Summerlove

Sommer, Sonne, Sex. Klingt logisch, ist auch so: Wenn die warme Jahreszeit Kontrolle über den Hormonhaushalt übernimmt, drehen Weiblein und Männlein gleichermaßen am empfänglichen Sender. Da kann es schon passieren, dass nur der befriedigende Moment zählt, um für Abkühlung zu sorgen. Auch im Urlaub gibt es keine Ablenkung von sexuellen Hitzegelüsten, gan im Gegenteil. Sophia und Alex wissen Bescheid.

  

Alex:

Als ich 22 war, habe ich das erste Mal das Meer gesehen. Meine Eltern machen lieber Urlaub in Österreich und ansonsten hatte ich nie die Möglichkeiten für weite Reisen. Aber irgendwann hab ich es nicht mehr ausgehalten und bin nach langem Sparen für vier Wochen nach Thailand abgehauen. Ich und mein Rucksack. Ich habe mir damals keine großartigen Sorgen um irgendetwas gemacht, ich wollte einfach nur weg. Ganz genau erinnere ich mich noch an den Moment als ich endlich am Strand war, die Weite des Meeres. Geil. So fühlt sich also Urlaub an! 
  
Die ersten Tage vergingen wie im Flug. Doch nach einer Woche wurde mir langweilig. So ganz allein am Indischen Ozean. Was war das doch noch gleich, was den Urlaub versüßt und aufregend macht? Ach ja, die Urlaubs-Romanze! Ein Mann musste her. 

Ich war recht unerfahren und wusste nicht so genau wie ich am Besten zu einem Urlaubsflirt kommen sollte. Deswegen war ich sehr erleichtert als sich die Dinge von selbst fügten. Damien war sein Name und wir haben uns auf einem Boottrip nach Khao Ta-Pu, der James-Bond-Insel, kennen gelernt. Er war aus Australien und Anwalt. Ebenfalls allein unterwegs, dunkelhaarig und behaart. Ein Traum. Wir waren uns auf Anhieb sympathisch und machten an diesem Tag alles gemeinsam. Ich war lange nicht sicher ob da mehr laufen könnte, Damien war sehr auf hetero getrimmt. Doch als er mich fragte, ob ich ihn am Abend in seinem Luxushotel besuchen wolle, sagte ich natürlich ja. 
  
‚Ein Mann musste her‘

Das Hotel war eigentlich ein Ressort und hatte einen eigenen, abgesperrten Strandabschnitt, an dem am Abend nichts los war. Wir machten es uns auf einer Decke bequem. Ich erinnere mich noch an seine kurzen Army-Shorts die seine Vorzüge, stark behaarte Unterschenkel, so richtig schön zur Geltung brachten. Er konnte gut küssen. Auch war es das erste Mal, dass mir jemand dreckige Sachen auf Englisch ins Ohr flüsterte. Im beleuchteten Hotelpool hatten wir ebenfalls noch sehr viel Spaß. Das einsame Ressort bei Nacht war eine perfekte Sexkulisse! Ich fühlte mich wie in einem schwulen Hollywoodfilm mit Rock Hudson. Nach etwas Kuscheln und der Zigarette danach beschloss ich wieder zu gehen. Ich wusste, dass er in drei Tagen zurück nach Australien fliegen würde und Fernbeziehungen waren noch nie mein Ding. Wenn es um Emotionen geht, muss man – besonders im Urlaub – vorsichtig sein. Das habe ich wohl früh erkannt. Meine erste Ferienromanze war in Wirklichkeit also ein ‚Ferien-One-Night Stand‘. Aber das Intermezzo mit dem Aussi war so toll, dass ich mich immer noch gerne an ihn erinnere. Im Gegensatz zu so manch anderen Typen.

‚Dunkle Haut, sportlich, muskulöser Körper, süsses Grinsen‘
  
Urlaub. Fern der Heimat ist man relaxt, genießt die Umgebung und sieht sich selbst ganz anders. Ich bin immer erstaunt, warum ich das nicht auf zu Hause übertragen kann. Doch kaum bin ich wieder zurück, fällt es mir auch wieder ein: Die grantigen Leute, das beschissene Wetter, alles beim Alten. Und doch glaube ich, dass man sich ein Stück vom Urlaubs-Ich bewahren kann. Zum Beispiel in Form von grauenvollen, billigen und bunt bedruckten T-Shirts, die ich in Thailand gekauft habe. Irgendwie habe ich im Urlaub einen anderen Geschmack, auch was Männer anbelangt. Ok, Damien war wirklich attraktiv, aber ein auf hetero getrimmter Anwalt mit Anzug? 

