Codename: S.T.E.A.M - Nicht genug Dampf
Aliens fallen ins viktorianische Steampunk-London ein und Figuren aus diversen Büchern, angeführt von Abraham Lincoln, müssen sie aufhalten.
Die Geschichte hinter Codename: S.T.E.A.M ist also vor allem eines: skurril. So ist es in den Missionen durchaus normal, dass der Löwe aus “Der Zauberer von Oz” sich mit seiner Waffe in eine Gegnermenge katapultiert, die von Tom Sawyer ausgekundschaftet wurde. Auch unbekanntere Charaktere sind vertreten, etwa der Hauptcharakter Henry Fleming aus “Die rote Tapferkeitsmedaille”. Entwickler Intelligent Design sind unter anderem verantwortlich für die Fire Emblem-Reihe, weswegen die dazugehörigen Amiibo ebenfalls als Charaktere auftauchen können, vorausgesetzt man besitzt sie. Durch die stilisierte Comic-Grafik wirken Marth&Co gar nicht so fehl am Platz, wie man es erwarten würde, und bringen sogar neue Möglichkeiten ins Spiel ohne übermächtig zu wirken.
Die Missionen laufen fast immer nach dem selben Muster ab: Das Team von bis zu 4 Charakteren wird in einem Gebiet abgesetzt und zumindest einer muss das Ziel erreichen. Nur manchmal gibt es Eskortmissionen, Bosskämpfe, oder ähnliches, um die Monotonie aufzubrechen. Es handelt sich immer um eine Reihe von Missionen, Charaktere die im Kampf fallen, werden bei Beginn der nächsten Mission wiederbelebt, senken allerdings den Score am Ende der Reihe. Gespeichert wird automatisch nach Missionsende. In Missionen gibt es auf der Karte verteilt einmal benutzbare Speicherpunkte. Speichern an sich ist gratis, aber optional kann man hier für eine Geldsumme auch die Aktionspunkte der Charaktere wieder auffüllen.
Das Spiel ist rundenbasiert, man kann frei zwischen allen Charakteren durchschalten, eine Übersichtskarte gibt es nicht. Je nach Ausrüstung hat die momentan ausgewählte Spielfigur, gesteuert aus dritter Person, eine Menge an Dampf, wie die Aktionspunkte hier heißen. Ob Waffe oder Bewegung, alles kostet Dampf, und wenn keiner mehr da ist, kann man nichts mehr machen und muss mit der nächsten Figur weitermachen. Solange die Figur allerdings nicht geschossen hat, oder selbst unter Beschuss gekommen ist, kann sie frei herumgehen, der Bewegungsradius geht allerdings immer von der Startposition des aktuellen Zuges aus. Um die Bewegung zu simplifizieren, gibt es ein quadratisches Gitter als Grundlage, nur der Übergang von einem Feld zum nächsten kostet.
Leider ist die Anzahl der Aktionspunkte anfangs stark begrenzt, und steigt im Lauf des Spiels nicht großartig an, was die strategischen Optionen mindert. Wenn man nur 10 Punkte zur Verfügung hat, und der Granatwerfer pro Schuss 4 verbraucht sinkt das Tempo in der Mission auf Schneckenniveau. Und steht damit im krassen Gegensatz zum Missionsdesign, denn eigentlich soll man so schnell wie möglich ans Ende kommen, lässt man sich zu viel Zeit erscheinen immer wieder neue Gegner (von hinten, versteht sich) um einen anzutreiben. Dabei sind die Karten immer voll mit Geld und Zahnrädern, die man einsammeln muss, um die Truppe zwischen den Missionen aufwerten zu können. Man muss also einerseits vorsichtig vorgehen, da die Helden in einem Hinterhalt sehr schnell KO gehen, andererseits aber auch so schnell wie möglich alles einsammeln und ans Ende kommen. Der oben erwähnte lähmend, langsame Granatwerfer ist dabei essentiell, um Hindernisse zu zerstören, unter denen sich Geld versteckt.
Aber das wäre alles nicht so schlimm, wäre wenigstens das Kampfsystem halbwegs kompetent. Ist es aber nicht. Grundsätzlich kann man mit dem ausgewählten Charakter auf Gegner im Sichtbereich zielen, was allerdings im Sichtbereich ist, und was nicht, entscheidet das Spiel basierend auf dem Gitter, und nicht auf dem, was tatsächlich zu sehen ist. Denn nur wenn ein Gegner tatsächlich “zu sehen” ist, kann man auch auf ihn schießen. Standardwaffen wie Gewehre haben dafür ein Fadenkreuz, das mehr oder weniger genau anzeigt, wohin die Schüsse gehen werden. Drückt man ab, wird je nach Waffe eine gewisse Anzahl an Schüssen simuliert, es kann dabei durchaus vorkommen, dass auf einen Meter Entfernung alle Kugeln ins Nichts gehen. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen besitzen Gegner violett leuchtende Schwachstellen, trifft man diese, so verursacht man Extraschaden. Sie sind allerdings immer so positioniert, dass man mehr Schüsse verfehlt wenn man sie treffen will, was folgende Frage aufwirft: “Wozu der Blödsinn?” Die selbe Frage stellt sich auch bei der Bedienung des Granatwerfers, dessen Geschosse in einem außerordentlich beliebigen Bogen fliegen. Das wäre ja noch zu verkraften, allerdings gibt es für die Reichweite 3 Einstellungen – schwach, mittel, stark – die gleichzeitig die Höhe beeinflussen. Im Endeffekt kann man damit nur Gegner treffen, die in einer Linie vor einem stehen, und jede Art von Decke macht die Waffe komplett unbrauchbar. Immerhin darf man damit frei zielen.
Ich wollte das Spiel mögen – viele Ideen sind sehr solide umgesetzt, das Setting ist interessant, wenn auch gar klischeebeladen – aber dann gibt es ja auch noch die KI. In ihren eigenen Zügen bewegt sie sich stur auf die Spielerpositionen zu und ist dadurch recht vorhersehbar. Sie kann allerdings auch in Spielerzügen auflauern, bewegt man sich dabei in Reichweite feuert sie sofort. Nun wird man wahrscheinlich nicht in Position sein zurückzuschießen, will man sich weiterbewegen um einen besseren Winkel zu bekommen schießt die KI gerne noch einmal und betäubt den ausgewählten Charakter, der dann bis zur nächsten Runde ausfällt. Frustration pur.
Fazit
Das Spiel verlangt eine strategische Herangehensweise und verzeiht kaum Fehler. Gleichzeitig unterstützt es einen dabei in keinster Weise. Ohne Übersichtskarte ist es schwer zu planen und der hohe Glücksfaktor zerstört dann noch jeden Versuch von Strategie. Eine Menge an verschenktem Potential, denn immer ist zu erkennen, was die Entwickler geplant hatten. Im Endeffekt bleibt ein designmäßig unzusammenhängender Haufen, der mich entweder frustriert oder gelangweilt hat. Vielleicht. weil es eben viel besser sein könnte.
— Christian Novotny