Moneybrother im Feature: Sound to Go
The Hives und Mando Diao rocken auf höchstem Niveau, Lykke li ist seit ihrem Sommerhit ‚I Follow Rivers‘ das neue Sternchen am Pohimmel und Goldkehle Loreen räumt mit dem Partyknaller ‚Euphoria‘ beim Euro Vision Song Contest 2012 im großen Stil ab. Schweden hat sich seit ABBA zu einem hochwertigen Popmusikexporteur gemeistert, dessen Produkt sowohl für Originalität als auch Charterfolg steht. Beide Voraussetzungen kann auch das neueste Album von ‚This Is Where Life Is‘ von Moneybrother erfüllen – inklusive stilistischer Einflüsse aus aller Welt. Globetrotter Anders Wendin im Gespräch mit VOLUME über sein aktuelles Werk und seinen musikalischen Werdegang.
Schon in den 90ern ist Anders Olof Wendin als Frontmann der Ska-Punk-Band ‚Monster‘ ein gefeierter Protagonist der schwedischen Musikszene. Keine Jugendsünde, wie sich herausstellt, sondern der Nährboden für diese spezielle Art von Musik, die er noch heute produziert. ‚Vielleicht ändert sich dein Stil oder deine Einstellung, wie gute Musik klingt, über die Jahre hinweg. Am Ende ist es aber immer so, dass du genau den Sound liebst, auf den du mit 14 abgefahren bist. Also hat sich in meinen Fall rein gar nichts verändert.‘, beteuert der Musiker im Gespräch mit VOLUME. Er dürfte Recht behalten.
Wendins Vorliebe, klassischen Rock à la Bruce Springsteen mit Ska, Reggae und Soul in eingängigen Popsongs zu vereinen, hat sich bis heute nur leicht verändert.
Die Art und Weise, wie er seine Musik vermarktet, sehr wohl. Mit der Jahrtausendwende wird Monster aufgelöst und sein Soloprojekt ‚Moneybrother‘ geboren. Ein Entschluss, den der Schwede nicht zu bereuen scheint: ‚Ich finde, dass Monster gar nicht so bekannt waren, wie viele heute behaupten. Wir haben als Band einfach nicht mehr funktioniert und sind irgendwann an dem Punkt angelangt, wo wir einsehen mussten, dass einfach Schluss ist‘. Das Talent zum Songschreiben bleibt ihm erhalten und so veröffentlicht Moneybrother in den letzten neun Jahren insgesamt sechs Studioalben. Die erste Single ‚Reconsider Me‘ feiern die Schweden als locker luftigen Sommerhit.
In Deutschland und Österreich bleibt sein erstes Album ‚Blood Panic‘ aber noch ein Insidertipp. Nach ‚To Die Alone‘, das mit Streichern, Chören und Bläsern das pompöseste Werk ist, folgt ‚Pengaborson‘ – eine Art Coveralbum, das mehrere Stücke in schwedischer Sprache interpretiert. Ein Goldstück für Wendins schwedische Fangemeinde, aber weniger goldig für das Label ‚Burning Heart Records‘.
Moneybrother beschließt, sein eigenes Label ‚Hacka‘ für seinen Studionachfolger zu gründen und gibt im Nachhinein zu ‚Ich wollte mehr Freiheit darin, wie ich meine Songs produziere und war zusätzlich darin überzeugt, dass ich keine Hilfe für meine zukünftigen Alben brauchen werde‘.
Ob sein Debüt auf ‚Hacka‘ deswegen den Namen ‚Real Control‘ trägt, und ob die Moneybrother Tomatensuppe auf den darauf folgenden Konzerten eine neue Marketingstrategie oder kulinarisches ‚Zuckerl‘ war, sei dahingestellt.
