov.

  • Moritzbastei, Leipzig, Germany

06. Nov.

  • Beatpol, Dresden, Germany

07. Nov.

  • Frannz Club, Berlin, Germany

08. Nov.

  • Hebebühne, Hamburg, Germany

10. Nov.

  • Artheater, Cologne, Germany

11. Nov.

  • Im Wizemann, Stuttgart, Germany

12. Nov.

  • Technikum, München, Germany