Auch ein gutes Beispiel war der Horrortrip zum Madonna-Konzert nach Amsterdam.Schon lange vor unserer Trennung gemeinsam gebucht, waren mein Ex, Ich und ein paar Bekannte Gefangene unseres Schicksals bzw. Stolzes. Keiner wollte zu Hause bleiben und dem Anderen das Feld überlassen. Zum Glück hatten wir kein gemeinsames Hotel, trotzdem trafen wir uns alle am Abend vor dem Konzert in einem Club. Da es nicht sehr lustig für mich war, meinem Ex-Freund dabei zuzusehen wie er stark alkoholisiert hinter jedem Typ mit Muckis her war, ging ich an die frische Luft. In diesem Moment war alles etwas zu viel und ich erinnere mich noch genau wie ich da so stand. Allein und emotional durcheinander in Amsterdam.

Ich beschloss eine Runde zu drehen. Erst jetzt bemerkte ich, dass mir jemand gefolgt war. Ein schlanker, junger, weißblondierter Mann mit Glitzer-Sakko, enger Heroinhose und Agyness-Haarschnitt sprach mich an. Er hatte mich offenbar schon eine Weile beobachtet und die Situation mit meinem Ex mitbekommen. Auf jeden Fall war er  an diesem Abend für mich da. Wir setzten uns irgendwo an den Straßenrand, er hatte eine Flasche Wodka dabei und ich erzählte ihm alles. Er kam aus Amsterdam, war der typische alternative ’80er-Trash-Rocker‘ und sehr viel jünger als ich. Er wäre mir vielleicht aufgefallen, aber ich hätte ihn wahrscheinlich nicht als Beute in Betracht gezogen. Doch jetzt, im Gespräch, entpuppte er sich als äußerst intelligentes Bürschchen. Er war es der mir sagte, ich solle mich zusammenreißen und mit ihm nach Hause gehen, schließlich sei das auch mein Urlaub und der Typ da drinnen wisse ja gar nicht was er an mir hat. Das tat ich dann auch. Wir hatten eine wundervolle Nacht und am nächsten Tag ging ich erhobenen Hauptes zu Madonna. Express Yourself!

Meinen schönsten Urlaubsflirt aber hatte ich vor kurzem erst auf Mauritius. Nach vierzehn Stunden Flug war ich plötzlich mitten im Sommer! Schon am ersten Tag hatte ich einen Sonnenbrand weil ich so viel herumgelaufen war ohne die große Hitze zu bemerken. Das hielt mich allerdings nicht davon ab, das Nachtleben zu erkunden. Es gibt in Mauritius keine deklarierte ‚Gay-Bar‘. Also beschloss ich mich einfach mal umzusehen und dem Schicksal freien Lauf zu lassen. Es gibt sicher auch auf Mauritius Schwule, wir sind schließlich überall. Mein Weg in den ‚Buddha-Club'(den gibt´s offensichtlich überall?) führte an einem kleinen Internet-Café vorbei, wo die Einheimischen am Abend zusammen saßen. Ich war ziemlich flott unterwegs, weil ich noch einen langen Weg vor mir hatte und die Straßen nicht beleuchtet waren. Doch im vorbeigehen bemerkte ich diesen geilen Typen. Dunkle Haut, sportlich, muskulöser Körper, süßes Grinsen. Allerdings wieder mal sehr auf hetero getrimmt, so in die Richtung Beach-Hip-Hopper. Unsere Blicke trafen sich nur kurz und ich räumte mir nicht viele Chancen ein. Deswegen ging ich einfach weiter. Der Club erinnerte mich mit seinem Pool, an dem nur alte Menschen saßen eher an eine Szene aus Cocoon und ich musste mir wohl eingestehen, dass ich umsonst losgegangen war. Also wieder zurück. Ob ER wohl noch da war? Ich kippte einen Wodka und ging. Kurz vor dem Café bemerkte ich, dass es schon geschlossen hatte. Nun ja, meine Erwartungen waren ohnehin nicht sehr hoch gewesen. 

