Enjoy your slay
Dungeons of Hinterberg
Ein Spiel, das Kritik an Overtourism in Österreich mit Zeldalike-Dungeons und einem Freundschaftssystem wie aus Stardew Valley verbindet? Nehmen wir gern! Ob diese Mischung auch spielerisch funktionieren kann, klären wir hier.
Es gibt viele Orte in den österreichischen Bergen, die sich Sorgen machen, was eigentlich passiert, wenn die Klimakrise das Skifahren endgültig in ein Ding der Vergangenheit verwandelt hat (oder sie sollten sich diese Sorgen zumindest machen). Hinterberg hat da Glück, denn in diesem idyllischen Dörfchen fallen plötzlich Monster ein und an bestimmten Stellen ist es den Leuten möglich, zu zaubern und Dungeons zu erkunden, die wie aus heiterem Himmel auftauchen. Das ist in der Welt von Dungeons of Hinterberg schon mehreren Orten passiert, ohne dass man so recht weiß, warum eigentlich. Dieses Mal sind eben die österreichischen Alpen dran. Hinterberg macht das Beste draus und setzt von nun an komplett auf die Vermarktung der Monster, Dungeons und Magie an zahlungsfähige Abenteuertouristen.
Luisa Dorfer ist eine von diesen Touristinnen. Sie ist eigentlich gerade in ihr Leben als Anwältin in Wien gestartet, hat dort aber in jungen Jahren schon die erste Sinnkrise und möchte in einem Urlaub als Monsterverklopperin neue Impulse für ihr fades Leben finden. Ihr verbringt also diesen Urlaub gemeinsam mit Luisa, die mit ihrem neu gekauften Schwert loszieht, um die Dungeons zu erforschen, Monster kaltzumachen und nebenbei die österreichische Alpenlandschaft zu erkunden. Dabei findet sie viele neue Freunde und Bekannte im Dorf – Abenteuertouristen wie sie selbst, Streamer, die die Monsterjagd monetarisieren möchten, aber auch Einheimische, die mit den ungewohnten Menschenmassen im Heimatort erst mal fertig werden müssen.
L(ink)uisa
Luisas Tag besteht dabei aus drei Teilen: Der Morgen geht für die Anreise in eines der verschiedenen Biome drauf, wo ihr die Dungeons findet. Die Gebiete umfassen Sumpflandschaften, Wälder, aber auch verschneite Berggipfel. Der Hauptteil des Tages dient dann zum Erkunden der Gebiete. Dabei könnt ihr euch durch einen Dungeon schnetzeln, aber auch einen entspannten Nachmittag beim Meditieren im Wald verbringen, um eure Charakterwerte aufzubessern. Und am Abend heißts dann einkaufen, Ausrüstung anlegen und socializen – wenn ihr eure Beziehungen zu den verschiedenen Charakteren im Dorf verbessert, habt ihr danach vielleicht mehr Lebenspunkte oder ihr könnt einen zusätzlichen Spezialangriff ausrüsten. Das Beziehungssystem ist dabei eher rudimentär gestaltet, reicht aber für den Hauptspielzweck völlig aus.
In den Dungeons geht es zur Sache, als wärt ihr in ein Old-School-Zelda gefallen. Mit euren Magiefähigkeiten, die sich je nach Gebiet unterscheiden, kämpft, rätselt und hüpft ihr euch durch knapp 10 bis 20-minütige Abschnitte. Die Kämpfe bestreitet ihr dabei klassisch in der Third-Person-Perspektive mit leichten und schweren Angriffen, Ausdaueranzeige beim Ausweichen und Zaubern und Spezialangriffen zum Drüberstreuen. Die Kämpfe sind dabei angenehm fordernd, aber nie allzu schwierig, wenn ihr ein wenig Erfahrung habt. Wir sind auf der normalen Schwierigkeitsstufe nie groß ins Schwitzen gekommen, solange wir brav frische Ausrüstung und Angriffe angelegt haben. Ähnliches gilt für die Rätsel: Nach kurzem Nachdenken sollten die meisten Kopfnüsse geknackt sein.
