Mi, 7. Jul 2010

Michi Beck im Interview: Für dich immer noch Michi Beck

Deutschlands heißester Rapexport: Die Fantastischen Vier. Mehr als zwanzig Jahre prägt das Stuttgarter Musikquartett den deutschen Sprechgesang auf sehr erfolgreiche, durchaus anspruchsvolle und äußerst sympathische Weise. Im Mai haben Smudo, Thomas D, And. Ypsilon und Michi Beck ihr neues Album ‚Für Dich Immer Noch Fanta Sie‘ veröffentlicht, mit dem sie beim diesjährigen Forestglade zu sehen und zu hören sind. Ein Teil der Vier ist auch am Frequency Festival 2010 vertreten: Michi Beck als Turntablerocker, zusammen mit seinem Partner Thomilla. VOLUME im Gespräch mit dem MC und DJ Michi Beck über moderne Kunst, Schizophrenie und Frauen beim Arzt.

Eure neue Platte hört auf den gehaltvollen Namen ‚Für Dich Immer Noch Fanta Sie‘ – ein fantastisches Wortspiel.

 

Allerdings. Wir vier sind einfach solche bescheuerten Wortfetischisten, dann kann so etwas auch schon mal passieren.

 

Bescheuert ist in diesem Zusammenhang vielleicht etwas zu hart. Aber wieso lassen sich die über 40er Fantas auf ihrem Albumcover als kleine Buben illustrieren? Angst vor der äußerlichen Realität?

 

Genau so sieht es aus. Aber ernsthaft: Wir haben uns gemeinsam gefragt, wie wir uns in dieses abgefreakte Acidartwork einbauen lassen sollen. Naturgetreu und realistisch? Witzlos, das ganze Album hat mit Realismus nichts zu tun! Dann hatten wir angedacht, uns als alte Greise darstellen zu lassen. Auch eine Möglichkeit, aber diese androgyne, zeitlose Darstellung unserer Personen hat einfach am meisten überzeugt und harmoniert perfekt mit den restlichen Elementen auf dem Cover. Dass wir darauf ohne Falten zu sehen sind, kommt uns allen natürlich sehr entgegen.

 

Außerdem zu entdecken: Vier leuchtende Grazien über euren Köpfen und sieben fliegende Zwerge an eurer Seite – wer wurde hier verewigt?

 

Endlich konnten wir die vier Frauen in unserem Leben bauchpinseln, die sieben Zwerge sollen unsere Kinder darstellen. Auf dem ganzen Cover sind lauter kleine Geschichten von den Fantas künstlerisch interpretiert und eingebaut. Beispielsweise die Sonnenfigur vor dem Spiegel am linken unteren Bildrand: Sie steht auf zwei Quadern – auf dem einen ist das offizielle Gründungsjahr der Fantatischen Vier, 1989, zu sehen, auf dem anderen eine waagrechte Acht, das Zeichen für Unendlichkeit. Nur eines von vielen weiteren Details.

 

Für jemanden, der euer neues Artwork bis heute noch gar nicht bzw. nicht gründlich studiert hat – wie lässt sich das visuelle Gesamtkunstwerk zu ‚Für Dich Immer Noch Fanta Sie‘ beschreiben.

 

Am besten als eine Mischung aus den Stilen von Hieronymus Bosch und Mark Ryden.

 

Und wer ist der wahre Künstler dahinter?

 

Ein durchgeknallter Serbe, der uns in dreimonatiger Arbeit eine Komposition aus digitaler Kunst via Photoshop bzw. Illustrator und teilweise auch klassischer Malerei geschaffen hat. Der Kollege heißt Marla, ein Freund und Landsmann von unserem Videoregisseur Zoran Bihać – beide ähnlich stechapfelverseucht. Aber wir schätzen diese Art von Wahnsinn! Für mich das beste Albumcover der Fantatischen Vier bisher.

 

Na bitte, klingt ja wie der optische Zenith eurer Karriere. Dann auch noch das: In dem abschließenden Song auf eurem akutellen Album fragt ihr euch und die Zuhörer ‚Was wollen wir noch mehr?‘ – wie lautet die Antwort darauf? Rente?

Keine Angst, wieder so ein Spiel mit Worten, denn schon die Frage ‚Was wollen wir noch mehr?‘ trägt eine gewisse Zufriedenheitsaussage in sich. Und zwar: ‚Was können wir uns jetzt noch wünschen?‘. Es gibt auf diese rhetorische Frage keine Antwort, zumindest nicht von uns. Denn so lange das Publikum noch mehr von den Fantastischen Vier hören will, können wir uns nichts Besseres vorstellen und sind wunschlos glücklich. Darum heißt es in dem Song ja auch ‚Wollt ihr noch mehr? Was wollen wir noch mehr?‘. Verstanden?

Verstanden! Zu deinem Solosong auf eurem neuen Werk: ‚Das Letzte Mal‘, eine tiefenpsychologische Analyse einer verbrauchten Partyseele – wie viele Selbsterfahrungswerte werden hier von dir verarbeitet?

Klar spreche und reime ich auf diesem Song aus eigener Erfahrung, da ich schon seit Jahren DJ bin, Stichwort ‚Turntablerocker‘. Was ich beobachtet habe ist, dass viele meiner gleichaltrigen Kollegen zwanghaft versuchen, die Ravekultur und all ihre Klischees künstlich hochzuhalten. Wie ein verbitterter Mechanismus: abstürzen, Gas geben und durchdrehen am Wochenende, aber von Montag bis Donnerstag innere Leere und Antriebslosigkeit. Nicht, dass ich etwas gegen ausgelassenes Feiern hätte – ganz im Gegenteil, ich bin selbst gerne und berufsbedingt in Clubs unterwegs. Aber meine Generation befindet sich in einem gewissen Scheidewegalter zwischen Verantwortung und Inhaltslosigkeit. Und genau um diese Schizophrenie geht es in ‚Das Letzte Mal‘.

