Akrobatische Schlachtplatte, der zweite Teil
Dying Light 2
Nach einer bewegen Entwicklungsgeschichte mit Terminverschiebungen ist nun, sieben Jahre nach dem ersten Teil, Dying Light 2 erschienen. Wir haben uns tagelang durch Villedor geschnetzelt und klären nun in unserem Test, ob sich die Wartezeit gelohnt hat und ob auch Leute zugreifen sollten, die mit Teil 1 nichts am Hut hatten.
Wie eine Pandemie ablaufen kann, erleben wir seit mehr als zwei Jahren am eigenen Leib. Trotzdem ist das SARS-CoV-2-Virus nichts gegen das, was unter dem Namen „THV“ im Dying Light-Universum über die Welt gekommen ist. Das Virus tötet Menschen verlässlich rasend schnell und verwandelt sie in lichtscheue Zombies. 15 Jahre nach dem Ausbruch in der Stadt Harran im ersten Teil ist die menschliche Welt mehr oder weniger erledigt, größere Siedlungen gibt es nur noch wenige. Eine davon ist die irgendwo in Europa verortete Stadt Villedor, in die Protagonist Aiden zu Beginn von Dying Light 2 auf der Suche nach seiner Schwester Mia kommt. Die hat er seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen, nachdem beide ominöse Menschenversuche miterleben mussten. Die Suche nach Mia ist der rote Faden, der sich durch den Großteil des Spiels zieht.
Ganz im Stil des ersten Teils besteht der Gameplay-Loop von Dying Light 2 vor allem aus zwei Teilen: Parkour und Nahkampf. Aiden ist wie sein Vorgängerprotagonist Kyle Crane ein sehr mobiler Bursche, der in Windeseile Gebäude erklettert, sich Vorsprünge entlang hangelt und meterweite Sprünge über riesige Abgründe macht. Und wie im ersten Teil, sogar mehr noch, macht das einen Riesenspaß. Der Anfang ist etwas zäh, aber wenn ihr durch Hochleveln ein paar Spezialfähigkeiten wie Wandlauf oder Geschwindigkeitsboost abgestaubt habt, ist es einfach eine wahre Freude, sich aus der Egoperspektive mit Hochgeschwindigkeit über die Dächer von Villedor zu bewegen. Über die Dächer deshalb, weil in den Straßenschluchten dazwischen die Infizierten lauern, und hier kommen wir zum zweiten Teil des Gameplays, nämlich den Kämpfen. Schusswaffen gibt es so gut wie keine in Dying Light 2 (wofür zu Beginn des Spiels auch eine Erklärung präsentiert wird), also wird heiter mit allem draufgeknüppelt, was gerade herumliegt. Messer, Macheten, Feuerwehräxte, Cricketschläger – Hauptsache, es haut einen Zombie zu Gulasch. Nahkampf aus der Egoperspektive ist immer so ein Spezialfall in Actionspielen, und Dying Light 2 ist da keine Ausnahme. Wenn es funktioniert und ihr vielleicht eine der erlevelten Spezialfähigkeiten auslösen könnt, fühlt es sich gut an. Ansonsten bleiben die Kämpfe aber oft hakelig, meistens reicht es, wenn ihr mit einer Waffe stumpf draufhaut, die ein oder zwei Level höher ist als euer Gegner. Außerdem lassen sich Waffen im Gegensatz zum ersten Teil nicht mehr reparieren, außer ihr modifiziert sie, damit sie beim Hauen auch Flammen oder Strom verteilt. Eine Lieblingswaffe, die ihr hegen und pflegen könnt, werdet ihr also nicht haben, denn der Verschleiß sorgt dafür, dass ihr früher oder später umsteigen MÜSST. Wir reden hier zwar nicht von Breath of the Wild „ich hab nur zwei Mal hingehauen und der Prügel war kaputt“-Zuständen, aber schließt eure Waffen lieber nicht zu sehr ins Herz.
