Es war einmal HipHop 8 - Wie der Grandmaster zu seinen furiosen 5 kam
Was geschah nach Flashs erstem Auftritt? Wie kam er zu seiner Gruppe und warum brach sie kurz nach der Veröffentlichung von ‚The Message‘ auseinander? Das und mehr gibts in der heutigen Ausgabe von ‚Es war einmal Hiphop‘!
“The first time I did it, the crowd just stood there, just watched me. I was hoping to get, ‘Whoa yes, I love it!’ But it was like, no reaction, no movement. Just hundreds of people standing there. They were just trying to understand. – And I cried for like a week.” Grandmaster Flash in Can’t Stop, Won’t Stop
Flash hatte sich monatelang auf seinen ersten Auftritt vorbereitet und anstatt Begeisterung lösten seine neuen DJ-Techniken nur Unverständnis beim Publikum aus. In ausgeklügelter Manier hatte er Kool Hercs „Break-Spinning“ mit Pete Jones „Disco-Spinning“ kombiniert. Flash konzentrierte sich dabei musikalisch wie Herc auf die Breaks, mixte diese aber so sauber zusammen wie Jones seine Disco-Platten. Das Publikum schien aber mit Flashs Schnelligkeit und Präzision überfordert.
Nach längerer Überlegung kam Flash zu dem Schluss, dass er seine Show ähnlich wie Kool Herc mit kurzen Ansagen und kleinen Reimen auflockern musste. Er selbst war jedoch nicht in der Lage dazu, da er sich sonst nicht mehr aufs Cutten und Mixen konzentrieren konnte. Er fing an, bei seinen Auftritten ein Mikrophon auf die Bühne zu stellen, in der Hoffnung dass jemand aus dem Publikum ihm aushelfen würde. Und eines Tages nahm Keith „Cowboy“ Wiggins das Mikrophon in die Hand und ebnete damit den Weg für Flashs Erfolg. Diesem ehemaligen Mitglied der Black Spades verdanken wir heute nicht mehr
wegzudenkende Phrasen wie „Say ho!“ oder „Throw your hands in the air and wave ’em like you just don’t care!“. Cowboy animierte auch die beiden Brüder Melvin und Nathaniel Glover, besser bekannt als Grandmaster Melle Mel und Kidd Creole, den Job des MCs mit ihm zu teilen. Diese drei hoben MCing auf ein neues Level. Gepaart mit Flashs DJ-Skills stiegen sie bald als “Grandmaster Flash and the Three MCs” zu einer lokalen Größe in der Bronx auf. Melle Mel brachte mit seinem besten Freund Eddie Morris aka Mr. Ness/Scorpio einen vierten MC in die Gruppe und sie änderten ihren Namen zu Furious Four. Als auch noch Guy Williams alias Raheim zur Formation stieß, war „Grandmaster Flash and the Furious Five“ komplett und bereit, die Welt zu erobern. Schon im September 1976 füllten sie das Audobon – die größte Auftrittsmöglichkeit der Bronx mit einem Fassungsvermögen von ca.
3000 Besuchern. Grandmaster Flash und seine furiosen Fünf waren für die nächsten drei Jahre die Stars dessen, was wir heute als HipHop kennen. Flash war auch einer der ersten, dem ein Plattenvertrag angeboten wurde. Er lehnte jedoch ab, da er sich nicht vorstellen konnte, dass jemand eine Platte kaufen würde, auf der fünf Typen über einen Song rappten. Die Geschichte sollte den Grandmaster eines Besseren belehren. 1979 hörte er plötzlich drei ihm unbekannte MCs über die Musik von Chics „Good Time“ rappen. Schnell erkannte Flash, dass er sich geirrt hatte und so veröffentlichten er und die Furios Five einige Monate später ihre erste Single „Superrappinʼ“. Doch in die Geschichte eingehen sollten Flash wegen zwei späteren Nummern von 1981 und ’82: „The Adventures of Grandmaster Flash on the Wheels of Steel“ und „The Message“ – gemeinsam mit den Furious Five. Die erste Platte stellte einen klassischen DJ-Mix aus verschiedenen Liedern und Sprachsamples dar und ist zugleich das erste Beispiel für das in 90ern aufkommende Subgenre „Turntablism“.
