Alles neu in Amsterdam

Booka Shade are back: Am 1. November veröffentlichen Walter Merziger und Arno Kammermeier ihr fünftes Studioalbum namens ‚Eve‘. Ihr neues Klangmaterial haben die beiden Soundexperten mit dem Faible für positive Melancholie in Manchester entworfen. Anschließend wurde das Ganze im Berliner Heimstudio auf den Boden gebracht, um ‚Eve‘ am 18. Oktober in Amsterdam das erste Mal live in zu präsentieren. Walter Merziger und Arno Kammermeier im Interview über komplizierte Liebe, schwierige Selbstfindung und einfache Vorfeude auf die Premiere beim Amsterdam Dance Event.

Reset: Wie befreiend war die Neupositionierung in Sachen Label und Vertrieb für euer jetziges Schaffen?

Walter: Es war wirklich eine super Zeit mit DJ T. bzw. Philipp und Patrick von M.A.N.D.Y. – 2002 haben wir zusammen wie aus dem Nichts das Label Get Physical Music aus dem Boden gestampft. Alles eine sehr glückliche Fügung, da wir innerhalb kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Labels für Clubsound weltweit wachsen konnten. Irgendwann wurde Arno und mir das Ganze allerdings zu groß bzw. kompliziert – darum unser Ausstieg 2010. Um weiterhin alle Freiheiten zu genießen, haben wir Anfang des Jahres unser eigenes Label Blaufield gegründet. Da eine weltweite Albumveröffentlichung von Booka Shade finanziell und technisch alleine nicht zu stemmen ist, haben wir uns das Berliner Label Embassy of Music als Partner mit ins Boot geholt. Bisher sind wir mit dieser neuen Konstellation sehr zufrieden!

‚Love Inc‘ ist der erste Song, den Booka Shade von ihrem neuen Album habt hören lassen – eine elektrische Tanzballade an die Liebe. Gibt es den perfekten ‚Love Song‘? Wenn ja, welchen und warum?

Arno: Wir lieben Melancholie mit einem Licht am Ende des Tunnels – uns interessiert eher die komplizierte Liebe als das schmalzige Happy End à la Hollywood. ‚Love Will Tear Us Apart‘ von Joy Division ist ein Meilenstein, ‚Every Breath You Take‘ von The Police wirkt sehr erhebend. Aber natürlich gibt es noch sehr viel andere super Songs mit Thema ‚Liebe“ – schließlich geht es ja in der Popmusik um fast nichts anderes!

Wie würdet ihr die Grundstimmung eures neuen Albums in eigene Worte fassen?

Walter: Positive Melancholie, tief, vielschichtig, sexy Beats, melodisch, eine Reise wert.

Steckt im Songtitel ‚Crossing Borders‘ mit Fitz Kalkbrenner ein Stück weit das Geheimnis eurer musikalischen Entwicklung?

Arno: ‚Eve‘ war unser bisher schwierigstes Album und hätte es fast nicht geschafft, auf den Boden zu kommen. Fast zwei Jahre lang gab es von uns kein Musikmaterial, das wir überzeugend und veröffentlichungswert fanden. Nachdem wir in einem Manchester Studio wieder die Magie unserer Zusammenarbeit entdeckt haben, ist endlich wieder Drive in die Sache gekommen. Es ist uns gelungen, den typischen Booka Shade Sound zu wahren, aber dennoch alte Grenzen zu überschreiten. Darum beschreibt der Songtitel die Entstehung des Albums sehr gut.

Welche konkreten Inspirationen waren Grundlage für ‚Eve‘?

Walter: Wir leben in unserem eigenen Sounduniversum – ohne uns an anderen Musikerkollegen zu orientieren. Das Reisen ist eine große Inspirationsquelle. ‚Jesolo‘ zum Beispiel ist in der gleichnamigen italienischen Stadt entstanden, das Selbe gilt für den Song ‚Leema‘, den wir in der peruanischen Stadt Lima geschrieben haben. Zu den Bands, die uns in der dreijährigen Produktionszeit begleitet und fasziniert haben, zählen Arcade Fire, M83, Burial, Jon Hopkins oder Nick Cave mit seinem Meisterwerk ‚Jubilee Street‘ aus dem aktuellen Album ‚Push The Sky Away‘.

Was ist das Besondere an den Eve Studios, dass Booka Shade ihr fünftes Studioalbum danach getauft haben?

Arno: Für uns war dieses Studio ein Ort, an dem wir uns von allen Zwängen und Erwartungen befreien konnten, die wir an uns selbst hatten. Ein Haus voll mit analogem Equipment und seltsamen, raren Instrumenten – ein Paradies für Musikproduzenten. Das Besondere an daran: Es handelt sich um ein Residential Studio. Man wohnt, isst und arbeitet im gleichen Gebäude – was wir auch getan haben. Walter hat das Haus während der Produktionsphase überhaupt nicht verlassen…

Manchester = Madchester? Wo liegt der Charme dieser Stadt und wie kam es zu diesem Auswärtsspiel?

Walter: Die Stadt war im ersten Moment nicht der ausschlaggebende Punkt, uns hat einfach ein Fachartikel über die Eve Studios fasziniert. Allerdings ist uns während der Produktion bewusst gewesen, dass Manchester mit der Hacienda, den Happy Mondays und New Order die Clublandschaft für immer verändert hat.

Wie lange habt ihr in Berlin an den Songskizzen arbeiten müssen, bis ihr damit endgültig zufrieden gewesen seid? Welche Gefahren lauern hinter so einem Raumwechsel während einer Albumproduktion?

Arno: Sehr positiv! Man tendiert in seinen eigenen vier Wänden dazu, bequem zu werden – das ist Gift für jegliche Art von Inspiration und Fortschritt. Der Raumwechsel bzw. die Produktion in zwei Studios war das Beste, was wir in unserer festgefahrenen Situation machen konnten. Nach den Aufnahmen in Manchester haben wir mehr als ein Jahr in Berlin gebraucht, um das Album fertig zu produzieren.

Ihr präsentiert euer neues Material live im Zuge vom Amsterdam Dance Event. Was hat sich in Hinblick auf Sound, Performance und Lebensgefühl geändert?

Walter: Wir sind seit einigen Wochen dabei, eine neue Show zu konzipieren – die Premiere steigt am 18. Oktober in Amsterdam. Unser neuer Grafiker La Boca steuert einen Großteil der neuen Visuals bei. Musikalisch bleibt es natürlich bei der bisherigen Aufteilung: Arno Kammermeier an den Drums und Walter Merzinger am Keyboard. Allerdings haben wir die Show noch mehr auf Instrumente und Performance ausgelegt. Live passiert jetzt noch mehr – einfach überraschen lassen!

Welche drei Eigenschaften verbindet ihr persönlich mit Amsterdam? Und wo liegt der Reiz, neben hundert anderen Künstlern beim ADE zu spielen?

Arno: Amsterdam ist eine wunderschöne, vibrierende Stadt und es ist immer ein Fest dort zu sein bzw. Konzerte zu spielen. Eine unserer ersten Shows überhaupt war beim Five Days Off Festival im Melkweg – das Paradiso ist auch ein großartiges Venue und wird immer wieder gerne von uns bespielt. Wir sind gespannt wie unsere erste Show bei ADE verläuft.

Zum Abschluss: ‚Eve‘ bildet die perfekte Grundlage für den nächsten Gig im Vorprogramm von Depeche Mode? Wann ist es wieder soweit?

Walter: Es gibt ein paar Gerüchte, aber nichts, was wir hier verkünden könnten. Noch nicht…

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