Placebo im Interview - Londoner Lehrjahre
Als Steve Forrest vor einem Jahr als neuer Drummer von Placebo vorgestellt wurde, hat ihm Brian Molko in Interviews noch gern dezent das Mikro aus der Hand genommen, um für seinen Lehrling zu antworten. Jetzt ist die Probezeit vorbei und Steve darf alleine für sich sprechen. VOLUME hat ihn in London angerufen und beim zwölften Versuch dann endlich erwischt: US-Boy Forrest war nämlich noch im Supermarkt einkaufen und stand dort – höchst britisch – brav in der Schlange.
Steve, deine ersten zwei Jahre mit Placebo – fass mal zusammen.
Weißt du, es war…(schnauft noch vom Supermarkt-Stress). Irgendwie fühlt es sich an wie zehn Jahre. Auf einmal hab ich vor 100.000 Menschen gespielt. Dann kam die erste Goldene Platte und der MTV Award. Ich habe die Welt gesehen, die coolsten Leute getroffen, mit den größten Bands gespielt. Mein Leben hat sich durch Placebo so ins Bessere verändert, das kannst du dir nicht vorstellen. Das sind die besten Jahre meines Lebens. Der ganze Umzug nach London, der Neuanfang hier gemeinsam mit meiner Freundin. Ich bin endlich wirklich glücklich. Das war ich vorher nie.
Stichwort London: Du bist aus Modesto, Kalifornien. Wie hast du den Kulturschock zwischen Westcoast USA und Großbritannien erlebt?
Am Anfang war es schwierig. Du kennst ja niemanden, wenn du von einem Moment auf den anderen in ein fremdes Land, auf einen anderen Kontinent, ziehen musst. Ich habe mich aber schnell eingewöhnt, und England fühlt sich schon irgendwie wie Heimat an. Wenn ich jetzt nach Kalifornien fliege, halte ich es ein paar Wochen aus, bevor es mir auch wieder reicht. Ich denke, dass mir England ins Blut übergegangen ist. (lacht)
Voriges Jahr hat mir Brian im Spaß erzählt, dass er dir ein Jahr Probezeit geben würde.
(lacht) Die Feuertaufe! Aber ich habe den Job ja noch, also mache ich ihn wohl gut. Wir sind schnell zusammen gewachsen. Die Chemie zwischen uns ist immer besser geworden, und jetzt sind wir auf einem Level, wo alles stimmt.
Du bist mehr als zehn Jahre jünger als Brian und Stefan. Worüber redet ihr, wenn ihr ins Pub geht?
Wir gehen nicht oft gemeinsam weg. Wir verbringen, nein, besser, wir sind ja ohnehin gezwungen, viel Zeit miteinander zu verbringen. Aber wenn wir mal auf ein Bier gehen, dann geht’s um das Übliche: Was im Leben des anderen so passiert, Fußball, Musik. Ein großes Hobby von Placebo ist, dass wir uns gegenseitig ständig derb verarschen. (lacht)
Man hat das Gefühl, dass Placebo seit hundert Jahren ununterbrochen touren. Du bist zwar noch nicht lang dabei, aber verliert man bei derartigen Monstertouren nicht manchmal die Motivation?
Ja, sogar sehr oft. Das ist wie in jedem anderen Job, wenn du morgens wach wirst und einfach nicht in die Arbeit gehen willst. Aber diese Stimmung dauert nie lang an. Es ist ja auch weniger das Touren, das einen müde macht, sondern Dinge wie unser Interview gerade…
…Soll ich auflegen?
(lacht) Du weißt, wie ich das meine. Promo und der ganze Schnickschnack. Aber sobald ich auf die Bühne gehe, ist alles wie weggeflogen. Dann kommt das Adrenalin und…KICK! Here we go! Die Magie eines Auftritts kann den beschissensten Tag retten. Es gibt keinen Vergleich zu diesem Gefühl.
Was war der verrückteste Tour-Moment bisher?
Ich möchte es nicht verrückt nennen, aber als Brian in Japan auf der Bühne bewusstlos wurde, das war schon ein… hm… interessantes Erlebnis. Gut war aber, als ich Slash getroffen hab…
…oh, ich hatte letztens auch das Vergnügen. Große Persönlichkeit, oder?
Verdammt, du hast wahrscheinlich sogar mit ihm gesprochen. Mich hat er leider nur nach Feuer gefragt, und ich hab mich gefühlt wie ein Teenie. Aber mir fällt gerade noch was ein: Brian, Stefan und unser Manager haben mir in Paris einen ziemlich blöden Streich gespielt. Das klingt vielleicht nicht sehr nach Rock’N’Roll, aber für mich war’s arg. Mir wurde beim Einchecken gesagt, dass es in meinem Hotelzimmer spukt. Ich bin anfällig auf so etwas, weißt du? Und immer, wenn ich nicht in meinem Zimmer war, haben die dann gemeinsam die ganze Einrichtung ein wenig umgestellt. Den ganzen Tag. Ich hab dermaßen Angst bekommen, dass ich das Hotel wechseln wollte. Brian hat’s mir dann erzählt und ist lachend vor mir am Boden gelegen.
Hast du selbst eine kranke Angewohnheit auf Tournee?
Ich weiß nicht. Viele würden wohl sagen, dass es irgendwie komisch ist. Aber kurz vor einem Konzert sperre ich mich zehn Minuten ins Klo. Das ist dann mein ruhiger Platz, wo ich mich sammle. Sonst kann man ja nirgendwo allein sein. Ich muss mir vor einem Konzert auch immer Stand-Up-Comedian-DVD’s ansehen. Die bringen mich in die perfekte Stimmung, um rauszugehen und Gas zu geben. Frag nicht, warum. Das gehört zum Ritual.
Sorry, aber: Stefan ist knapp zwei Meter groß, du eher nicht so. Verarscht dich der Schwede ab und zu, weil du ihm maximal bis zu den Nippeln reichst?
(lacht lang) Nie! Stef und ich umarmen uns oft, und dann muss er sich immer runterbücken. Lustig wird’s, wenn little Brian und little Steve ihn gemeinsam umarmen, haha.
Danke, Steve. Brav weitertrommeln und bis im September auf österreichischem Hoheitsgebiet!