„’Wheels Of Steel’ inspired DJs right around the world to get on those turntables and not let the beat run out.” Marley Marl
Flashs erfolgreichste Veröffentlichung, die als Begründer des sogenannten „Conscious Rap“ gilt, war „The Message“ – und das obwohl er damit eigentlich nichts zu tun hatte. Der Song erschien unter dem Namen Grandmaster Flash and the Furious Five, wurde aber in Wirklichkeit von dem Sugarhill-Produzenten Duke Bootee geschrieben. Von den Furious Five ist nur M
elle Mel zu hören, da sich Flash und die anderen anfangs geweigert hatte, das Lied zu produzieren und zu veröffentlichen. Ihr Label Sugarhill konnte jedoch Melle Mel überreden, einen Rap beizusteuern. Nachdem klar wurde, dass das Label den Song als Single herausbringen wollte, sprangen Flash und die anderen wieder mit auf. Die darauffolgenden Streitigkeiten zwischen dem Label, der Gruppe und im Speziellen zwischen Melle Mel und Flash führten zur Auflösung der Gruppe noch im selben Jahr 1983. Die Hintergrundgeschichte zu „The Message“ macht einen Trend deutlich, der mit den ersten HipHop-Aufnahmen losgetreten wurde: Der musikalische Fokus wechselte vom DJ zum Rapper. Vor den Plattenaufnahmen war der DJ die zentrale Figur im HipHop. Nun aber wurde er von Rappern und Produzenten mehr und mehr von der Bildfläche verdrängt.
Dennoch war „The Message“ ein Riesenerfolg und wurde einer der wichtigsten Songs der HipHop -Geschichte. Sein Einfluss auf die HipHop -Kultur ist einerseits auf den Text mit einem bis dahin nicht dagewesenen Bericht des rauen Ghettolebens zurückzuführen. Andererseits spielte Jeff Chang zufolge die Langsamkeit des Beats und die Darbietung in dem leicht resignierten und zugleich wütenden Tonfall eine wichtige Rolle. Kurtis Blow etwa hatte zwar bereits zwei Jahre zuvor mit „Hard Times“ einen Song samt sozialkritischem Text herausgebracht. Durch das Tempo des Beats und Blows Darbietung des Textes unterschied er sich jedoch kaum von seinem restlichen partytauglichen Material. „The Message“ stach aber durch sein Tempo heraus und zwang die ZuhörerInnen sich auch auf den Text zu konzentrieren.
Nach den Streitigkeiten rund um „The Message“ verließen Melle Mel, Mr. Ness und Cowboy die Gruppe. Grandmaster Flash, Kidd Creole und Raheim machten gemeinsam mit drei neuen Rappern weiter Musik. Sie veröffentlichten jährlich von 1985 bis 1987 ein Album, mit denen sie jedoch nicht an ihren früheren Erfolg anknüpfen konnten. Auch das 1988er Reunion-Album in der alten Besetzung konnte diesen nicht mehr herbeiführen. Danach trennten sich ihre Wege endgültig. Flash brachte seitdem nur mehr zwei Alben 1998 und 2009 heraus. Die größte Ehrung ihres Schaffens erlangte die Gruppe vielleicht 2007, als Grandmaster Flash and the Furious Five als erste HipHop-Crew in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen wurde.
Damit schließe ich das Kapitel der drei „Gründerväter“ der HipHop-Kultur ab. Ihr fragt euch jetzt vielleicht: „Gab es neben diesen denn keine anderen wichtigen DJs in HipHops Anfangstagen? Und spielten die Breakdancer und Graffiti-Artists gar keine Rolle in der Verbreitung der neuen Bewegung? Die Antworten auf eure Fragen bekommt ihr nächste Woche, wenn es wieder heißt: „Es war einmal HipHop“.