Lemmy Kilmister im Interview
66(6) Years of Rock'n'Roll
Er ist eine Ikone – von allen geliebt und verehrt, dabei aber selbst oft zwider wirkend. Jedoch steckt hinter dieser ‚grantigen‘ Fassade eine der witzigsten, intelligentesten und humorvollsten Gestalten des Rock’n’Roll: Le mmy Kilmister, der mit seiner Band Motörhead seit über 35 Jahren durch die Lande tingelt und dem im Alter von 66 teuflischen Jahren nichts so schnell aus der Fassung bringt. VOLUME hatte die Ehre einer persönlichen Audienz bei Sir Lemmy in München.
Lemmy, lassen wir es ruhig angehen: Ihr spielt auf der aktuellen Tour den ‚Whorehouse Blues‘ akustisch. Voriges Jahr gab es bereits eine stille Version von ‚Ace of Spades‘ – habt ihr je darüber nachgedacht, ein komplettes Akustikkonzert zu spielen?
Zu viel Aufwand! Jedoch haben wir schon intern diskutiert, ob wir vielleicht eine zweite Nummer akustisch bringen und umsetzen könnten. Das wäre auch von der Vorbereitung her noch zu händeln. Aber ein ganzer Gig nur mit Akustikversionen ist dann doch zu viel des Guten. Das ganze Proben, Arrangieren und so weiter.
Du hast all die Jahre unzählige Texte für Motörhead geschrieben. Gibt es Songs, die aus deiner Sicht über die anderen zu stellen sind?
Der Text von ‚I Know How To Die‘ bedeutet mir ungemein viel, obwohl ich das mit dem Sterben noch nicht ausprobiert habe. (lacht)
Du hast auch für andere Künstler geschrieben: Joan Jett, Lita Ford und natürlich Ozzy Osbourne. Wie strikt bist du bei der Auswahl, für wen du arbeitest und für wen nicht? Es ist wohl kaum vorstellbar, dass du jemals Texte für Manowar verfassten wirst.
Das kann ich mir auch nicht vorstellen. (lacht) Aber sonst bin ich da sehr offen. Ich schreibe gerne und pausenlos Texte, wenn die jemand möchte und das Angebot in Ordnung ist, warum nicht? Ich habe auch mal Doro (Anm.: deutsche Metal-Sängerin) zwei Stücke zur Verfügung gestellt. Die lagen bei mir sicher schon fünf Jahre herum. Für Motörhead habe ich sie – aus welchen Gründen auch immer – nie verwendet. Dann habe ich sie einfach Doro überlassen.
Findest du es nicht auch schade, dass 90% der Leute Motörhead mit deiner Person in Verbindung bringen? Phil ist jetzt fast 28 Jahre dabei, Mikkey schon 20 Jahre – die beiden sind für etliche Klassiker in eurem Repertoire verantwortlich.
Natürlich ist es schade. Andererseits bin ich derjenige bei Motörhead, der von Beginn an dabei ist. Außerdem bin ich der Sänger. Jeder will immer nur mit dem Sänger reden, auch ihr von VOLUME wolltet heute ja mit mir reden. Darum gibt es beispielsweise auch so wenige Interviews mit Keith Richards und den anderen Instrumentenspielern. (lacht) Ihr wollt alle immer nur mit den Sängern reden.
Wie anstrengend ist es heutzutage für dich, auf Tour zu sein? Ist es immer noch der beste Job auf Erden?
Das ist kein Beruf, sondern mein Leben. Wenn du heute den Interviewraum hier verlässt, dann hast du deinen Job erledigt und gehst zurück zu deiner Familie, in dein Leben. Aber ich bleibe einfach Lemmy. Morgen, übermorgen und so weiter. Natürlich sind Tage dabei, an denen es einem besser geht. Dann kommen wieder Phasen, wo es nicht so gut läuft. Das ist okay, ich kenne es nicht anders. Ich habe keine Familie und bin überzeugter Single. Alles gut.
Um deine Person rankt sich ein richtiger ‚Cult of Personality‘. Es gibt sogar eine ‚Actionfigur‘ von dir!
Die ist witzig.
Letztens in der Harald Schmidt Show hast du das Dekolleté eines weiblichen Fans signiert, der sich deine Unterschrift als Tattoo stechen lassen will.
Verrückt, oder?
Alle miteinander! Meine Lebensgefährtin und ich haben unseren zwei Jahre alten Sohn ‚Aron Lemmy‘ getauft.
Echt? Danke sehr! Ich kenne ein deutsches Pärchen, das ihre Tochter Lemmy getauft hat – die Kleine war als Bub geplant. Aber die Eltern wollten dann keinen anderen Namen mehr. Jetzt gibt es auch einen weiblichen Lemmy irgendwo da draußen.
Wie gehst du mit dem Wahnsinn um, der Sex, Drugs & Rock’n’Roll mit sich bringt?
Nicht darüber nachdenken! Warum auch? Ich bin mein Leben lang immer ehrlich zu mir selbst gewesen – was sich im Endeffekt auch ausgezahlt hat. Sonst wäre ich jetzt gar nicht hier.
Angeblich ist ein Motörhead Coveralbum in Planung. Kannst du da vielleicht schon etwas verraten?
Wir haben darüber schon gesprochen, aber das wird kein leichtes Unterfangen. Mikkey ist ein riesiger Fan von Adult Oriented Rock und will natürlich, dass wir Songs von Journey oder Foreigner covern…
So hoch kannst du ja gar nicht singen, oder doch?
Nein, sicher nicht. (lacht)
Wenigstens dein Soloalbum soll 2012 – endlich – erscheinen?
Ja, eine unendliche Geschichte geht langsam doch zu Ende. Zehn Lieder sind jetzt fertig, erst letztens haben wir eine Gemeinschaftsarbeit mit Joan Jett finalisiert. Mal sehen, ob sich eine Veröffentlichung nächstes Jahr wirklich ausgeht.
Du behauptest oft, dass Little Richard der größte Rock’n’Roller der Welt sei. Da stellt sich die Frage, was hat dieser Little Richard, was ein Lemmy Kilmister nicht hat?
Little Richard hatte eine weitaus schlimmere Kindheit als Lemmy Kilmister. Seine Stimme und dazu Klavier ergibt pure Magie. Für mich ist Little Richard einfach der beste Sänger im Rock’n’Roll überhaupt! Wobei er natürlich auch schon alt geworden ist und nicht mehr auftritt. Dafür verteilt er jetzt Bibeln an die Leute. Wie auch immer, um am Ende vom Interview nicht wieder antichristlich zu werden: Ich bin gut, aber Little Richard ist einfach unglaublich.
Schwer zu glauben, wenn man gerade die Ehre mit L emmy Kilmister persönlich hatte! Danke für die Audienz.