The Beat Goes On
Modeselektor im Interview
Back to the Roots: Nach sehr erfolgreicher Zusammenarbeit mit Sascha Ring unter dem Bandprojektnamen Moderat konzentrieren sich Sebastian Szary und Gernot Bronsert jetzt wieder auf ihren musikalischen Ursprung. Acht Jahre nach dem letzten Album von Modeselektor erscheint dieses Jahr „Who Else“, mit dem das Berliner Duo wieder ausgiebig um diesen Planeten tourt. VOLUME hat mit Sebastian Szary ein Gedächtnistraining absolviert, Reiseempfehlungen eingeholt, Beats analysiert und die Zukunft von Modeselektor gesichert.
Gratulation! Euer Label Monkeytown feiert dieses Jahr zehnjähriges Jubiläum – unter anderem mit einem neuen Album von Modeselektor. Kannst du dich noch erinnern, wie dein Partner Gernot Bronsert und du den Jahreswechsel von 2008 auf 2009 verbracht habt?
In Linz?
Richtig, damals habt ihr dort mit einer rauschenden Party zur Silvesternacht das Kulturhauptstadtjahr 2009 eröffnet.
Lang ist’s her! Aber daran habe ich erst kürzlich wieder gedacht, denn ich neige dazu, hin und wieder meine Gedanken zu sortieren bzw. solche wiederkehrenden Lebensereignisse wie Geburtstage oder Jahreswechsel chronologisch in meinem Gedächtnis zu ordnen.
Ob als Modeselektor oder zusammen mit Sascha Ring als Moderat: Euer Sound ist auf der ganzen Welt bekannt und gefragt. Dementsprechend seid ihr in den vergangenen Jahren auch viel herumgekommen. Welche Kulturmetropolen kannst du noch empfehlen?
Auf Tour bleibt leider wenig Zeit für Sightseeing. Dennoch versuche ich, die jeweilige Stadt auch abseits der Konzerthalle zu entdecken. In Wien habe ich bei unserem letzten Gastspiel eine größere Erkundungsrunde mit dem Fahrrad gedreht. Hängt natürlich immer davon ab, wie es der Tagesplan und die Aufbauarbeiten zulassen, aber ein paar Erinnerungsfotos oder ein Abstecher in die traditionelle Küche vor Ort sollten schon drin sein! Mich persönlich haben vor allem ehemalige Ostblockländer sehr positiv überrascht, die man nicht unbedingt gleich auf den Schirm hat, wenn es um sogenannte Kulturmetropolen geht. Georgien zum Beispiel kann ich empfehlen! Doch die Frage lässt sich nicht ganz so leicht beantworten, ist natürlich alles sehr subjektiv. Ähnlich, wie wenn ich nach dem besten Techno-Track aller Zeiten gefragt werde.
Der da wäre?
Ob es das Beste ist, was Techno zu bieten hat, sei jetzt mal dahingestellt. Aber „Rip The Cut“ von Planetary Assault Systems ist ganz weit vorne dabei.
Mit eurem neuen Album „Who Else“ widmet ihr euch wieder den unterschiedlichen Facetten moderner Techno-Musik. Wer von euch zwei alten Hasen organisiert die Zusammenarbeiten mit jungen Wilden wie Flohio oder Tommy Cash?
Willkommen im digitalen Zeitalter! Das Internet macht’s für Künstler noch einfacher, direkt zu kommunizieren. Gernot ist zufällig bei Instagram auf Tommy Cash gestoßen und hat ihn dann einfach angeschrieben. Schnell war klar, dass der Junge zu unserer Produktion passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Zufall oder Schicksal sei jetzt mal dahingestellt. Bei Flohio geht die Geschichte ein wenig anders: Ursprünglich wollten wir Skepta für eine Kollaboration gewinnen, dessen Managerin hat uns aber schnell zu verstehen gegeben, dass die Chancen hier gegen Null gehen. Dafür hat sie uns Flohio empfohlen, die wir schnell in unser Musikerherz geschlossen haben. Spätestens, als das Mädel aus South London in einem Trainingsanzug von Borussia Dortmund in unserem Studio stand, war das letzte Eis gebrochen.
Wie kommt eine englische Rapperin zum BVB?
Indem ihr Gepäck aus London nicht mit nach Berlin fliegt und sie sich in einem Sportgeschäft ein gemütliches Outfit für die Arbeit im Aufnahmestudio gönnt. Der schwarz-gelbe Anzug hat ihr perfekt gepasst – von den Farben her, nicht wegen der Leidenschaft zum Fußball.
Wie erfolgreich war die Suche bei „Who Else“ nach dem Beat, den ihr noch nicht gemacht habt?
Gernot und ich sind sehr glücklich mit dem neuen Album, weil es gelungen ist, unsere Skizzen der letzten zwei Jahre auf acht feine Songs zu konzentrieren. Für „Prügelknabe“ haben wir erstmalig mit einem Roland TR-909 gearbeitet. Bei „Who“ mit Tommy Cash ist eine Kick Drum zum Einsatz gekommen, die nur aus Hall und einer unglaublichen Breite besteht. Wir haben allgemein sehr viel herumexperimentiert. Auch gut zu hören beim letzten Albumsong „Wake Me Up When It’s Over“. Hier habe ich das Intro ins Laptopmikrofon gestöhnt, als ich mir eines Morgens einen Kaffee aus der Studioküche geholt habe. Ich hatte einfach Bock auf einen Song, der nach R&B bzw. Hip-Hop klingt. Text oder sinnvollen Sprechgesang dazu gab es jedoch nicht, darum das Gestöhne. Gernot hat meinen Entwurf sofort gefeiert und danach seinen musikalischen Beitrag dazu geleistet, so dass „Wake Me Up When It’s Over“ zum perfekten Abschlusssong für das Album geworden ist.
In „Wake Me Up When It’s Over“ steckt also nicht der Wunsch, irgendwann aufzuwachen und mit diesem ganzen Musikwahnsinn nichts mehr zu tun haben, um ein normales Leben zu führen?
Ganz im Gegenteil, bei Modeselektor ist noch lange kein Ende in Sicht. The Beat Goes On! Auch wenn wir uns in naher Zukunft mehr mit dem Konzertieren als mit dem Produzieren beschäftigen werden.