Parkour und Nahkampf levelt ihr wie in Skyrim durch Benutzung auf – je mehr ihr kämpft und hüpft, desto stärker und agiler seid ihr unterwegs. Außerdem findet ihr in der riesigen Spielwelt verteilt sogenannte Hemmstoffe, mit denen Aiden gesünder und ausdauernder wird. Die Dauerschleife aus Looten und Leveln funktioniert an sich zwar tadellos, aber wir empfehlen euch, den Schwierigkeitsgrad eventuell gleich zu Beginn auf „Schwer“ zu stellen. Wenn ihr nämlich nicht nur stur die Hauptmissionen abklappert, sondern euch auch ein bisschen in der Gegend umschaut und Sidequests erledigt, werdet ihr nämlich bald hoffnungslos überlevelt für alles sein. Fad wird’s durch das rasante Gameplay trotzdem kaum, eine echte Herausforderung war Dying Light 2 für uns aber oft nicht. Die Map ist vollgestopft mit Nebenaufgaben wie Hindernisläufen, Spezialmonster oder kleineren Storyquests, das sorgt schnell für Erfahrungspunkte. Im Vergleich zum Vorgänger werdet ihr auch mehr ermutigt, in der Nacht unterwegs zu sein. Da sind zwar mehr und stärkere Infizierte auf den Straßen, dafür gibt es mehr Erfahrung und ihr könnt vielleicht in finstere Gebäude rein, in denen sich untertags ein ganzer Haufen Superzombies vor der Sonne versteckt. Wir haben leider nur kein einziges Mal den Drang verspürt, in der Nacht in eines dieser Gebäude zu gehen, wenn es keine Quest verlangt hat – ihr werdet mit Craftingmaterialien und Waffen zugeschüttet, auch ohne auf nächtliche Beutetour zu gehen. Das hat dazu geführt, dass wir im letzten Drittel des Spiels sämtliche Sidequests liegen gelassen haben, da die Belohnungen dafür weit unter unserem tatsächlichen Level waren.
Das Gameplay funktioniert also, was ist mit der Story? Viel wurde versprochen im Vorhinein, dass eure Entscheidungen die Spielwelt dauerhaft beeinflussen und umbauen werden und dass ihr dadurch eine richtig tiefe Story erlebt. Naja. Es gibt zwei Hauptfraktionen, die Villedor bevölkern: Die militärisch organisierten Peacekeeper, die zwar aus guten Kameraden bestehen, aber auch gern mal faschistische Züge zeigen und Deserteure an die nächste Laterne hängen. Und dann gibt es die Überlebenden, die einfach nur in Ruhe Kürbisse ernten und Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit leben wollen. Im Laufe der Story werdet ihr einige Male gezwungen, euch zwischen den Fraktionen zu entscheiden. Außerdem könnt ihr Infrastruktur wie Wassertürme und Windkraftwerke den Fraktionen zuweisen, um dadurch verschiedene Boni zu erhalten. Die Spielwelt verändert sich dadurch zwar marginal – die Peacekeeper etwa stellen Zombie-Schnetzelfallen auf, wenn ihr euch öfter für sie entscheidet, die Überlebenden dagegen erleichtern das Vorankommen in der Stadt, aber von wirklich markanten Unterschieden reden wir hier nicht. Auch die Storyentscheidungen bleiben oft eher folgenlos, denn das Ziel der Story verändert sich kaum, nur die Wege dahin. Das ist zwar alles voll ok und es sind auch zwei, drei Charaktere dabei, die euch ans Herz wachsen werden – aber eventuell hätte Entwickler Techland im Vorhinein den Mund nicht ganz so voll nehmen dürfen.
Technisch hinterlässt Dying Light 2 auch einen zwiespältigen Eindruck. Bei unserem Test auf der Xbox Series X sind uns mehrere Bugs aufgefallen, obwohl wir schon die gepatchte Version gespielt haben, so funktioniert oft plötzlich der Ton nicht mehr und ihr müsst das Spiel neu starten, oder Personen stehen in Zwischensequenzen meterweit von dem Punkt entfernt, an dem sie stehen sollten. Auch wirkliche Gamebreaker, durch die wir Quests nicht abschließen konnten, sind uns zwei Mal begegnet. Das lässt sich alles patchen, aber poliert wirkt das Spiel aktuell nicht. Auch grafisch ist Dying Light 2 nicht ganz das Gelbe vom Ei. Ihr habt auf den aktuellen Konsolen die Wahl zwischen drei Modi: „Performance“ mit geringerer Grafikpracht, aber dafür 60 fps; „Qualität“ mit schöneren Schatten – und Lichteffekten, und „Auflösung“ mit 4K. In der Praxis haben wir alles außer „Performance“ unspielbar gefunden, da die Bildrate sonst für ein geschwindigkeitsorientiertes Actionspiel einfach zu sehr einbricht. Schade darum.
Ja, das hätte mehr werden können. Dying Light 2 ist, wenn es richtig funktioniert, ein atmosphärisches Actionfest mit Suchtfaktor. Oft genug kracht es aber an genau den falschen Stellen, seien es die fehlenden Einflussmöglichkeiten, das Balancing oder ein simpler Bug. Wir sind gespannt, was Techland für die Zukunft des Spiels noch auf die Beine stellt, laut Roadmap kommt noch einiges auf die Spieler:innen zu, aber Fans des ersten Teils oder Open-World-Actionfreunde generell können trotzdem jetzt schon zugreifen.
— Martin HammerlDas Gute
Geschwindigkeitsgefühl beim Parkour
Gameplay Loop aus Klettern, Hüpfen und Dreschen funktioniert hervorragend
Dichte Atmosphäre mit tollem Sounddesign
Wenn es hübsch ist, dann so richtig hübsch
Das Schlechte
Bugs
Balancing
Einfluss auf die Welt bleibt minimal
Technische Probleme