Das Gute und das Schlechte
My Ugly Clementine im Interview
Sophie Lindinger, Mira Lu Kovacs, Kathrin Kolleritsch und Barbara Jungreithmeier sind die neue Supergroup – eine adäquate Bezeichnung für vier Ausnahmetalente, die unter dem Namen My Ugly Clementine und mit der Veröffentlichung nur eines gemeinsamen Fotos ihr Debütkonzert in nur kürzester Zeit ausverkauften. Obwohl sie bis dato erst zwei Songs veröffentlicht haben, ist bereits jetzt klar: Das wird etwas Großes – etwas, wonach sich die österreichische Branche gesehnt hat. Grund genug, sich mit Sophie und Mira zusammenzusetzen.
My Ugly Clementine, die neue Supergroup. Wie findet ihr diese Bezeichnung?
Mira: Es ist total schön, dass man uns so nennt, weil das bedeutet, dass man unsere vorangegangenen Projekte auch super findet und sich denkt: Da haben sich viele gute Personen zusammengetan. Somit ist es ein netter Stempel, obwohl ich ehrlich sagen muss, dass ich zu Anfang geprustet habe. (lacht)
Ist dieser Stempel mit Druck für euch verbunden?
M.: Hat man das schon vor dem ersten Song gesagt? Dann ja. (lacht)
Sophie: Ja, wir haben nur das Foto von uns vieren gepostet und das erste Konzert damit angekündigt – und das war plötzlich ausverkauft, ohne dass die Leute vorher Musik gehört hatten. Dadurch war schon Druck da. Hält die Musik den Erwartungen stand? Aber die Songs gab es schon, das heißt, das war eher so: „Ok, jetzt können wir sie eh nur mehr releasen!“ Während des Schreibens haben wir keinen Druck gehabt. Die ersten Nummern sind dann aber gut angekommen und die Bezeichnung ist geblieben! (lacht)
M.: Ja, stimmt! Es ist immer noch eine Supergroup. (lacht)
War immer klar, dass nicht-männliche Personen in der Supergroup spielen sollen?
S.: Mir war es wichtig, aus meinem Kreis rauszukommen, meinen Horizont zu erweitern und Menschen zu fragen, die ich extrem bewundere. Das hätte auch ein Mann sein können. Es ging mehr darum: Diese Personen sind super, deswegen will ich mit ihnen spielen.
M.: Abgesehen davon machen wir etwas, das wir sonst nicht machen: Ich bin Side-Woman, Sophie ist Side-Woman. Kathrin singt und spielt Schlagzeug gleichzeitig – ganz oft Lead-Vocals, was doch eine spezielle Situation und eine Herausforderung ist. Für Babs ist es in dieser Form vielleicht auch eine neue Situation. Wir wollten uns selbst aus der Reserve locken und Sachen machen, die wir sonst nicht machen, und uns das auch zutrauen.
S.: Genau, wir sind nicht in unserer Comfortzone, sondern wir machen etwas Neues. Doch es ist eigentlich relativ easy, wie wir in den Proben schnell gemerkt haben.
M.: Ja, wir passen auch vom Mindset hereinfach wahnsinnig gut zusammen. Allen ist es wichtig, sehr gründlich und direkt miteinander zu kommunizieren. Wir wissen das gegenseitig an der jeweils anderen Person zu schätzen. Eine glückliche Familie. (lacht)
Die Clementine und ihr knalliges Orange stechen sofort ins Auge. Was symbolisiert sie für euch?
S.: Ich fand die Phrase lustig, weil es eine Spielerei mit Bandnamen aus den 90ern und dem Genre ist – My Bloody Valentine, Bullet For My Valentine, usw. Unser Sound wird auch oft als 90er-Rock beschrieben.
M.: Meine erste Assoziation war so: Die Clementine ist eine süße, kleine Frucht – süß im Sinne von: Sie schmeckt süß. Sie ist auch etwas Hübsches, Ansehnliches … und My Ugly Clementine klingt so, als würde man etwas, das man stiefmütterlich behandelt hat, z.B. irgendeine Eigenschaft von sich selbst, wieder liebevoll aufnehmen. Als würde man versuchen, gewisse düstere Seiten von sich selbst wieder zu sich zu nehmen und zu nähren, sodass sie wiederzu einer vollwertigen Eigenschaft von einem werden kann.
