Fear Inoculum - Tool
Tool
Fear Inoculum
RCA Records
2019

Die Veröffentlichung eines neuen Tool-Albums war immer schon ein Ereignis – im Falle von „Fear Inoculum“ zudem potenziert durch knapp 13 Jahre Wartezeit. Wo die Vorfreude und das Mysterium um die Band dadurch auch gerne weiter überhöht wurden, unterstreicht spätestens die HD-schwere CD-Box, dass die Rückkehr der Prog-Metaller mit viel Brimborium als gebührendes Spektakel verstanden werden soll, selbst im Jahr 2019.

Doch Überraschung! Der dazugehörige Tool‘sche Signature-Sound unterläuft all die aufgebauten Erwartungshaltungen nun letztendlich ebenso mühelos, wie er sie kaum überraschend bedient, indem „Fear Inoculum“ im Grunde seines Wesens genau eines nicht sein will: ein Spektakel.

Entschleunigt, unaufgeregt und meditativ existieren diesmal immerhin kaum brachial befriedigende, griffige Entladungen. Keenan singt weich und aggressionsbefreit, Drummer Carey darf seine Göttlichkeit in einem Quasi-Solo-Song demonstrieren. Drumherum pulsiert es ätherisch komplex, alles fließt in sich geschlossen. Sieben Songbrocken (neben den digital nachgereichten Interludes) holen erstaunlich zugänglich ab, ohne sich rasch zu erschließen; knüpfen ästhetisch nahtlos an die Vorgängerplatte an, versetzen dabei jedoch in eine erhebende Orientierungslosigkeit, weil Tool neben einigen Synthie-Arrangements die hypnotischen Strukturen und flächigen Spannungsbögen mittlerweile so weit öffnen, dass praktisch keine kompakten Hits mehr möglich sind.
So entsteht selten eine überschwänglich packende Euphorie, aber eine süchtig machende Zufriedenheit. Auch eine unmittelbare Vertrautheit ohne Zeitgefühl, deren tatsächliche Tragweite man mutmaßlich wohl erst in den kommenden (13) Jahren richtig einschätzen können wird. Alleine die mit jedem Durchgang wachsende Vorfreude auf diese Erfahrung war dann jede Wartezeit wert.

 
— Oliver Gutbrunner
Lautstärke

Release 2019-08-30
Shortcut 4872 days
Highlight „Culling Voices”
Connection Oceansize, Isis, Karnivool, A Perfect Circle