Streng geheim und extrem langweilig
Pauls Jets im Interview
Pauls Jets stehen als Band zwar gerade erst am Anfang, werden aber jetzt schon als das nächste große Ding gehandelt – und das obwohl ihr Debüt „Alle Songs bisher“ erst letzten Freitag erschienen ist. Da haben wir es uns natürlich nicht nehmen lassen, mal mit dem Sänger Paul Buschnegg über das neue Album, unsere Leistungsgesellschaft und Pop-Genies zu reden.
Pauls Jets starteten ja eigentlich als Soloprojekt und heben jetzt als Band so richtig ab. Wie fühlt ihr euch mit diesem Übergang?
Geht so! Das Gute an „Band” ist, dass alles lustiger ist, das Herumreisen macht mehr Spaß, und zum Frühstück wird man zur Not aufgeweckt, damit man es nicht verpasst. Das alleine Arbeiten und Produzieren hat den Vorteil, spät nachts arbeiten zu können, wenn ein Teil der Band schläft, oder beim Frühstück, wenn dann der andere Teil der Band schläft. Wir produzieren aber auch oft zu zweit oder zu dritt, wenn wir gerade alle wach sind! Ich bin halt immer wach. (lacht)
„Ich möchte weiter üben“ – Wie lange hat es gedauert, bis ihr mit dem Album wirklich zufrieden wart? Wie perfektionistisch seid ihr?
Wir sind mittel-perfektionistisch, wir hatten eine fette Pre-Produktion, also viele Demos, die wir zuhause mit null Euro gemacht haben. Das meiste haben wir dann auch so übernommen, ohne wirklich viel zu verändern. Es hat vom ersten Song bis zum letzten Mix circa zwei Jahre gedauert, in denen aber sehr viel passiert ist. Aber es hat sich gar nicht so angefühlt, nur jetzt denke ich mir gerade, wie das Ganze möglich war? (lacht)
Die Reaktionen auf eure ersten Veröffentlichungen waren allesamt sehr positiv. Ihr wurdet zum Beispiel als die neuen österreichischen Darlings oder große Hoffnung des heimischen Pops bezeichnet, und das bereits bevor euer Album überhaupt erschienen ist. Wie geht ihr mit solch hoher Erwartung um?
Darlings sind wir echt nicht gerne. Pop-Hoffnung ist schon besser, das klingt nach Star Wars und Rebellion – heimischer Pop klingt jedoch schon wieder selten ekelhaft. Richtig heimisch ist hier keiner von uns: Romy kommt aus Karlovac und München, Xavier aus Strassburg. Ja, wir agieren hier in Wien, Ottakring und 1030 und der erste ist auch hübsch, aber würden nichts lieber als nach Köln oder Aachen oder Florenz oder Rom oder Split! Und hey, bald fahren wir auf Tour!
Eine weitere Bezeichnung, die in den Medien fiel, war Pop-Genie. Wie geht es euch mit solchen Ausdrücken? Schränken euch Labels rund um Popmusik gefühlt ein?
Ja, ein doofes Wort. Aber Pop will reproduziert und dabei auseinandergenommen werden, dazu muss man Pop hören und lieben und nachahmen wollen – das, was diverse nervige Radios runternudeln, ist ja nur ein Bruchteil von Pop. Und man darf sich nicht genieren. Ich glaube, daher kommt das Wort Genie, vom „nicht-genieren“. Das ist aber gar nicht so einfach, wie es klingt, und je mehr Mühe man sich macht, desto schwerer ist es, Pop zu machen. Pop ist Leichtigkeit und ohne Sinne sein.
Genremäßig bedient ihr euch bei „Alle Songs bisher“ an einem sehr großen Pool. Welche Einflüsse haben die Entwicklung eures Albums besonders geprägt?
Ich habe eine Zeit lang nur Moneyboy und Lou Reed gehört. (lacht)
„Wir sollen uns verlieren und die Regeln verlernen“ – Wir sind oft so in unserem Schema-Denken drinnen, dass gerade das extrem schwer fällt. Wie kann man sich trotzdem davon lösen?