S.: Letztens hat jemand bei einem Konzert gerufen: „Warum ist die Clementine ugly? Ich versteh‘s nicht!“ (lacht) Ich habe mir gedacht: „Ja, weil im Leben auch nicht alles immer super schön ist!“ Es ist eine schöne Metapher, an die ich beim Ausdenken eigentlich gar nicht gedacht habe.
M.: Die Welt ist schon ziemlich g‘schissen manchmal … eigentlich sehr oft.
S.: Auch unsere Songs passen thematisch: Das Empowerment der eigenen Fehler und Dämonen, die man so im Kopf hat, und der Grenzen, die man sich selbst setzt, und das „Gut-genug-sein“ … auch wenn man selbst glaubt, man wäre ugly – nicht nur äußerlich, auch innerlich. Ich finde den Bandnamen umso passender, je mehr ich darüber nachdenke.
Apropos „Good Enough“ … in diesem Song wird der Protagonistin von außen gesagt, sie wäre nicht gut genug, was jedoch ein Thema ist, mit dem wir uns immer wieder selbst auseinander setzen müssen.
M.: Das ist etwas, das Sophie und ich beim Songwriting gemeinsam haben – dialogische Inhalte so zu schreiben, dass sie leicht als Monolog- und Reflexionstexte gelesen werden können. Manchmal fängt es damit an, dass ich etwas von einer Person spüre, dann aber merke: „Moment, das sage ich mir eigentlich gerade selbst auch.“ Dieses Selbstreflektorische wird manchmal dialogisch angestoßen, endet aber in einer Auseinandersetzung mit sich ganz alleine.
Wie darf man dann „The Good The Bad The Ugly“ in diesem Kontext verstehen?
S.: Kein Mensch ist perfekt, aber wenn du Interesse an mir hast – nicht nur sexuell oder romantisch, sondern daran, Freunde zu sein oder mit mir zu arbeiten – dann musst du akzeptieren, dass ich nicht nur das oder das bin. Dann musst du akzeptieren, dass ich zum Beispiel Themen, die mir wichtig sind, besprechen will, oder dass ich jemanden darauf aufmerksam mache, wenn sich die Person falsch verhält. Oder dass ich für mich und andere einstehe. Oder ab und zu grantig bin.
M.: Ich habe das Gefühl, man hat so Angst, eine Person in ihrer Ganzheit kennen zu lernen. Denn da gibt es auch die schirchen, dunklen Seiten. Diese Gesamtheit macht die Person aber erst aus. Die meisten Menschen, die ich ganz kennenlernen durfte, wurden dadurch greifbarer und schöner. Bei den anderen bleibt immer eine Mauer dazwischen. Das interessiert mich nicht mehr. Ich will keine oberflächlichen Beziehungen führen. Es ist viel spannender, sich den ganzen Schas auch anzuschauen.
„So I lost myself again in my head.“ – In welchen Situationen verliert ihr euch am meisten?
S.: Ich verliere mich tatsächlich beim Musikmachen. Da vergehen oft Stunden. Das ist schön: Sein eigenes Bewusstsein für ein paar Stunden zu verlieren, weil man einfach nur Musik rauslässt. Ich verliere dann sozusagen meine menschliche Hülle und bin dann nur noch eine schwebende Seele, die Musik macht.
M.: Mich muss man zum Loslassen zwingen. Mir fällt das nicht so leicht, weil ich Kontrolle zu schätzen weiß. Wenn es mal passiert, bin ich auch dankbar, aber selber initiiere ich es selten. Letztens musste ich mich bei einem Videodreh rückwärts ins Wasser fallen lassen. Das hätte ich nie von selbst gemacht. Doch ich war überwältigt von dieser Freiheit, im Wasser zu sein. Man muss mich immer ein bisschen anstupsen. Das passiert in letzter Zeit aber öfter und es tut extrem gut.
Zum Schluss: Arbeitet ihr schon an eurem Debütalbum?
S.: Es wird auf jeden Fall nächstes Jahr ein Album geben – wann genau, wissen wir noch nicht.