Doch während ich so im Gedanken vertieft auf die andere Straßenseite wechselte, lief er plötzlich an mir vorbei. Unsere Blicke trafen sich, doch ich brauchte zwei Sekunden um zu reagieren. Als ich mich nach ihm umdrehte, war ich erstaunt, dass auch er stehen geblieben war und sich umsah. Es lag etwas in der Luft. Wir grinsten uns an und versuchten ein Gespräch zu beginnen. Das war gar nicht so einfach, da er nur Französisch und fast gar kein Englisch sprach. Ziemlich schnell verstand ich, dass er mit mir zum Strand wollte. Ich war mir nicht sicher, ob er mich ficken oder umbringen wollte. Man überlegt sich so etwas, wenn man allein unterwegs ist und Claude, so hieß er, war extrem muskulös und ganz sicher stärker als ich. Da mich genau das aber so geil machte, folgte ich ihm. Wie sich schnell herausstellte, waren meine Ängste unbegründet. Wir küssten uns ganz romantisch unter einem riesigen Vollmond in einer kleinen Bucht, das rauschende, nachtschwarze Meer im Hintergrund. Er dürfte schon länger keinen tätowierten, blonden Touristen mehr gehabt haben. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Blutergüsse auf der Eichel, so stürmisch saugte er an mir herum. 
  
‚Ich hatte Blutergüsse auf der Eichel‘

Wir hatten noch ein paar nette Tage und kamen uns auch emotional etwas näher, allerdings schaltete ich mein Hirn nie ganz aus. Sogar E-mail-Adressen haben wir getauscht. Ab und zu schreibt er mir. In gebrochenem Englisch. Wie er mit seinem kleinen Boot jeden Tag Fische fängt, um sie dann zu verkaufen. Oder von dem kleinen Gemüsestand, der seinem Bruder gehört, dem er ab und zu aushilft. Und dass er an mich denkt. 

Ich sitze dann in meiner Altbauwohnung und ertappe mich bei dem Gedanken alles hinzuschmeißen, nach Mauritius zu ziehen um der Freund eines dunkelhäutigen Fischers mit Traumkörper zu werden. 

Sophia:

Urlaubsflirt. Der Geruch von Sonnencreme, Salzwasser und Teenagerschweiss kommt mir da ins Gedächtnis. Erste sexuelle Gehversuche in windigen Zelten und Knutschen im Sand. Bevor ich meinen „ersten richtigen Freund“ hatte, hatte ich Urlaubsflirts. Geprägt vom allgegenwärtigen Wissen über die Vergänglichkeit desselben verschenkte ich mein junges Herz unter Palmen, in Grossraum-Discos und auf Motto-Parties.

T., wir waren beide 15, das erste Mal in London, alles war furchtbar aufregend. Zwar unterwegs in der Gruppe, doch im Grunde wurde die Aufsichtspflicht sehr konsequent verletzt und wir konnten tun und lassen, was wir wollten. Bei Fish & Chips, Cider und selbstgedrehten „Zigaretten“ hinterm Klohaus kamen wir uns näher. Nächtelanges Rumgemache bis zum ersten Vögelzwitschern und als Resultat Knutschflecken, die gewaltigen Hämatomen glichen. Nach zwei Wochen war alles vorbei, er „wolle keine Fernbeziehung“ (10 Haltestellen mit der S-Bahn trennten unser junges Glück..). Naja, die Trauerphase dauerte etwa 1 Woche.

‚Ich lernte dabei, dass ihn das nur noch heisser machte‘

Wenig später standen die Sommerferien vor der Tür, 2 Wochen Sardinien mit dem Veranstalter RUF-Reisen (wir waren uns sicher, die Abkürzung stünde für „Reihern und Ficken“..). Schon kurz nach der Ankunft verlor ich mein Herz an M., doch er schien mich nicht zu beachten, zeigte kein ernsthaftes Interesse, ich war verunsichert und einsam, da stand schon H. auf der Matte. Optisch das fleischgewordene Versprechen eines weiblichen Urlaubsflirt-Wunschtraumes. Skater, Baggy-Shorts, die irgendwo in den Kniekehlen baumelten und einen Waschbrettbauch, bei dem selbst Peter André heulend zu seiner Mami gelaufen wäre. Das einzige Problem? Der Knabe hatte ungefähr den Intellekt einer Reiswaffel und mein Herz schlug nach wie vor für den eher moppeligen M. Aber der wollte ja nicht und so erhörte ich den knackigen Poser. Wenn wir alleine waren, wurde er recht schnell recht zudringlich und ich fand es einfach zu unromantisch und „nicht richtig“ diesem Typen meine kostbare Unschuld zu schenken. Also verbrachte ich den restlichen Urlaub damit ihn sexuell in die Grenzen zu weisen und lernte dabei, dass ihn das nur noch heißer machte. Der Urlaub ging vorbei und ich rechnete fest damit weder H. noch M. jemals wiederzusehen (Da sie etwas weiter weg wohnten als 10 S-Bahn-Haltestellen). 

