Spiel nicht mit!
Wanda im Interview
Mit ihrer neuen Platte „Ciao!“ begrüßen Wanda ein neues Kapitel ihrer beeindrucken den Erfolgsgeschichte. Wir haben uns mit Marco Michael Wanda und Manuel Christoph Poppe über Album Nummer vier, ihren Absturz vor ein paar Jahren und die größten Probleme unserer Gesellschaft unterhalten.
Was ist anders am neuen Album?
Marco: Es ist immer noch eine Wanda-Platte. In letzter Konsequenz können wir nur das tun, was wir beherrschen. Man ist also von Haus aus etwas eingeschränkt. Ich glaube aber trotzdem, dass „Ciao!“ unser vielseitigstes Album ist. Und wahrscheinlich auch das Beste – zumindest seit „Amore“. (lacht)
„Die Neue ist wie ein buntes Universum.“ Wie sieht dieses Universum aus?
Marco: Was das Album wirklich zu erzählenhat, ist der Interpretation des Publikums über-lassen. Die Deutung des Autors ist für mich eine Enteignung des Konsumenten. Was die Hörer darin sehen, ist viel wichtiger, als das, was ich darüber schwafle.
Wie leicht ist euch Album Nummer vier von der Hand gegangen?
Marco: Es war schon eine Phase, die mich mitgenommen hat. Ich habe die Lieder sehr schnell geschrieben und mich hat total inspiriert, dass auch andere in der Gruppe angefangen haben, Lieder zu schreiben – sehr ernsthaft, konzentriert und mit tollen Ergebnissen. Wir haben ein paar gute Monate gehabt.
War es dann genauso schnell im Kasten?
Marco: Ja! Wir haben uns in einem Haus an der tschechischen Grenze ein Studio eingerichtet. Vor den Fenstern waren Bäume. Da lässt es sich schon anders arbeiten. Normalerweise bist du in dunklen Kellerstudios und gehst kettenrauchend im Kreis, bis du dran bist. Das hat was von einer Arztpraxis. (lacht)
Manuel: Vor dem Haus waren auch ein Fußballplatz und ein Teich. Wir haben in den Pausen Fußball gespielt und gegrillt. Und in einer Woche war das Album eingespielt.
Marco: Der typische Ablauf war: Ein Lied aufnehmen, grillen, Fußball spielen, zusammenbrechen – wir sind zehn Kettenraucher – und dann wieder hinein. Alles sehr schön, aber auch streng regiert von unserem Produzenten Paul Gallister, der es tatsächlich geschafft hat, dass fünf Rockmusiker jeden Tag um 08:00 Uhr aufstehen. Das ist eine große Kunst für sich. (lacht)
Im ersten Interview mitVOLUME 2015 habt ihr gesagt, dass dem „Hype“ um österreichischeMusik nicht zu trauen ist. In den letzten vier Jahren hat sich viel getan. Kann man dem Hype mittlerweile trauen?
Marco: Aus dem Hype ist in Österreich eine breite Etablierung von einigen Gruppen geworden. Für andere nicht, aber so ist das Spiel nun mal. Wir hatten das Momentum, dass diese Welle aus dem Nichts kam, auf unserer Seite. Ob sich das wiederholen lässt, bezweifle ich. Ich glaube nicht, dass junge Bands aktuell in einer dankbaren Situation sind. Denn da, wo Erfolg in greifbarer Nähe ist, verliert sich schnell der Fokus auf das Wesentliche: die Musik. Aktuell gründen sich sehr viele Gruppen, aber ob sie was zu sagen haben, ist eine andere Frage …
Was würdet ihr jungen Bands raten?
Marco: Wir hatten mit Wanda Jahre Zeit unbeachtet, unkritisiert und unkommentiert herauszufinden, was wir sagen und tun wollen. Wie wir klingen und aussehen wollen. Ich halte den Hype bei jungen Bands für ein falsches Versprechen. Ich würde raten, da nicht mitzuspielen und den Vertrag nicht zu unterschreiben, sondern zu warten und zu arbeiten, bevor man in diesen Zirkus einsteigt, der einen zweifelsohne vollkommen vernichten kann.
Wenn man durch Nachrichten-Apps scrollt, hat man fast das Gefühl, man zieht sich eine „Swing Shit Slide bzw. Swipe Show“ rein. Wie schafft ihr es, in Zeiten von „Schredder-Affäre“ und „Ibiza-Gate“ nicht ins Politische abzudriften?
Marco: Wir sind keine politische Band. Wir sind eine religiöse und spirituelle Gruppe. Wir führen Menschen zusammen, die sich nicht kennen. Das ist für mich viel wichtiger als der Kommentar eines Kommentars auf einen Umstand. Wenn bei unseren Konzerten Menschen unterschiedlichster Denkweisen, Ideologien und Lebensarten zusammenfinden und sich am Ende schwitzend und weinend in den Armen liegen, verschafft mir das weitaus mehr Genugtuung, als wenn ich mit politischen Slogans kommunizieren würde.
Also steht Wanda immer noch für „Amore“?
Marco: Die deutsche Presse hat das mal unser Versprechen genannt und wir sind bemüht, es einzuhalten.
„Alles schaut so gut aus, so dass man es fast glaubt.“ – Gibt es in der unglaublichen Erfolgsgeschichte von Wanda auch Schattenseiten?
Marco: Die Jahre 2016 und 2017 waren der klassische Absturz einer Rockband auf ihrem Zenit – mit absolut allem, was dazugehört. Dieses Klischee haben wir erfüllt. Vor allem in einer Form von Überreizung. Das tausendste Konzert bzw. Interview war einfach eines zu viel. Unser Geist kam nicht mehr zur Ruhe. Diese Lektion mussten wir lernen. Was uns geholfen hat, ist unsere Freundschaft, ein stabiles Umfeld, und dass wir nicht zu viele Drogen nehmen.
Und dank der großen Venues, die ihr heute spielen könnt, hat sich auch die Anzahl derShows reduziert …
Marco: Absolut. Und alles hat sich professionalisiert. Früher waren wir dem professionellen Anspruch gar nicht gewachsen. Bei unserem ersten Konzert 2016 in der Wiener Stadthalle haben wir noch mit einem streichholzschachtelgroßen Verstärker gespielt, woraufhin der Techniker meinte: „Seids ihr eigentlich wahnsinnig? Bei aller Liebe, aber das ist die Stadthalle und nicht das Chelsea.“ (lacht)
Manuel: Unser Tontechniker war auch unser Fahrer, Tourmanager, Babysitter und alles dazwischen.
„Am schönsten wäre ein schneller Tod“ – Was möchtet ihr davor noch erledigen?
Marco: Ich möchte zu dem Fazit gelangen, dass ich mit meinem Lebensweg niemandem allzu weh getan habe.
Manuel: Wenn die Apokalypse kommt, möchte ich auf jeden Fall nicht überleben. Ich werde in keinen Bunker gehen und mir dort eine Dose Linsen zubereiten. (lacht)
In welcher Lebenssituation würdet ihr bei Gerda Rogers anrufen?
Marco: Wahrscheinlich in keiner. Ich alleine möchte die Deutungshoheit über mein Leben und insbesondere meine Zukunft haben. Außer einen sehr geliebten Menschen würde ich niemanden um Rat bitten.
Die Sterne stehen gut für Wanda. Amore & Ciao, Baby!