Blümchensex...
…manchmal auch Gänseblümchensex genannt, ist laut Definition eine sanfte, zärtliche Sexualpraktik, die nicht zwingend zur Penetration führt. Oft ist der Ausdruck negativ besetzt und gilt im Volksmund als Synonym für unbefriedigend, frigide und langweilig, aber mal ganz im Ernst – mögen wir es nicht alle ab und zu lieber zart als hart?
Als ich ein Teenager auf sexueller Entdeckungsreise war, gab es noch keine allgegenwärtigen Sexseiten im Internet. Zwar haben wir auch Pornos geschaut, aber die meisten (von volljährigen Freunden aus den dunklen Ecken der Videotheken ausgeliehenen) waren eher so Oldschool 1980er Jahre Klassiker, wo dauergewellte Frauen mit langen Acrylfingernägeln leicht untersetzten, haarigen Typen die Eier lutschten. Keine genormten Silikonbrüste, keine dauerharten, gewachsten Viagra-Schwengel, die gnadenlos über Stunden in Löcher stoßen, die vorher in verliebter Detailarbeit gebleached und gedehnt wurden. Vielleicht war es auch deshalb ganz selbstverständlich, dass meine ersten aktiven Geh- oder besser Fummelversuche auf diesem Gebiet sehr vorsichtig und zärtlich abliefen. Ich war ernsthaft schockiert, als ich das erste Mal einen erigierten Penis ertastete – so riesengroß kam er mir vor!
Hätte mich dieser Junge damals zu knallhartem Bondage-Sex gezwungen – ich wäre meines Lebens nicht mehr froh geworden. Klar, je mehr sexuelle Erfahrungen ich sammelte, desto experimentierfreudiger wurde ich und finde es heute auch ziemlich gut, wenn es mal wilder zugeht. Ein bisschen beißen, ein bisschen festhalten, von mir aus auch ein bisschen fesseln, solange ich keine offenen Wunden davontrage und (mindestens einmal) zum Orgasmus komme – why not?
Was allerdings gar nicht geht sind Männer, die Bett und wahres Leben nicht trennen können. Die nach dem Sex glauben Manieren wären diese kleinen silbernen Bänkchen, auf denen man bei Tisch sein Fischmesser ablegt. Die einem kein sauberes Tüchlein reichen um ihren verschleuderten Lendensaft wegzuputzen, geschweige denn am nächsten Morgen einen Kaffee anbieten. Schmutziger Sex beinhaltet keine herabwürdigende Behandlung des Partners außerhalb des Bettes – und das gilt für beide Geschlechter.
Doch zurück zum Anfang. Blümchen und Bienchen, sanfte Bestäubung, eine Geschichte, alt wie die Menschheit, doch warum hat der Blümchensex ein so schlechtes öffentliches Image? Weil wir alle miteinander nicht zugeben wollen, dass es manchmal herrlich sein kann, einfach nur nackt stundenlang mit jemandem im Bett zu liegen, sich gegenseitig zu streicheln und die Muttermale des anderen zu zählen und zu betasten? Weil Männer ungern zugeben, dass auch sie es genießen können, wenn man sie am ganzen Körper küsst (und vielleicht anschließend mit einem klitzekleinen Blowjob verwöhnt)? Weil wir Angst davor haben, wie unglaublich berührend und innig es ist, wenn wir mit jemandem schlafen und ihm dabei tief in die Augen schauen, wenn der Mann sich Zeit nimmt in die Frau einzudringen und man sich noch minutenlang in den Armen liegt nach dem Höhepunkt?
Ha, das ist der Knackpunkt. Blümchensex ist verliebter Sex, er steht für Gefühle und echte Zuneigung. Klar sind wir einerseits geprägt von dem bescheuerten Bild, das die Medien uns vermitteln, nämlich immer rattenscharfen, durchchoreografierten Hochleistungs-Geschlechtsverkehr performen zu müssen, aber vielleicht ist es bei einigen auch die Angst davor zuzugeben, dass es einen erwischt hat, wer weiß… Dabei kann nur gewinnen wer sich auch traut etwas zu verlieren. Und ich rede jetzt nicht von Sperma…
Ich für meinen Teil kann abschließend nur sagen, dass ich Blümchensex fantastisch finde.
Ob ich verliebt bin? Wer weiß…