Mit seinem neuesten Longplayer ‚This Is Where Life Is‘ gelingt ihm und seinen Produzenten Christopher Roth in enger Zusammenarbeit mit Red Bull Records mehr als ein herkömmliches Rockalbum aus Schweden. Für zehn vor Optimismus und Lebensvitalität strotzende Songs, reist Anders Wendin in sieben Städte auf fünf Kontinenten und verleiht seinem neuen Material musikalische Tiefe oder originelle Arrangements.
Das Endprodukt seiner über drei Monat dauernden Reise ist nicht ohne Grund stilistisch durchgemixter als seine vorherigen Alben.
In sieben verschiedenen Städten der Welt überarbeitet er die Grundstrukturen einzelner Songs mit lokalen Musikern, sammelt Stimmen von Solisten, Percussions, Bläsersoli und Chöre, um sie zu einem Album zu vereinen. Stichwort: Weltmusik. ‚Als ich meine Reise gestartet habe, hatte ich schon eine fixe Idee im Kopf, wie das Endprodukt klingen wird – aber weniger als bei den vorherigen Platten. Vielleicht deswegen, weil wir sehr viel Interpretationsfreiraum für die Zusammenarbeit mit Musikern gelassen haben, die unterwegs mit uns gejammt haben. Ich habe so viele interessante und inspirierende Menschen kennengelernt‘.
Es ist diese Art der Komposition, die ‚This Is Where Life Is‘ nicht wie ein Soloprojekt eines Songwriter erscheinen lässt, sondern mehr, als würde ein Musiker das Fundament für neue Songs mit der ganzen Welt teilen wollen. Die romantische Ballade ‚In The Nighttime‘, in welcher sich Anders Wendins Stimmwunder – eine Mixtur aus Bryan Adams und Johnny Cash – zu einem hingebungsvollen Duett hinreisen lässt, ist wohl das beste Beispiel. In Steve Albinis Electric Audio Studio in Chicago fängt er Marlene Perez Gesangspart ein, in Rio de Janeiro werden die Rhythmuskünste des Schlagzeugers Marcos Suzano dazu gemixt und die wunderschöne Stimme von Juliana Kehl. Schlussendlich hat der Gesangspart von Cornelia Dahlgren aus London auch noch Platz.
Herausgekommen ist ein romantisches Geplänkel, dessen Atmosphäre man sich nur sehr schwer entziehen kann. ‚Es war mehr Zufall als eine Herausforderung, diesen Song aufzunehmen. Die Stimmen der drei Damen haben großartig zusammengepasst, auch wenn sie sich nie getroffen haben. Ich wünschte, ich könnte alle vier Musiker diesen Song performen hören und sehen. Das wäre magisch!‘ schwärmt er.
Besonders beeinflusst hat Anders Wendin sein Abstecher nach Jamaika, wo er in Bob Marleys legendären Tuff Gong Studios den Song ‚Nervous Reactions‘ mit lokalen Musikern aufgenommen hat. ‚Nein, es geht hier weniger um meine Nervosität mit Reggae-Virtuosen der Szene zu arbeiten, auch wenn es ganz gut gepasst hätte. In diesem Lied geht es darum, ausgeraubt zu werden – das passiert dir in Jamaica öfter als es dir lieb ist‘, lacht Wendin in Erinnerung an die Sessions.
Man merkt sofort, hier handelt es sich nicht um ein Konzeptalbum, sondern um eine Art künstlerisches Tagebuch, das nicht nur musikalische sondern auch inhaltlich private Erlebnisse festhält. Ähnliches nur in visueller Form ist dem preisgekrönten Filmemacher Jim Dziura mit seiner Dokumentation ‚Start a Fire‘ gelungen, der den Musiker und sein Team für fabelhafte Bilder und Szenen begleitet hat. Für das Team Moneybrother nicht immer einfach wie er selbst zugibt: ‚Ich weiß nicht, ob das die Stimmung im Studio beeinflusst hat. Ich habe anfangs versucht, die Kameras und Mikros zu ignorieren. Nach einiger Zeit habe ich das auch geschafft‘