Wie kam es zur Weiterverwertung von Booka Shade auf deren Album ‚More!‘? Auch hier sprichst du über ‚Das Letzte Mal‘.

Die Welt ist ein Dorf! Walter Merziger (Anm. d. Red.: ein Teil des Duos Booka Shade) und ich sind seit ein paar Jahren Nachbarn, sehen uns außerdem alle regelmäßig auf gemeinsamen Auflegereien oder Festivals. Irgendwann haben die Jungs mich dann gefragt, ob ich nicht etwas zu ihrem neuen Album textlich beitragen möchte. Als ich damit angefangen habe, kam zur gleichen Zeit dieses vorher beschriebene DJ-Kulturphänomen in mir hoch und ich hatte schnell genügend Zeilen zusammen. So viel Text haben Booka Shade für ihr Stück gar nicht gebraucht, aber wir haben uns auf folgenden Deal geeinigt: Sie produzieren uns einen Track für das Fantas Album, auf dem mein kompletter Gesang zu hören ist. Dafür bekommen sie den Refrain und ‚Das Letzte Mal‘ für ihr Album.

Jetzt stellt sich die Frage, wie du beide deiner Projekte – Turntablerocker und die Fantastsichen Vier – erfolgreich unter einen Hut bringst, ohne schizophren oder Ähnliches zu werden? Ein Tipp für den auflegenden Nachwuchs vielleicht?

Zur Förderung der Karriere als DJ: weniger Drogen und auch mal früher nach Hause gehen. Das hilft! Für mich ist das Spannungsfeld zwischen Bandmusikant und DJ kein Problem, denn wenn wir als Fantas zusammen sind, dann konzentriere ich mich darauf und bin ganz bei dieser Sache. Dazwischen bleibt ausreichend Zeit, sich anderen, eigenen Projekten zu widmen – wie beispielsweise auflegen oder produzieren als Turntablerocker mit meinem Freund Thomilla.

Was steht im Hause Turntablerocker als nächstes an?

Wir arbeiten gerade an einem Remix, für wen wird jedoch nicht verraten. Aber wir werden ihn sicherlich bei einem unserer Auftritte spielen. Also, Ohren auf!

Gar nicht so einfach, euch beim Plattenverlegen zu hören. Im Verhältnis zu anderen vergleichbaren Größen lasst ihr euch in letzter Zeit eher selten in Clubs oder auf Festivals blicken. Irgendwelche Gründe dafür?

Mangelnde Nachfrage ist es auf jeden Fall nicht. Klar ist in der Zeit mit den Fantas wenig bis gar kein Turntablerocker drin. Trotzdem gäbe es durchaus die Möglichkeit, in der verbleibenden Zeit häufiger aufzulegen. Jedoch haben Thomilla und ich unsere Prioritäten vom ‚Durchdrehen im Club‘ in Richtung ‚Zusammensein mit der Familie‘ verschoben. Dafür ist jeder verbleibende Abend im Club etwas Besonderes und Kostbares für uns. Qualität statt Quantität sozusagen.

Von der wir uns am diesjährigen FM4 Frequency Festival überzeugen lassen können. Mit welcher Technik arbeitet ihr als DJs aktuell?

Als für Mac das Programm ‚Final Scratch‘ erhältlich war, sind wir direkt von Vinyl auf digital umgestiegen. Das dürfte fünf Jahre her sein, mittlerweile sind wir beim ‚Traktor Scratch‘ gelandet und arbeiten damit auf zwei Laptops. Damit haben wir die Freiheit, jedem Track eine individuelle Note zu verpassen – sei es durch zusätzliches Vocals oder perkussive Elemente.

Jedes eurer Sets ist also neu?

Nicht ganz. Klar haben wir über die Jahre einige Sounds entdeckt, mit denen wir regelmäßig arbeiten. Darum kann ich jetzt nicht behaupten, dass alles immer komplett neu ist – dafür mit Sicherheit jedes Mal einmalig. Unser Setup beim Auflegen bietet uns fast unbegrenzte Möglichkeiten, dynamisch und individuell zu spielen. Ich finde jedoch nach wie vor essentiell, als DJ mit dem Publikum zu interagieren, den Überblick über seine Playlist zu behalten und dabei eine gute Show abzureißen. Sonst läufst du Gefahr, zur menschlichen Jukebox mit tausenden MP3s zu mutieren.

Wer ist aktuell der heißeste Turntablerocker in der DJ-Szene?

Kommt immer darauf an, was einen persönlich kickt. Loco Dice hat sich über die Jahre als starker DJ bewiesen, genauso wie Dixon konstant feine Hörware produziert. Beide haben einen anderen Stil als ich, musikalisch sind sie aber sicher sehr feine Elektroniker.

Auf welches Happening im Sommer freust du am meisten?

Auf der Bühne stehen mit neuem Material von den Fantastischen Vier. Das ist immer wieder eine der schönsten Sachen überhaupt: Shows spielen mit unbefleckten Songs und frisch einstudierter Bühnenperformance. Natürlich geht die Fußballweltmeisterschaft auch nicht spurlos vorbei. Immer geil, wenn die Mannschaft aus deinem Land so gut dabei ist und noch besser spielt. Am Sonntag geht’s direkt von der Festivalbühne vor den Fernseher. Finale – hoffentlich!

Viel Erfolg! Unser Finale: dein absoluter Lieblingswitz?

Kurz und schmerzlos: Kommt ’ne Frau beim Arzt!

Ein bisschen Spaß muss sein. Danke für das Gespräch und bis bald – erst in Wiesen, dann in St. Pölten.

 

 

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