Ein weiteres Schuljahr verstrich und außer einer kurzen „Beziehung“, die ich nach 2 Wochen wieder beendete, passierte nicht viel. Der Typ war mir etwas zu langweilig und außerdem maß er 2,02 m und das war selbst mit meinen höchsten Plateau-Sandalen beim Knutschen die Hölle.

Leider war er so verliebt gewesen, dass er sich auch für den diesjährigen „RUF-Reisen“-Urlaub mit angemeldet hatte. Mein schlechtes Gewissen diesbezüglich war begrenzt, da noch viele andere Freunde von uns mitfuhren, es ging nach Spanien, an die Costa Brava, Lloret de Mar – ein Klassiker!

Schon kurz nach der Ankunft traf mich der Schlag! M., meine unerhörte Liebe vom Vorjahr war auch da – das konnte kein Zufall sein, das Schicksal hatte uns füreinander bestimmt! Aber wie schon im Vorjahr machte er keine ernsthaften Anstalten sich für mich zu interessieren. Im Gegensatz zu seinem besten Freund C., einem feurigen Ungarn.

‚Meine unerhörte Liebe vom Vorjahr war auch da‘

Und so kam es, dass ich schließlich eines Abends wieder bei dem Falschen im Zelt landete, wieder mit dem Erhalt meiner Unschuld zu kämpfen hatte und irgendwie nicht glücklich war mit der Gesamtsituation. Am nächsten Morgen beschloss ich mein Glück selbst in die Hand zu nehmen und es bei M. noch einmal zu versuchen. C. war sowieso ein Ladykiller, dem war es relativ wurscht, wer am nächsten Abend sein Opfer sein würde, die Auswahl war ja vor Ort gegeben. Im Laufe des Tages zog ein Gewitter auf und alle flüchteten sich ins Badehaus, wo bald eine wilde Party im Gange war. Ich schnappte mir leicht angetrunken M. und fing an mich in einer abgelegenen Ecke mit ihm zu unterhalten und merkte langsam, dass er einfach nur wahnsinnig schüchtern war. Das war also der wahre „Grund“ seiner Zurückhaltung.

Zwei Freunde von mir hatten eine Wette abgeschlossen, dass wir die Nacht gemeinsam verbringen würden und uns netterweise ein leerstehendes Zelt gesichert. Der Regen prasselte herab und irgendwann küssten wir uns, das war soooo romantisch!

Ja, einer meiner Freunde gewann die Wette und wurde den ganzen nächsten Tag von dem anderen bedient, M. hat davon nie erfahren. Ach, was war das Leben voller Freude, ich war bereit ihm meine Unschuld  zu schenken. Doch dazu kam es dann leider nicht. M. war selbst noch viel unerfahrener als ich und trotz zahlloser Versuche bekamen wir es einfach nicht hin, es wäre PERFEKT gewesen. Der Urlaub näherte sich dem Ende, die Option „Fernbeziehung“ gab es nicht bei zwei deutschen Bundesländern, die uns trennten. Schweren Herzens und tränenreich verabschiedeten wir uns, nach 2 Wochen bekam ich noch einen Brief mit einem gemeinsamen Foto, das einige Zeit meine Pinnwand zierte. Mama fragte neugierig, wer das denn sei und ich grinste nur.

Zwei Monate später lernte ich dann meinen „ersten richtigen Freund“ kennen, eine Woche später verlor ich meine Jungfräulichkeit, im Herbst, in einem Ikea-Hochbett zu Radio-Musik. Nicht so romantisch. Im Nachhinein betrachtet, wundere ich mich selbst über die Leichtfertigkeit, mit der wir uns in diesen Urlauben trafen, verliebten, Schluss machten, wieder zur Schule gingen. Aufregende Dinge passierten (fast) nur im Urlaub. Wir hatten entsetzliche Räusche von Batida de Coco und unsere ersten Lachflashs, wir tanzten zu „Underwater Love“ und Ricky Martin und trugen Wickelröcke, Neckholder-tops und Hawaihemden. Was wohl aus T., H.,C. und M. geworden ist? Sind sie verheiratet, schwul, glücklich? Ich werde es vermutlich nie erfahren..

This must be underwater love
The way I feel it slipping all over me
This must be underwater love
The way I feel it