Broilers im Interview
Rhein Donau Connection
Vier Herren und eine Dame, die den deutschsprachigen Punkrockraum aufmischen: Die Broilers aus Düsseldorf musizieren seit 1994 gemeinsam und feiern jetzt mit dem neuen Album „Santa Muerte“ endgültig ihren Karrieredurchbruch. Kein Wunder: Hartnäckigkeit, Leidenschaft zur Musik und Die Toten Hosen als Supporter im Hintergrund zahlen sich aus! Frontmann, Gitarrist und Gründungsmitglied Sammy Amara hat VOLUME erklärt, wie Rhein und Donau zusammenfliessen, welche Lebensinvestitionen sich wirklich lohnen und warum er an der Gitarre zum Gorilla wird.
(c) Erich Albert
Ihr kommt im Herbst zum Konzertieren nach Österreich – wie viel Rhein steckt in der Donau?
Was Geografie oder Schifffahrtswege betrifft, bin ich eine absolute Niete! Aber um die Frage metaphorisch zu beantworten: Auch wenn die Dialekte an beiden Flüssen unterschiedlich sind, gibt es eine gemeinsame Wellenlänge in der Mentalität. Zumindest spüre ich das bei meinen Freunden aus Wien und Linz.
Trotzdem: Andere Länder, andere Sitten – pflegt ihr einen gewissen Verhaltenskodex, wenn ihr auf Tour im Ausland seid?
Kein Kodex, sondern ein einfaches Rezept und überall anwendbar: Immer selbst so verhalten, wie man es von anderen Menschen erwartet. Bis jetzt hatten wir mit dieser Einstellung nirgendwo Probleme, sondern stets eine gute Zeit mit netten Bekanntschaften und tollen Gesprächen.
Der Grund für eure nächste Musikreise ist das aktuelle Album „Santa Muerte“ – den Titel habt ihr in Anlehnung an eine religiöse Heiligenfigur aus Lateinamerika gewählt. An was kann Mann und Frau heutzutage noch glauben?
In erster Linie an sich selbst – sonst bringt alles andere auch nichts. Das ist der rote Faden unserer neuen Platte: Wenn dich etwas an dir, an der Politik oder deinem Umfeld stört, musst du selbst aktiv versuchen, etwas zu ändern. Ich persönlich habe meine eigene Glaubensrichtung gefunden, die nichts mit Organisationen wie der Kirche zu tun hat. Denn genau wie Patriotismus und Nationalismus kippt Religion oft in eine gefährliche Ecke, aus der Kriege und Hass entstehen können. Darauf kann ich verzichten.
Auf unser Finanzsystem ist ebenfalls kein Verlass mehr, die Weltwirtschaft steht kurz vor dem Zusammenbruch. Welche Investitionen im Leben machen überhaupt noch Sinn?
Wenn du Zeit in etwas investiert, das dich glücklich macht, dann ergibt sich der Sinn des Lebens von alleine. Welche Art von Beschäftigung das sein kann,
ist bei jedem Menschen verschieden und lässt sichnicht pauschalisieren. Manche fahren gerne mit schnellen Autos auf der Rennstrecke im Kreis herum,
für andere gibt es nichts Wichtigeres als die eigene Familie. Wir wiederum leben mit der Musik unseren Traum.
Nicht jeder Mensch auf dieser Erde hat das Glück, etwas Erfüllendes zu finden bzw. damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wie stehst du zu radikalen Protestbewegungen wie beispielsweise kürzlich in London, die in Krawallen und Plünderungen ausgeartet sind?
Meine Devise lautet, niemals etwas zu schlucken, ohne es zu hinterfragen. Das gilt für so ziemlich alle Dinge im Leben, ganz egal ob sie aus der Wirtschaft
oder der Politik kommen. Fresse aufreißen und protestieren ist nie ein Fehler, sondern allgemeingültiges Menschenrecht. Nur was da in London passiert ist, war reiner Krawalltourismus und hatte keinen positiven Effekt für diejenigen, die unter dem System leiden müssen.
Wie sehr beeinflussen solche gesellschaftlichen Ereignisse die Texte der Broilers?
Stark, aber wir sind keine politische Band, die mit erhobenem Zeigefinger belehren möchte. Vielmehr geht es darum, Emotionen und Erlebnisse in Texte
zu fassen und die Menschen zum Nachdenken anzuregen.
Im Song „Harter Weg“ singst du zum Beispiel, dass du Geschichte schreiben willst, und nicht den verdammten Einkaufszettel. Was soll am Ende auf deinem Grabstein geschrieben stehen?
Über dem Eingang zu unserer Bandgruft soll zu lesen sein: „Sie haben sich stets nach Kräften bemüht!“ – hoffentlich fließt bis dahin noch viel Wasser den Rhein bzw. die Donau hinunter.
Das hoffen wir auch! Zum Abschluss: Wie heißt denn dein etwas eigenartiger Gitarrenhaltestil, den wir diesen Oktober in Wien und Linz wieder bewundern dürfen?
Ich nenne ihn Gorilla. Die von mir gespielten Gitarren sind ziemlich schwer – mein Rücken wird sich in zwanzig Jahren dafür bedanken.
Bevor das passiert, bedankt sich VOLUME für das Gespräch und freut sich auf die Broilers im Herbst.