Eine runde Sache
Die einzelnen Teile von Dungeons of Hinterberg sind jetzt nichts, wofür wir die Game Awards auspacken würden, aber in der Kombination funktioniert das alles wunderbar. Für das Spielkonzept allein schon möchten wir die heimischen Entwickler von Microbird Games küssen. Das Szenario wirkt dermaßen neu und unverbraucht, wie es uns schon länger nicht mehr untergekommen ist. Es ist schwierig zu beurteilen, wie dieses Spiel von Nicht-Österreichern gesehen wird, aber als Einheimischer werdet ihr Hinterberg sofort wiedererkennen, wenn ihr schon mal außerhalb von Wien in einem kleineren Ort unterwegs wart oder vielleicht sogar aus so einem Ort kommt. Die Gebäude, die Menschen, sogar die Speisekarten, alles schreit „Touristenort in Österreich“. Dazu packen die Entwickler viele liebevolle Details in das Spiel, die euch ein Schmunzeln entlocken werden. So könnt ihr eure Zauberenergie zum Beispiel mit einer „Mana-Schnitte“ auffüllen, das Café ums Eck verkauft Apfelstrudel und in der örtlichen Bar gibt’s täglich „Après Slay“. Die Monster, die ihr mit dem Schwert verdrescht, sind an Alpensagen angelehnt, im Kino läuft der Film „Beauty and the Percht“. Man merkt an allen Ecken und Enden: Hier hat jemand eine Spielwelt gestaltet, der sich mit Österreich auskennt. Wir finden die Atmosphäre und Präsentation rundum gelungen – auch, weil das Spiel bei der Grafik nicht auf Realismus setzt, sondern einen sehr schönen, eigenen Artstyle gefunden hat.
Dabei greifen Microbird Games aber durchaus auch ernstere Themen auf: Wenn die ortsansässigen Teenager darüber berichten, dass ihr tägliches Leben durch den vielen Tourismus zu einem guten Teil daraus besteht, Gästen den Weg zum nächsten Klo zu erklären, dann lassen Orte aus der echten Welt wie Hallstatt grüßen. Wenn wir am Spiel etwas bemängeln möchten, dann kleinere technische Probleme: Wir sind mit Luisa das ein oder andere Mal an Ecken oder Felsen hängen geblieben, wo wir eigentlich gar nicht hinkönnen hätten sollen.
Die geheime Zutat: Liebe
Und so verbringt ihr eure Tage im ständigen Wechsel aus Abenteuer, Landschaftsbesichtigung und Plaudereien im Dorf, denkt gemeinsam mit Luisa über ihr Leben nach und merkt gar nicht, wie auf einmal schon zwei Ingame-Wochen vergangen sind. Wie gesagt, es sind nicht die einzelnen Elemente, die Dungeons of Hinterberg zu einem unserer Meinung nach tollen Spiel machen, sondern die Mischung und das Zusammenspiel aus allem, was die Entwickler reingepackt haben. Das hier ist kein AAA-Spiel mit ultrarealistischer Grafik und einer Open World mit Fragezeichen auf der Map zum Abarbeiten, sondern einfach ein mit Liebe gestaltetes Spiel, wo es manchmal ein bisschen ruckelt und hängt, aber nie langweilig wird. Wir haben auf dem Steam Deck auf alle Fälle sehr viel Spaß mit Luisa und den Hinterbergern gehabt, und werden das sicher auch noch weiter tun.
— Martin HammerlDas Gute
+ österreichische Atmosphäre perfekt eingefangen
+ sehr motivierender Gameplay-Loop
+ tolles Zusammenspiel der einzelnen Elemente
+ unverbrauchtes Szenario
Das Schlechte
- ab und zu technischer Schluckauf