Höllisch gutes Rogue-like
Hades
Fast zwei Jahre steckte das Rogue-like Hades von Supergiant Games in der Early-Access-Phase. Zeit, die dem Spiel sehr gut getan zu haben scheint, denn das fertige Ergebnis ist nahezu perfekt. Unser Überblick über eines der Spielehighlights des Jahres.
Zagreus ist der Sohn des Unterweltgottes Hades, und er ist ziemlich sauer. Dem Emo-Kid ist der ewig gleiche Anblick der Unterwelt mit Skeletten und Geistern einfach auf Dauer zu fad. Also möchte er an die Oberfläche, um mal zu sehen, wie wir Menschen so leben. Das passt Papa Hades aber gar nicht, deswegen wirft er ihm allerlei Hindernisse in den Weg. Zagreus schafft es also natürlich nicht auf Anhieb aus der Unterwelt und stirbt beim Versuch, denn Hades hat über die Jahrtausende ziemlich viel Erfahrung darin gesammelt, den Weg an die Oberfläche schwierig zu gestalten. Zagreus ist aber genau wie Papa unsterblich, also versucht er es gleich noch einmal. Und noch einmal. Und noch einmal.
Das Kerngameplay von Hades besteht darin, dass ihr euch als Zagreus aus der isometrischen Perspektive durch allerlei Unterweltgetier schnetzelt. Das Spiel ist ein Rogue-like, das heißt nach jedem Durchgang fangt ihr wieder von vorne an, nämlich direkt im Büro des Unterweltgottes. Und das werdet ihr oft, denn genretypisch ist Hades ein sauschweres Spiel. Bei jedem Fluchtversuch sammelt ihr aber Erfahrung und verschiedene Zahlungsmittel – Juwelen, um die Gemächer und eure Statuswerte aufzuhübschen, Dunkelheit, um mithilfe von Ziehmutter und Nachtgöttin Nyx stärker und langlebiger zu werden, Diamanten, Titanenblut und, und, und. Kein einziger eurer Fehlschläge wird sich nutzlos anfühlen, denn einzusammeln gibt es genug. Für die Fluchtversuche stehen euch insgesamt sechs verschiedene Waffen wie Speer, Schwert oder Bogen zur Verfügung. Jede davon sorgt für ein komplett anderes Spielgefühl, aber hier zeigt sich sofort eine der Riesenstärken von Hades Die Waffen sind perfekt ausbalanciert, ihr werdet euch niemals übermächtig oder chancenlos fühlen. Das Gleiche gilt auch für die verschiedenen Hilfen, die ihr während eines Durchgangs einsammelt, und hier wird’s erst richtig spaßig, denn da kommt die Verwandtschaft ins Spiel.
In Wirklichkeit waren die Erzählungen der griechischen Mythologie immer schon sehr seifenoperartig. Wie Sturm der Liebe, nur mit mehr Verstümmelung und Blut – die Grundzüge rund um Liebe, Verrat und gekränkte Eitelkeiten der griechischen Götter passen theoretisch auch perfekt ins Nachmittagsprogramm. Hades reiht sich da nahtlos ein, denn um aus der Unterwelt zu entkommen, braucht Zagreus die Hilfe seiner launischen Verwandtschaft: Zeus, Ares, Poseidon und viele mehr. Während eines Durchgangs bekommt ihr mehrmals die Chance, Upgrades der Götter zu erhalten. Euer Speer spuckt dann zum Beispiel Blitze, wenn er Gegner trifft. Oder ihr bewegt euch dank Götterboten Hermes schneller durch die Unterwelt. Oder Athene verleiht euch einen Schutzschild, der kurzzeitig vor Attacken schützt. Oder, oder, oder. Wenn ihr dann noch mit einrechnet, dass eure Waffen auch permanente Upgrades bekommen können und ihr während des Spiels die ganze Zeit auswählen müsst, welche Verbesserung ihr gerne hättet, werden die Möglichkeiten endlos. Herauszufinden, welche Kombinationen von Waffen, Buffs und Upgrades am besten funktionieren, macht einfach einen Riesenspaß.
Das liegt nicht zuletzt am erwähnten Seifenoperfaktor. Hades ist voll vertont (zumindest auf Englisch, Texte wahlweise auf Deutsch) und bietet an jeder Ecke spannende, informative und oft auch sehr lustige Dialoge mit den Unterweltbewohnern und den Göttern. Es bringt einen einfach zum Schmunzeln, wenn sich Meeresgott Poseidon darüber beschwert, wie fad sein Bruder Hades geworden ist, oder wenn Weingott Dionysos vom Gelage schwärmt, das er und Zagreus feiern werden, sobald letzterer aus der Unterwelt entkommen ist. Abgesehen davon bietet das Spiel eine der spannendsten Storys, die wir bei einem Vertreter dieses Genres je erlebt haben, denn ganz so einfach ist es halt doch nicht, dass Papa Hades einfach nur aus Bosheit den Junior nicht ans Tageslicht lassen will. Die Dialoge werden begleitet von fantastisch gezeichneten Charaktermodellen und einem 1A-Soundtrack von Darren Korb (der übrigens auch den Zagreus spricht) – aber ganz ehrlich, damit haben wir bei Entwickler Supergiant Games gerechnet, die schon für Meisterwerke in Sachen Atmosphäre wie Bastion oder Transistor gesorgt haben. Überhaupt ist Hades neben dem ganzen Spielspaß auch ein wunderschönes Spiel. Die Entwickler verwandeln die handgemalte Unterwelt je nach Situation in einen Ort von stiller Erhabenheit oder in ein brodelndes Actionfeuerwerk. Das bleibt auch auf der Switch meistens stabil, nur wenn allzu viel auf dem Bildschirm passiert, kommt das Geschehen auf der Handheld-Konsole ein bisschen ins Ruckeln.
Es sagt aber viel aus, dass das wirklich der einzige winzige Kritikpunkt ist, der uns einfällt. Hades ist ein nahezu perfektes Meisterwerk, mit dem ihr viel Spaß haben werdet, wenn ihr auch nur annähernd etwas mit dem Genre oder griechischer Mythologie anfangen könnt. Dass das Spiel außerdem je nach Plattform nicht mal 30 Euro kostet, setzt dem Ganzen noch die Unterweltkrone auf.
— Martin HammerlDas Gute
+ wunderschöne und atmosphärische Spielwelt und Musik
+ perfekt ausbalancierte Waffen und Fähigkeiten
+ trotz hohen Schwierigkeitsgrades nie unfair
+ riesige Langzeitmotivation
+ knackige, unterhaltsame Dialoge und Geschichte
Das Schlechte
- die Switch kommt in hitzigen Actionsequenzen leicht ins Straucheln