Fr, 19. Nov 2010

Richie Kotzen - Real Hot Rock-Shit im Reigen

Im deutschen Sprachraum wäre er wahrscheinlich als Kind solchen Schikanen ausgesetzt gewesen, dass dies für immer sein Ego zerstört hätte, und die Welt wäre um einen ihrer größten Künstler ärmer geblieben.

So gerammelt voll war das Reigen schon lange nicht mehr. Und das, obwohl die Karten für den Gig 25 Euro gekostet hatten. Ein ganz schön gesalzener Preis. Nichtsdestotrotz, die Leute sind gekommen. Und sie wären wohl auch gekommen, hätte Ing. Wolfgang Windbacher, Veranstalter des Kulturverein Reigen-live, nochmal fünf Euro mehr verlangt. Denn wer da gleich auf der Bühne alles geben wird, ist niemand geringerer als Richie Kotzen höchstpersönlich.

Richie Kotzen. Im deutschen Sprachraum wäre er wahrscheinlich als Kind solchen Schikanen ausgesetzt gewesen, dass dies für immer sein Ego zerstört hätte, und die Welt wäre um einen ihrer größten Künstler ärmer geblieben. Aber – thank god – Richie wuchs in Philadelphia auf. Er gilt als einer der besten Gitarristen der Welt. Hat außerdem eine unglaubliche Stimme und schreibt all seine Songs selbst. Neben seiner Solo-Karriere spielte Richie bei der Hardrock-Band Poison aus Pennsylvania und Mr. Big, die sich um Billy Sheehan, den virtuosesten Bassisten der Szene, formiert hatte. 2006 tourte er als Opening Act der „A Bigger Bang Tour“ mit den Rolling Stones durch Japan.
Das musikalische Allroundtalent startete schon früh mit seinen Plänen durch: mit sechzehn erscheint das erste selbstbetitelte Album und 21 Jahre später, Richie ist heute 37 Jahre alt,  ist der Musikmarkt um weitere 21 CDs des Wunderknabens aus Philadelphia reicher. Die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit mit der Kotzen seine Songs produziert, kann ihm so schnell kein anderer Künstler nachmachen. Es scheint fast, als schüttle er sich seine musikalischen Ergüsse einfach so aus dem Handgelenk. Bleibt dabei stets seiner Linie treu, Hardrock, mit Jazz- und Blues-Elementen verfeinert. Dazu die einzigartige, rauchige Stimme, die das Gesamtpaket perfekt abrundet. Voila, das ist Richie Kotzen.

Zurück zum Reigen. An Publikum fehlt es Richie also nicht. Mit einem Bassisten und dem Schlagzeuger betritt er die Bühne. Kurze Begrüßung und Kotzen wirft die Gitarre an. Seine Stimme füllt den Raum. Vollkommen in sein eigenes Spiel versunken liefert er den Zuhörern zwei Stunden lang meisterhaft perfektionierte Riffs, orgiastisches Gitarren-Geheul, emotionsgeladene Songs. Die Atmosphäre im Reigen ist geladen von Richie Kotzen, von der Art und Weise, wie er aufgeht in seiner Musik und das Publikum mitnimmt, in seinen Bann zieht. Großer, düsterer Mann, lange schwarze Haare, tätowiert. Männer finden ihn unendlich cool, Frauen unglaublich scharf. Und: „Er sieht heute sehr nüchtern aus“, meint ein Besucher „Wenn er zugedröhnt ist, zeigt er nicht so viel Emotion.“ Heute ist er radikal, er ist echt. Ein bisschen Chris Cornell, in seinen besten Jahren, aber Blues-lastiger. Und Soul fließt auch ein wenig mit, Einflüsse seiner Kindheit, wie Richie einmal in einem Interview erzählte. Etwas ganz eigenes, in dieser Art und Weise einmaliges.

Verkanntes Genie?
Nach dem Konzert sitzt Richie im Reigen, isst Spinatstrudel und trinkt Bier. Im Nichtraucher-Bereich. Ohne Gitarre, die schwarze Kapuze über den Kopf gezogen. Etwas müde vielleicht. So wie seine Zuseher auch. Die sich wohl alle dieselbe Frage stellen: Reigen, ist zwar schön und gut (hey, das Reigen ist genial!) aber wie kann es verdammt noch einmal sein, dass dieser riesig-große Musiker nicht vor ausverkaufter Stadthalle spielt? Wieso drängeln sich nicht hunderte Frauen um seinen Tisch, in der Hoffnung, dass er ihre Brüste signiert? Wieso gehört er nicht zur ersten Liga, hat einen Plattenvertrag bei Sony und kassiert Millionen? Seine Fans würden es ihm so vergönnen. Denn jeder, JEDER der von sich behauptet, er möge Rock, müsste Richie Kotzen vergöttern. Aber vielleicht ist es ja auch gut so, dass Kotzen hier in Europa ein Geheimtipp bleibt. Ein unvergesslicher Abend im Reigen für lächerliche 25 Euro. Wir alle, die wir ihn gesehen haben, gehören zum Kreis der Eigeweihten und lächeln uns verschmitzt zu. Wir wissen eben, was gute Musik ausmacht. Richie Kotzen ist das alles sowieso egal. Er macht noch ein paar Fotos mit Fans, und dann verschwindet er mit Bassist und Schlagzeuger, ohne sich noch einmal umzusehen. Unendlich cool einfach.