Schema-Denken und Genre-Schubladen mag ich, sind sie doch die Versatzstücke einer guten Collage! Kein Diskurs ohne Schubladen, keine Gegenkultur ohne Kultur, und keine Postmoderne ohne Moderne. (lacht) Es gibt natürlich immer zwei, drei oder vier Perspektiven und das macht es tricky, aber je tricky-er desto spannender, oder? Wir machen ja Pop und nicht Gallery-Art. Wir dürfen noch leichter fliegen und mehr lügen und können dümmer sein, wir können behaupten, ohne zu recherchieren! Obwohl Xavier extrem ist intelligent ist und viel weiß, viel Recherche macht. Ausnahmen bestätigen halt die Regel. (lacht)
Wie schwer ist es trotz der allumfassenden Fülle an Medien, Musik und Kunst noch etwas Neues, anderes zu machen? Ist es überhaupt noch wichtig in der heutigen Zeit?
Ich denke, es geht immer, immer! Es ist so leicht, verdrehe eine wichtige Schraube, schon ist es anders, neu. Ob es dann cooler ist als davor, keine Ahnung. Es geht natürlich darum, dass es cooler ist; nie darum, dass es besser, effizienter, schöner oder ausgefeilter ist – das überlassen wir den Naturwissenschaften und dem Industrial Design. Ob es wichtig ist, etwas “Neues” zu machen? Als Produzent, ja, aber am besten geht kopieren. In jeder schlechten Kopie ist auch ein verdrehender Moment drinnen, wenn ich zum Beispiel die Atzen covere oder Sade kopiere, dann passiert etwas komisches, neues, anderes. Und zurück zur Hauptfrage: “In der heutigen Zeit” könnte es gern noch viel mehr “Medien, Musik und Kunst” geben, gerne mehr Förderungen, mehr Raum, mehr coole Bühnen. Wien ist da recht gut aufgestellt, aber die Zeiten werden düsterer. Ich befürchte, es wird wohl eher schlechter bestellt sein in zehn Jahren. Dann heißt es vielleicht: zurück ins private, in den Salon. Wie in der Biedermeier Zeit, als es Spitzel und harte Zensur gab … und Gefängnis als Folge.
„Üben, üben, üben, ohne Sinn dahinter“ – In unserer Leistungsgesellschaft wird man ja eher entmutigt, wenn der Sinn hinter einem Zeitvertreib nicht gleich offensichtlich ist. Warum denkt ihr, ist das so?
Das wissen wir nicht, aber es ist so gefährlich für dich und mich, nur produktorientiert zu denken. Es ist so ein Glück, einen Plan zu machen und ihn dann zu verwerfen, sich auf ein Drehmoment einlassen zu können! Wenn das alleine nicht mehr geht, dann geht es zu zweit, oder zu dritt – das nennt man in der Musik dann Band. Also Bands: Streitet euch, dreht euch, verwerft den Plan. Das ist natürlich extrem schwierig mit einem Kanzler der sagt “Leistung muss sich wieder lohnen” und einen Umbau im Sozialsystem beginnt, der nun immer selbstverständlicher zu werden scheint.
Und habt ihr auch Hobbys, die ihr praktiziert, obwohl ihr nicht talentiert darin seid?
Streng geheim und extrem langweilig. (lacht)
„Du wirst schauen was noch alles Rap sein wird“ – Es wirkt fast so, als würdet ihr euch mit diesem Song ein bisschen über die Soundcloud-Rap Szene lustig machen würdet?
Nein, es gibt nichts Besseres was dem Deutsch-Rap passieren konnte als Cloud Rap. Cool, weil es Punk ist, und so leicht, verlogen, unauthentisch, wach und antikapitalistisch. Jeder kann Cloud Rap machen, das ist das Schöne dran, alles ist erlaubt. Selbst der anfangs als peinlich empfundene Auto tune macht heute alles cool, was ohne ihn peinlich klingen würde. „Du wirst schauen was noch alles Rap sein wird“ ist ein Feature mit dem One and Only R€KTOR BU$T, check him out!
Was haltet ihr von dem Hype rund um Yung Huren & Co?
Yung Hurn ist mir zu sexistisch, aber „Ok Cool“ ist vielleicht trotzdem die beste Nummer 2018, wegen dem „de-skilling”. Das war irgendwie wieder eine Verdrehung, und die ist: fantastisch!
Werden Pauls Jets im kommenden Sommer mit dem neuen Material auch auf irgendwelchen Festivalbühnen landen? Und auf welchen der neuen Songs freut ihr auch schon am meisten bei Live Konzerten?
Ja, fix. Auf unserer Facebook Seite stehen schon ganz viele Termine. Wir spielen viel in Deutschland im Sommer aber auch in Österreich sind ein paar Termine dabei. Am meisten freuen wir uns auf „Wo stehst du mit deiner Kunst, Baby?”